HYPErLYNX 16.0: @atisha

(99-01-14, 23:40-00:10: abweichend vom manuskript gelesen wie folgt: HYPErLYNX 2.0: Am Anfang war der Leib / textasy 1 (wort-e) / Reaktion Feuerzauber (cut 3.0) / sputum nr. 2, 5, 10, 12 / digitidoo)

"Am Anfang war der Leib, und der Leib war bei mir und nackt." das ist eben der irrtum. oder: man muß es richtig les/deuten: am anfang leib - wie lang liegt der anfang zurück? die vergangenheitsform ist hier sehr vergangen. im ursprung noch nicht mal wird der leib bei mir gewesen sein, jetzt jedenfalls ist er ein einziger abstand, "das unbekannte land" (hamlet), abentfernt. der musenkuß (und auch sonstiger) ist mir allein ein luftikuß. "und mit deinem geiste" trifft's eher. insofern: "fürchte dich!". "du wollest dem feinde nicht geben die seele einer turteltaube." "der TEXT ist mein hirte." nur da wird mir nichts mangeln. und gegen den wirklichen mangel die stumpfheit. verkapselung der leibgefühle wie ein granatsplitter im fleisch, irreparabel.

@atisha: j&k programmieren party. die startet mit einem "gimmick" (k). das gimmick ist das textasy. das aber erweist sich als uncoole partydroge. mehr geist als körper ist es als brandbeschleuniger (grillanzünder) ungeeignet. denn parties sind was körperliches. und es gilt, den geist einzudämmen, jenen bedenkenträger luzifer, der ausgetrieben wird mit tanz, tee und psychogenen substanzen. endlich mir klar: psyche(delic) ist auch nicht geist, wie ich bis hier annahm, sondern tranceformierter leib. ich solle ins mikro mit mehr emphase sprechen meint alpha, aus dessen leib ein enormer baß spricht. später an der theke flirtet er mit irgendeinem technogirlie. im wagen habe er noch "richtiges brot und holländischen käse". wer so - im wirklichen leben - auf seine gesundheit achtet, hat wirklich was zu tun mit seinem leib. nicht wie ich nur ein bewohner einer provisorischen wohnung, so ungepflegt und zelle wie meine wirkliche, die in ein einziges riesiges büro zu verwandeln, ich nur mühsam zögere. also: motte mit nur geringer stimmemphase (am telefon fragt man, ob ich vielleicht grad geschlafen hätte) - auch so ein fall von leibentfernung. "der text ist mein hierte", feixt j. und es ist klar, daß es diesen satz nur als gimmick verstehen kann, als abstrusen einfall. das SAGT ihm nichts, weil man die tatsache, daß ein text ein hirte sein soll, nicht fühlen, nur denken kann. das geschäft des denkens ist hier fehl am platz. "jetzt bist du auf sendung." ich sende und komme mir vor wie ein missionar, der in einem urwald unsinnigerweise seine religio verbreitet. unsinnig deshalb, weil hier alle eine religio haben, lange schon. eine verschworene gemeinschaft mit dem hirtentexter als seltsamem fremdkörper. so fremd, daß sich nicht einmal ANTIKÖRPER um ihn scharen. man hört schlicht nicht zu. ok, der text ist darauf angelegt, daß man ihn nicht verstehen muß, nicht mal soll. aber ohne empfänger sendet der sender doch vergeblich. hinter mir treffen auf dem dj-pult. das stört mich, aber ich kann den text jetzt nicht unterbrechen, um das zu sagen. eine weinflasche ploppt. irgendwer fragt in meinem rücken, wann denn die musik kommt. j antwortet: gleich, wenn die lesung durch ist. das ist nach 10 minuten. "mach mal den letzten text jetzt. man versteht dich irgendwie schlecht", sagt j. während der sputum-sonette hatte es aufhören!jubel gegeben. die hälfte fällt weg. daß man mich nicht versteht, liegt an meiner laschen stimme. der text verflüchtigt sich auf der zunge, entfaltet nicht die kraft, die er beim schreiben und stillesen hatte, fadet out, bleich wie'n gerippe aufeinmal. gut, kein ort für kunst, die bei aller sinnverweigerung doch immer sinn stiften will aus sich, der hier woanders liegt, hier @atisha. dennoch bin ich nach 30 min. text sehr erschöpft, der kiefer wie ausgeleiert. bier&tabak als trost. warten. aber niemand kommt, um irgendwas zu sagen. j meint nur, er brauche jetzt hier platz. er mixt, und seine finger gleiten fahrig aber professionell über die cue-tasten und die mischpultregler. der beat setzt ein. der beat ist ein leib. ich stehe da als geist, wie unsichtbar. nur als leib ist man sichtbar. ich bin verschwunden. und mein restleib flieht - unbemerkt.

draußen nieselregen, durchdringend. ich verlaufe mich, kann den stadtplan nicht lesen auf der suche nach der u-bahn-station. endlich gefunden, nachtbetriebspause. ein taxi angehalten, ungelenk winkend. der taxifahrer muß husten, als ich ihm schwitzend und naß vom regen den wagen volldampfe. ob ich irgendwelche SPOREN mit hereingebracht habe, will er wissen. vielleicht rieche ich nach den räucherkerzen@atisha. im zug, dem letzten, ganz allein. saugen an der zigarette. im fenster spiegelt sich der fremde leib, den ich ungläubig ansehe. @atisha war dieses technogirlie gewesen. da hatte ich folgende beobachtung gemacht: als beim soundcheck einige beats durch die luft flogen, geriet sie gleichsam automatischunbewußt in ganz leichte, nur angedeutete tanzbewegungen. ein leib, der reagierte. mir war klar, melancholisch, wie groß meine entfernung dahin war. ich sah's und bewunderte es wie ein astronom galaxien durch riesenhafte teleskope.

was lehrt uns das: (a) meine offenheit für das unbekannte land ist den bewohnern dieses landes egal. (b) ich verschwinde, bin nicht vorhanden. (c) ist das ideal für beobachtung. aber die konforme abbildung der terra incognita ist unvollkommen. diese landscapes sind nur als leib wirklich erfahrbar. konforme abbildungen durch geister bleiben gespenster, vor denen sich niemand fürchtet. der appell "fürchte dich nicht, ich bin bei dir" (psalm soundso) ist hier sinnlos. (d) hab' ich mich selten so verlassen gedacht.

ferne galaxien durch das enorm vergrößernde und lichtstarke textoskop. aber wenn man zu nah ran geht, verschwindet das phänomen. der geist will immer ganz nah ran, weil er so kurzsichtig ist. der leib aber, so sprach ich und sagte euch, ist unendlich nah dran, weil er es selbst IST. erkennungsversuch gegen existenz - anfallslos, von weit schweigend.

dr. tignola

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