HYPErLYNX.di.gi.arium 00.09.14

für kn bei "zeit.der.engel". theater.projekt, das mich total anmacht. sehr gut gefunden. so:

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Wo Liebe nur ein Wort ist

Wenn jedes Wort mit ganzem Gewicht auf der Goldwaage der Poesie liegt, hat es die Liebe schwer. Nicht nur die Liebe, das Leben überhaupt. Kunst und Leben, zwei Königskinder, die nicht zusammenfinden können. In "Zeit der Engel", der nach "Weibsbilder" zweiten Regiearbeit von Gabi Bartels, treffen im strengen Bühnenweiß des Himmels zwei grundverschiedene Künstler aufeinander: Hugo Wolf und Meret Oppenheim. Was sie eint, ist Künstler zu sein, jeder auf seine Weise extrem und unbedingt. In einem manischen Schaffensrausch schrieb Wolf seine Mörike-Lieder, gefolgt vom Fall in tiefste Depression. Und Oppenheim verwob sich an der Grenze des Hermetischen in ihre surrealen Bildwelten. Zwei Wege heraus aus dem Leben, getrieben von unbändigem Lebensdurst.

Entsprechend entrückt erscheint zunächst die Inszenierung, zumal die Protagonisten nur in Zitaten reden und singen. Ein assoziativer Dialog, der die Schauspieler aber nicht einengt, sondern neben den Worten den zarten Gesten enormes Gewicht verleiht. Berührungen wie in Zeitlupe, ein langsames Wogen von Anziehung und Abstoßung. Das große Gefühl bleibt unter der weißen Seidendecke und ist damit umso intensiver. Denn im Tausch der Worte steckt weit mehr erotische Spannung, als "bisse man sich die Lippen wund".

In nur 50 Minuten bringt das Paar, am Klavier meist sensibel, manchmal aber auch vor lauter Verve brachial zu laut begleitet von Björn-Erik Werner, ein Kammerspiel auf die wolkigen Bretter, das in seiner Dichte den Atem raubt. Kondensation der Gefühle auf engstem Raum, Zuspitzung als Dauerzustand und dadurch ein Drahtseilakt. Doch das Paar hält schlafwandlerisch die Balance. Stephan Bruchhäuser findet genau den richtigen Weg zwischen romantischem Überschwang und der düsteren Zurückgezogenheit über den aus der Figur Wolf quellenden Noten, denen er mit einem trockenen Tenor beachtliche Stimme verleiht. Katrin Pfeifers Pendel zwischen introvertierter Grübelei und einer kindlich übermütigen Freude, die den Raum mehr erhellt als jeder Scheinwerfer, ist ebenso perfekt getimet.

Zeit der Sternstunden, wenn sich die beiden auf der Parkbank im Elysium für einen Moment nur in die Arme sinken, wenn sie um die Mitte, die sie einander nicht sein können, kreisen oder auf dem Skateboard namens Sehnsucht über die Bühne rollen. Allein, es bleiben Künstler. Und so verlangt jedes Glücksmoment nach sofortiger Konservierung auf dem Notenblatt oder im Notizbuch. Lieben, leben, um zu schreiben. Denn das Werk ist beider einzige wirkliche Liebe. So singen sie am Ende im Duett, getrennt durch eine maximale Distanz und doch innig einverstanden Mörikes Schlüsselverse: "Lass, o Welt, o lass mich sein! Locket nicht mit Liebesgaben, lasst dies Herz alleine haben seine Wonne, seine Pein!"

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(zitat des artikels nur, damit nicht alles noch.mal erklärt werden muss, worum's geht &c.)

trete nach den 50 minuten aus dem gebäude und es ist noch.mal sommer. feuchte luft, die riecht. sachte sache des körpers, empfindung. die sinne geschärft nach theater ist dieses raus.treten immer so eine sache. weil raus.treten ins so genannte wirkliche leben des fahrrad aufschließens, lampen dran machens, weg.radelns und dabei auf ampeln achtens.

