HYPErLYNX.di.gi.arium 00.11.18

expedition ins so genannte eltern.haus. wo ich den family.award schon allein dadurch gewinne, dass der verlorene.sohn mal wieder heim.kehrt und sogar versprochen hat, ÜBER.NACHT zu bleiben. letzteres hat hotel.qualitäten zur folge: frisch bezogenes bett im ex.klavier.zimmer (wo allerdings immer noch das nunmehr vollständig verstimmte klavier steht, auf dem ich mal, ach ja, dieses requiem komponiert hatte. ist länger her als lange.). auf dem kissen zwei packungen tempo.taschen.tücher (wozu bloß die?) und ein so genanntes bett.hupferl, also praliné. sehr nett, sehr nett gemeint, aber dennoch so seltsam, dass man sich wieder gleich sehr fremd vorkommt. auf dem schreib.tisch des vaters, der heute geburtstag hat, deswegen ist man hier, nur deswegen, liegt noch, sauber druck.geschriftet mit datum versehen, der heute erschienene kn.artikel von mir. die bewahren also alles auf. schrill. andererseits bewahre ich das ja auch alles auf.

im neu gekachelten gäste.bad, das stolz vorgeführt wird, liegt vor dem völlig blitz.blank.glänzenden (blitz.krieg mit domestos sieht man ihm noch an) wasch.becken ein selbstverständlich im farb.ton zum neuen kachel.grau (vorher waren die 70er.schrei.blau, was ich im nach.hinein eigentlich viel besser finde) passender fuss.wärmer.vorleger, auf dem in gewebten lettern „BAD“ steht. damit man nicht denkt, dass das hier eventuell nicht das bad wäre. ist wie eine einladung: dusch mich!

überhaupt ist hier alles so perfekt, dass alles fühl.dich.wohl.einladung ist. deshalb fühlt man sich nicht wohl. bisschen trashiger wäre nett. aber alles ist geleckt. und so mag man daran nicht lecken. sondern bewegt sich in der sauberkeit ängstlich vorsichtig wie jener gast, von dem berichtet wird, dass der neulich, hunde.scheiße unterm schuh, dieselbe „im ganzen wohn.zimmer auf dem teppich verteilt“ habe. „das war vielleicht eine schweinerei!“. im zu hotel.standard renovierten klo pissend, prüfe ich meine schuh.sohlen. und an der hose entdecke ich einen sperma.fleck, den ich schnell mit fließend klarem wasser und auch hier bereit liegendem tempo (dafür also ...) weg.reibe.

im „stillen winkel“, so heißt diese straße, in der das haus steht, von dem berichtet wird, ich werde es ja mal erben, insofern, ob das neue klo auch mir gefalle?, herrscht gerade flaggen.wahn. vor jedem haus flattert ein lappen. und wo bei den nachbarn gegenüber, man muss es zugeben: einigermaßen fantasielos, schleswig.holstein weht, ist hier pommern geflaggt. „nur zu fest.tagen“, so meint der vater, der aus pommern stammt. krank. aber andererseits auch wieder dieser irgendwie dann doch sympathische bekenntnis.charakter, den ich, so wird vermeldet, wohl „irgendwie geerbt habe“. denn dass ich sage, ich würde ja lieber „die rote fahne“ hissen, wird nicht als affront gesehen, sondern als erb.masse sozusagen eingemeindet. anecken unmöglich. schließlich ist man „der sohn“.

immer wieder grausam lehrreich: dass diese klein.bürger.puppen.welt, in der es keine geschmacks.verirrungen gibt, weil eben alles zu allem passt, sich genauso KONSEQUENT LOGISCH ausstellt wie mein ostentatives DA.BIN.ICH.JETZT.DAGEGEN, das sich im hiesigen puppen.kamp.biwak in putz- und müll.runter.bringen.verweigerung irgendwie nicht weniger ärmlich manifestiert.

der vater, der nicht nur gespielt, sondern wirklich ehrliches interesse am hiesigen biwak.leben zeigt, fragt, wie das denn so sei, wenn man also nach.hause komme. ob man da so in eine leere wohnung komme, oder ob da eine „kleine freundin“ vielleicht mal auf einen warte. ich teile mit, dass es durchaus entspannend sei, wenn man nach termin nach.hause komme und gleich los.schreiben könne, ohne erst nochmal eben in der „kleinen freundin“ enkel erzeugen zu müssen. diese entgegnung findet man lustig. schallendes gelächter. und dass, das lese man ja auch täglich, „der sohn“ doch sehr schlagfertig sei. ja, so ist es. „aber im ernst“ will der vater wissen, ob man realistisch noch mit enkeln rechnen könne. wiederum schlagfertig berichte ich vom projekt „linke samen.bank“ und dass nur auf diesem wege mit fortsetzung pommerns, freilich mit anderen mitteln, zu rechnen wäre. großes hallo. man hat den laden in der hand. alle sind fröhlich.

