HYPErLYNX.di.gi.arium 00.03.22

am 00.03.17 schon verhandelt, am 00.03.20 nochmals ergänzt: die frage des subjektivismus in links.radikaler politik anhand einer kritik an der LinX durch den gen.c.u. aus dem derivat vom 00.03.20 destillierte ich eine hirn.kolumne für die LinX. die bedenken daran werden wohl dazu führen, dass sie entwurf bleibt, also nicht "am eigentlichen ort der imaginierten wirksamkeit" veröffentlicht, also stoff fürs di.gi.arium, der hier (am uneigentlichen ort des voids, der unwirksamkeit) eingesnippt wird:

--- snip the monster.hirn here! ---

Herr, send' Hirn!

LeserInnen-Echo erreicht die LinX-Redaktion relativ selten. Und wenn, dann ist es wie bei allen Zeitungen: Nur das ziemliche Genervtsein setzt genügend Energie frei, um einen Leserbrief zu schreiben. Oder zum Telefonhörer zu greifen. Aus solchem scholl mir (als Redaktionsmitglied) jüngst entgegen, dass mit der LinX was schief laufe und dass diese Kolumne neben dem mittlerweile zu einem schönen Ritual kultivierten PDS-bashing dafür sozusagen exemplarisch sei. Es fielen Worte wie "das ist der Zynismus von frustrierten Linken", das ist der Stil der "konkret", das ist "keine Politik mehr", das ist zu einem gewissen Grade auch elitäre Schreibe von "Berufsjournalisten". Und all das ist wahr, und das aus gutem Grund.

Ja, wir, zumindest manche von uns, sind frustriert. Frustriert sind wir einerseits über die allgemeinen Bedingungen des Kapitalismus, seine täglichen Zumutungen und seinen ganzen Wahnwitz, der überall und zu jeder Zeit ziemlich authentisch erfahrbar auf uns einstürzt. Aber geschenkt, denn dass man es in diesem System nicht unbedingt auf Humanität und ein einigermaßen nervfreies Leben anlegt, ist ja bekannt. So richtig frustriert sind elitäre Berufsjournalistenlinke allerdings dann, wenn ihnen z.B. die PDS-Postille "DISPUT 3.00" ins Haus flattert (sie endlich abzubestellen, wäre einfach zu viel Nerv). Ja, wir wollen hier wiedermal die "einzige Partei links von SPD und Grünen" (was nicht viel heißt, denn links vom Urknall "Neue Mitte" sind die unendlichen Weiten eines ganzen Universums) bashen. Auf Seite 33 dieses in den letzten Jahren von Ausgabe zu Ausgabe immer "professioneller" gewordenen so genannten Disputs findet sich eine ganzseitige Anzeige von "Die Bundesregierung". Die wirbt wie folgt für die EXPO 2000 (Ausschnitte): Überschrift: "Eine Welt - eine Zukunft." Darunter ein Foto mit jenen dynamisch-flexiblen Multikulti-Jugendlichen (der Alibi-Nigger darf dabei ebenso wenig fehlen, wie die Alibi-Schlitzäugin, der arische Typ wird allerdings eher gemieden), das verdächtig dem Titelbild der DISPUT ähnelt. Text: "Auf der EXPO 2000 werden Sie sehen, dass Nachhaltigkeit für eine freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eine lösbare Aufgabe ist und dass Mensch und Natur überleben können. Die EXPO 2000 gibt lokale Antworten auf globale Fragen. Deutschland ist im Sinne der Agenda 21 wirtschaftlich, technologisch und kulturell auf einem guten Weg. Die Bundesregierung trägt dazu bei, dass unser Land beim Schutz natürlicher Lebensgrundlagen und bei der Schaffung von mehr Arbeit Vorbild wird. (...) Deutschland erneuern." Wie diese Anzeige mit ihrem säuselnd menschelnden Gefasel und faustdicken Lügen in das PDS-Blatt kommt? Ist doch klar: "Deutschland erneuern" könnte bald einer dieser allgemeinplatzenden PDS-Wahlslogans sein. "Unser Land" ist es ja schon. Und "Eine Welt" passt auch gut, weil man ja vergessen hat, dass die Frage eigentlich lauten müsste "Wem gehört die Straße und wem gehört die Welt?" (Brecht/Dudow: "Kuhle Wampe"). Und mal ehrlich - das frustriert!