thema natürlich: kunst und leben: die unvereinbarkeit beider legendär. muss aber beleuchtet werden. erfahrung.1.0: wenn ich glücklich & zufrieden bin, schreibe ich nicht. andererseits bin ich glücklich, wenn ein guter text da steht. deswegen schreibt man nach guten texten meist erst morgen weiter, wenn das glücks.gefühl AM TEXT abgeklungen ist. erfahrung.2.0: der drang, überhaupt alles aufzuschreiben, zu archivieren, zu ver.nach.welten. erfahrung.3.0: kunst als material.wissenschaft. was nicht material ist, wird irgendwie selektiv weniger intensiv wahr.genommen. die eichung der wahr.nehmung auf die verwertbarkeit für den text. wo aber material gewittert wird, läuft sofort die hyper.sensibilisierungs.maschine an.

im stück all das gut sichtbar. leben DURCH TEXT, also da hinein, dann wieder raus, als text, und dann darüber, über text, definiert. (TEXT hier verallgemeinerungs.mäßig ersetzbar durch andere werk.emanationen wie bild, musik &c.). und wie dieser modus des immer IM UND AM TEXT SEINs das so genannte leben schwierig macht. schwierig zu leben, weil text natürlich erstmal tot ist. das dauer.problem, dass dem künstler, jetzt mal hier mir, dem text.künstler, erleben sich immer sofort und augenblicklich in sätze kassibert. ist nicht.künstlern immer schwer zu vermitteln, dass man tatsächlich bei einem kuss z.b. im zitat DENKT: "und bissen uns die lippen wund." dass also nicht nur biblisch am anfang das wort war, sondern dauernd. zudem ein sich selbst verstärkender rück.kopplungs.prozess (RESONANZ.phänomen), weil wahrnehmung via (durch und im modus des) text wiederum in text beschrieben wird, wodurch man sehr schnell nur noch in text ist.
LEBEN WIRD TEXT. das meine ich mit VERSCHWINDEN IM TEXT (wobei es IM heißen muss, präziser, als HINTER DEM). wahrscheinlich ein prinzipielles problem des denkens, das immer als text statt.findet, immer im modus des "da sagte ich mir also und sprach".

text als handlung: in der psycho.therapie ging es fort.während um meine HANDLUNGEN, also wie ich auf das.und.das so.und.so reagiere, wie aber die reaktion anders zu organisieren wäre. das führte dazu, dass ich andere texte schrieb - oder: texte anders schrieb. ich nahm die ganze sache NUR DURCH WORTE wahr. es waren also andere worte zu finden. statt des "ja. mach' ich" ein "nein. mach' ich nicht." das blieb natürlich folgenlos im "wirklichen leben", weil sich die handlungen nur in bezug auf text änderten. die therapie bestand allerdings auch nur aus dauerndem sprechen.

"wie fühlen sie sich heute, wie war die letzte woche?"
"also, das war so. ich ERZÄHLE ihnen mal, wie ich ..."

TEXT.

"bitte schließen sie jetzt die augen. was sehen sie?"
"äh. da ist also in meinem rücken ein berg. und ich ..."

TEXT.

überhaupt und immer, selbst wenn man mal an den körpern rum gemacht hatte (bewegungs.therapie: auf dem boden wälzen und schrei.schrei machen - sehr befreiend; rücken an rücken stehen und merken, wie man sich an einander abstützt, ohne dass man das gefühl hätte, jemanden zu stützen), wurde das natürlich hinterher reflektierend ERZÄHLT.

"und? wie haben sie sich DABEI gefühlt?"
"also, das war so. ich ..."

TEXT.

einmal meinte die therapeutin, dass ich eigentlich ein guter patient sei, weil ich ja zugänglich sei für das "drüber reden". das sei bei anderen manchmal ein riesen akt, die erstmal überhaupt dazu zu bringen, über ihre gefühle zu reden. da war ich natürlich stolz, dass ich ein guter patient war. folge war natürlich ...