überhaupt ist es gar nicht so schlimm wie gedacht in diesem grenzenlos schlimmen. mit den bieren, die von der schwester oder dem onkel immer wieder hingestellt werden, wenn das gerade getrunkene sich neigt, ist das alles erträglich. nur ziggies würde man gerne rauchen. darf man aber nicht. da, als hätte er den schmachter erkannt, bietet der vater mir eine zigarre an. ob ich jetzt die mal? ja, gern. und die mutter fragt, ob ich noch kasseler im blätter.teig will. will ich nicht. aber weil die mutter so glücklich aussieht, als ich sowohl das kasseler als auch die dazu von ihr verfertigten soßen lobe (das übrigens ohne camouflage, sondern richtig ehrlich auf einmal), helfe ich mir auch das noch zwischen bier und zigarre ein.

mir fällt ein, der olle majakowski.spruch: „ich bin eine sowjet.maschine, erbaut um glück zu produzieren.“ und weil das so gut klappt, maschinisiere ich entsprechend. und produziere also glück bei den eltern, die mir auf einmal so leid tun, dass ich sie auch nicht mutwillig enttäuschen will, weil sie sich eben gerade so an mir freuen. am ende des abends sind alle glücklich. ich bin immerhin besoffen. auch gut.

die schwester bricht ein gespräch vom zaun, dass alkoholismus erblich sei. das habe sie in einer tv.sendung gesehen. hier, das sehe man ja (der abend ist fort.geschritten, alle haben „einen im tee“), seien „alle alkoholiker“, nur ich nicht, ich sei „immer so sauber und fleißig“. ich hätte da wohl nichts von geerbt. ich sage, dass dem ganz und gar nicht so sei. aber man glaubt mir nicht. alle lachen. nebenbei beobachte ich den onkel, der, so sagt er, „unter den kommunisten.schweinen schlimm gelitten“ habe. er kommt, wie er immer noch gerne mitteilt, „aus der zone“. und da seien eben die „kommunisten.schweine“ gewesen. der vater sagt, dass man das so nicht sehen könne. das seien nicht „alles schweine“, nur ein paar. ich sage auch, dass das nicht „alles schweine“ gewesen seien. da habe es doch auch paar gegeben, die „davon überzeugt“ waren. der onkel, der trockener alkoholiker ist und sich nunmehr mit großem eifer damit vergnügt, anderen dauernd nach zu schenken (offenbar eine art ersatz.handlung), meint: ja, stimmt, die seien auch okay gewesen. aber die seien ja auch nicht diejenigen gewesen, die. in einem plötzlichen voll.blöden anflug von „die leute da abholen, wo sie stehen“ und weil sich das so ergibt, sage ich dem onkel, dass ich jetzt mal seine geschichte wissen will. wie das denn gewesen sei mit seinen flucht.gedanken? und der onkel redet auf einmal tacheles. ja, er wollte immer weg, aber er sei immer auch „zu lasch“ gewesen, das auch mal zu machen. außerdem habe ihm sein vater, also mein opa, immer gesagt: „junge, da drüben gehst du unter.“ das habe ihn dann doch irgendwie abgehalten. ich habe plötzlich großes verständnis, finde das voll okay. weil ich nämlich auf einmal das psycho.drama ahne, das hier nur kurz angedeutet wird. und ich weiß, dass der onkel genau dann alkoholiker wurde, als das feind.bild weg war, zusammen.gebrochen war mit meinen genossen. und, das sage ich dann auch noch: „und dann bist du ja auch tatsächlich fast untergegangen, als das ersehnte land plötzlich zu dir gekommen war.“ der onkel guckt kurz perplex. dann sagt er in seiner jetzt voll liebenswerten art, die so ganz unmittelbar ist: „mensch, ja, da hast du eigentlich recht. das hast du einwandfrei gesagt.“ große verbrüderung. und dass ich kommunist sei, das habe er ja mal so gehört, das gehe schon in ordnung, das verstehe er, und das finde er „eigentlich auch richtig gut“. weil: „wenn du an der macht wärst, da wärst du ja auch nichts so’n schwein, weil du ja ’n guter mensch bist.“