Nun wird besagter Anrufer einwenden, dass wir ja schon wieder immer nur "den Feind im eigenen Lager sehen". Auch da hat er Recht. Denn selbst da steht der Feind schon, mitten im eigenen Lager. Und mal ehrlich - das frustriert! Was tun? Ganz klar: keine Politik mehr machen, wenn die so aussieht. Stattdessen die explosive Kraft des Frusts nutzen. Und weil man dieses Dynamit der Verzweiflung sehr vorsichtig handlen muss, damit es nicht gänzlich nach hinten losgeht (denn was nützen Explosionen in der Etappe statt an der Front?), tun wir das ziemlich intellektuell. Wer darin was Elitäres sieht, möge sich überlegen, was für ein Menschenbild dahinter steckt, wenn man Intellekt als nur Eliten Zugehöriges begreift - das von den im Grunde doofen Massen, die geführt werden müssen.

Aber auch das - geschenkt! Worum es in dieser Rubrik geht - und wenn das auf die ganze LinX-konkret abfärben sollte, dann umso besser -, ist dies: Dass diese Kolumne deswegen nützlich ist, weil sie mit der kalkulierten Politik bricht. Weil sie sich - bewusst unprofessionell - mitten hinein begibt in den alltäglichen Wahn, ohne den (professionalisiert politisch) wegzukalkulieren. Weil sie kommunistische Kalkülkretins in den Zustand der (kreativen) Verunsicherung versetzen will, in dem wir uns doch alle befinden! Diese Kolumne ist der erste Schritt, die LinX, wenigstens partiell auf einer halben Seite, zu einem linken Realsatiremagazin zu machen. Allein sowas wird gebraucht. Intelligent über die Stränge des Kapitals (und seiner Büttel, nolens volens auch in den eigenen Reihen) schlagen, ganz und gar nicht mehr als Parteisoldat, sondern als Parteipartisan, der Hinterhalte des Worts legt und den mittlerweile notorischen Ankommern ihre Neue-Mittelstands- und Kompromissschienen wegsprengt. Denn Politik findet in schimmligen Küchen statt, wo die Milch sauer geworden ist. Politik findet in Betten statt, deren Wäsche man wochenlang nicht mehr gewechselt hat. Politik hat den besten Ort zwischen gepackten Koffern. Politik braucht das Chaos (Brecht: "Das Chaos ist aufgebraucht, es war die beste Zeit.").

MEHR CHAOS! Nicht um sich zu zerstören, sondern um die Architektur des Kapitalismus und seiner (auch linken) Anpasserkultur anzugreifen durch massive und extrem(istisch) schlaue Dekonstruktion. Dass also Sozialismus (derzeit) nicht aufgebaut werden kann, sondern im Gegenteil ein Dekonstruktionsakt sein muss. In diesem Sinne wäre die LinX dann wirklich eine "sozialistische Zeitung für Kiel" - und anderswo. (jm)

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dass das natürlich manifest.charakter hat. mit gen.c.s. auf dem büro.balkon gespräch darüber. frage immer wieder: darf.kann politische aktion derart subjektivistisch sein wie das di.gi.arium? antwort immer wieder: sie muss! der widerspruch bleibt aber, geht im kopf rum wie ein NNNAAAMMM.mantra. klar: solche widersprüche sind die hoffnungen (brecht). prozesse der abnabelung von jeglichem apparat der organisation (partei) und ergo ein schritt zu den autonomen. aber damit auch ein schritt in die wirkungs- und folgen.losigkeit. andererseits ein notwendiger schritt dahin. einmal muss man noch durch, mindestens einmal, durch das dasein als flaschen.post. post von frustrierten flaschen. mimosentum von memmen. aber wir stehen an seltsamen fronten, die verwischen und deshalb so gefährliche sind - für beide seiten. und wieder: diese gefahr nutzen, ihren impuls auskosten. schwarz.vertraute gespräche mit den untergängen, denn nur diese raten noch der überwindung der untergänge. so mitten durch, offenen auges und schwer schlau. die frage, die dann nur und dennoch bleibt: darf man das (nicht mehr eigentlich, sondern nur noch als solches gedachte) KOLLEKTIVE projekt LinX mit auf diesen marsch durch die ich.institution.inferno nehmen?




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