TEXT.

die beziehung mit a. begann damit, dass wir über monate faxe hin und her schickten, manchmal 4 bis 5 täglich. man las und reagierte mit schrieb, gespannt, was der.die.andere antworten, schreiben, faxen würde. irgendwann war klar: man ist verliebt. dann traf man sich. es gab nichts mehr zu sagen, man hatte sich ja schon alles GESCHRIEBEN. also kuss. na gut. irgendwie verkrampft. später dann, dass es nicht klappt, weil das mit den körpern irgendwie nicht hinhaut, natürlich sehr umfangreich BESPROCHEN. nächte lang. hinterher fühlte man sich dann immer wieder irgendwie besser, weil man es doch irgendwie sehr gut und sehr zutreffend in worte gefasst hatte, was also nicht geht und warum nicht. die rat.losigkeit blieb. darüber, über die rat.losigkeit, schrieb man dann wiederum einen TEXT.

text als text: der text hat etwas selbst.bezügliches. das kommt immer sofort aus ihm heraus und mündet wieder in ihn. diese arien an der tastatur, dies nächtliche hacken, machen besoffen. manchmal weiß ich nicht, ob ich jetzt eher von dem - das wie.vielte war das jetzt noch.mal? - bier.wein oder dem text betrunken bin. was jetzt? frage natürlich als text. die sache mit dem TEXT.ÜBER.DEN.TEXT ist legion. reflexiv nimmt der text als text auf sich bezug.

leben kommt nicht vor. was aber wäre denn überhaupt leben?

die KIFFS MIT JEANETTE hatten vielleicht am ehesten was von leben. weil man da saß und NICHT MEHR SPRACH. da war ein anschauen und ein anscheuen, ein gegenseitiges. dass man nicht einfach ins bett ging und dermaßen bedröhnt (und wir waren meistens sehr schwer bedröhnt) fickte, lag daran, dass das textlich nicht fassbar gewesen wäre. es war diese enorme gegenseitige anziehung (frech und frei extrapoliert der text hier einfach mal, dass meine anziehung zu ihr auch ihre zu mir war - natürlich wahrscheinlich die reine text.fiktion ... aber irgendwie schien es so), die sich im nicht.handeln intensiver auslebte als handlung, die dann doch spröde gewesen wäre. ich erinnere mich, dass wir berauscht uns einfach stunden.lang anstarrten. und es war o.k. WEIL das nicht mehr BENANNT werden musste. ich glaube, EINMAL, das war bei dem schwerst.rausch während und nach der zweiten techno.party im wg.keller (wir hatten zwei EIMER geraucht), haben wir SEHR VORSICHTIG händchen gehalten. weil wir in der jeweiligen innen.welt des kiffs extrem schwankten, es DREHTE SICH ALLES, und aneinander mehr zufällig halt suchten.

das immer noch "in mind" entwickelte ich nunmehr jahre später die theorie, darauf beruht die eigentlich, dass das nicht.sein (was im rausch wie auch in text vorweg.genommen ist) das sein befördert. in text kann man vorzüglich nicht.sein.

ALSO TEXT.

man muss sich mal klar machen, dass "sein oder nicht sein" letztlich ein geflügeltes wort ist, engel.
YEAH!nett.haft, sprech- und leb.bar eigentlich nur im elysium von text.

mit jeanette war immer nicht.sein. folge: sonette (sputum - 14 sonette, 1996). etwa dies (
grinse.gras. den titel hat j. spontan gesagt, als ich es ihr vorlas. sie hat ihn mir geschenkt.):

ja, es war im sommer der gelage
am küstensaum der frisch gestrandeten,
im violetten wellental der tage,
als die schmetterlinge landeten.


jeanette war jener jähe schmetterling, der mit einem flügel.schlag (dies chaos.theorie.phänomen, dass angeblich ein schmetterlings.flügel.schlag einen hurrikan auslösen kann, was für jeanette in jedem fall zutraf) den text über ihn zunichte machte. ein lachen von ihr. aber das musste dann - andererseits - sofort rein in den text. penetration der worte.

text als leben: dass ich aus gründen, die text.extern waren, damals vermieden habe zu beschreiben, wie ich sie einmal nackt fand. wieder nach so einem schweren kiff. nackt liegend unter einer sie nur zwanzigstel bedeckenden decke im damaligen winter.garten, schlafend. UND MAN KONNTE ALLES SEHEN. und genau das, das ALLES, war SEHR ZÄRTLICH (und somit überhaupt nicht lüstern, weil die zärtlichkeit dadurch entstand, dass ich NICHT nach diesem leib griff) und also nicht text. denn ich stand und schaute. es war der heiße sommer. es war der sommer der sonette.

jetzt ist also auch das TEXT.

und also endlich verschwunden.


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