über dieses irgendwie wichtige gespräch geht dann aber die walze von den dominanten family.frauen drüber, die was neues auftischen, noch wein kredenzen und noch nachspeise, die ja „ganz vergessen“ worden sei. jetzt löffeln alle in was eis.pudding.mäßigem und finden das sehr gelungen. die rezepte werden ausgetauscht.

plötzlich kommt bei mir langeweile auf, plötzlich wieder nüchtern, nervt das alles total. weil das nämlich alles doch so ganz uncool verkrampft ist. man sieht da general.konflikte aufflammen in der - bloß gut! - verlassenen familie. fragt man da nach, wird gedeckelt. die mutter deutet, als ich geschirr in die küche trage, dort an, dass das mit dem vater auch immer schwieriger werde, der werde immer zynischer. ich frage nach, will das wissen, wie genau jetzt. aber gleich kommt: „ist aber eigentlich gar nicht so schlimm.“ kein durchdringen. bin jetzt so bisschen soz.päd.mäßig drauf, als könnte ich hier was richten. sage so, man müsse doch drüber reden. ja, stimmt, vielleicht mal später, heute eher nicht. okay, dann eben nicht. sehe dabei zu, wie die heile welt aus kasseler.im.blätterteig, heute.erlaubt.alk und eis.pudding (neues, sehr geiles rezept) hier permanent konstruiert wird. und denke: da stecken die energie rein, die chose am laufen zu halten. wer bin ich, denen zu sagen, dass sie da müll machen? passt natürlich auch gut, weil ich damit nichts zu tun haben will. sollte ich nicht besser da eingreifen?

nachts, die eltern meinten, sie gingen dann mal ins bett, sie würden eben „nicht mehr so lange durchhalten“, erzählt mir die schwester von ihren mega.problemen. wie das mit ihrem mann sei. auch sehr schwierig. wir trinken jetzt grappa, weil das bier alle ist und der wein auch und weil grappa „noch da“ ist. und ihre tochter - memoriere: aha, meine nichte, die nur wegen inzest.schranken von mir nicht sehr girlie.mäßig hübsch gefunden wird -, die sei mager.süchtig. voll das problem. ich sage, dass die eigentlich auf mich gar nicht so wirkte. stimmt aber nicht, sagt die schwester. sei voll das problem. achso. naja. und dann palavert sie los, wie das alles so ist. und ich denke: holla, die haben da echt probleme. weiß aber auch nicht, wie ich da helfen kann. musst du ja auch nicht, sagt die schwester. die wolle das nur mal so erzählen. und mir könne man eben alles erzählen. ich hätte da so den draht dazu. hab’ ich nicht. aber sie glaubt, dass doch. doch, hast du! na gut.

nächtens dann irgendwann in das hotel.bett. noch in das notiz.buch das alles aufschreiben. wie das war. und, dass mich das so seltsam wenig angehe, auch irgendwie unverantwortlich. schreibe ich da so hin. und wie schwierig alles hier ist. und dass mir das auch irgendwie leid tut. im nacht.tisch.regal, wo die mutter bücher lagert, von denen ich nicht weiß, ob sie sie liest, finde ich das buch von einem henning boetius. das heißt DIE SCHÖNHEIT DER VERWILDERUNG. unter dem titel steht: „roman. das kurze leben des johann christian günther“. im klappen.text ist zu lesen, dass johann christian günther der „schlesische villon“ war und sich tot gesoffen hat. barock.dichter, der „der erste deutsche bohemian“ war. ach so. ich blättere darin herum. der text ist schlecht geschrieben. aber ich stelle mir vor, wie meine mutter von der
SCHÖNHEIT DER VERWILDERUNG geteaset dieses buch gekauft hat. nicht ahnend, dass ihr „sauberer sohn“ („du bist immer so korrekt“) die betreibt. das ist alles sehr traurig. und wie ich, heimlich, noch die letzte zigarette rauche, am fenster, damit man’s nicht riecht, draußen sturm, kullern paar tränen aus meinen augen, über die vom alk geröteten wangen runter auf das fenster.brett.


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