HYPErLYNX 18.0: stillarbeit

"supergünstig ... und ab dafür!" unsgehtsgutgewitter ganzseitiger anzeigen. wir alle pentidioten brauchen jetzt auch dieses teil für nur noch schwindlig billige 1.199. denn es droht, uns GLÜCKLICH zu machen. im tv tagen dagegen die warner - nachts um 2, wiederholung. der computer beschleunige zwar die arbeitsschritte immer weitgehender, aber gleichzeitig zerhacke er die zeit in einen eigentümlichen rhythmus aus ENORM schneller verrichtung und sanduhrkurze wartezeiten auf diese verrichtung. beispiel: pixel umfärben. 30 megabyte werden in 10 sekunden durchgeHEIZT (ein reprofotograf hat damals 2 stunden gebraucht). doch beim aufruf des entsprechenden PLUGINs dreht sich eine sanduhr 20 sekunden auf dem schirm. offenbar braucht der rechner für die vorbereitung der arbeit länger als für ihre ausführung. das ergebnis sind kleine zeitfragmente, die man auf die scheibe schauend abwartet, zu kurz, um sie irgendwie nutzen zu können. auf den arbeitstag an diesen maschinen gerechnet vergehen vielleicht 2 stunden mit diesen kleinen wartevorgängen. am stück könnte man da ca. 60 buchseiten lesen oder 2 sonette schreiben.

...

aside0.1sonett.15minuten.provisorisch

 

still dreht sich die arbeit um die arbeit,

vergeht im doch sehr flüchtigen vergehen

der träge fluß der zeit, die ist ein wehen

und spreizt die parallelogramme weit.

 

wir warten, warten wir? doch sag', worauf?

auf düst're stauden aus dem laub der wehen,

die geburt verheißen jenem lauf

der uhr bis an den tod zum widerstehen?

 

still dreht sich das rad der arbeitszeit.

es häuft den art'gen arbeitsberg zuhauf,

entzieht sein maß der meßgenauigkeit.

 

und trunken tauchen wir in jenen bauch

nur rhythmisch noch ein textchen ein, das auf

der platte liegt so fest und ohne hauch.

...

doch zerlegt in halbminutenintervalle sind sie nutzlos. ergebnis 2: meine arbeitszeit verlängert sich etwa um diese 2 stunden von 10 auf 12. es sind diese zwei stunden, die mich so müde machen.

ich schaue auf die scheibe, mein leben verstreicht, die aufträge werden erledigt. jetzt ist nacht, die aufträge sind erledigt, bis auf die, die morgen erledigt werden. n = n+1. wie vor dem schirm ist jetzt stillarbeit. vielleicht warte ich auf einen anruf. wenn jetzt das modem liefe, könnte ich den anruf nicht entgegennehmen. also stillarbeit ohne das leise pfeifen der bits, die sie im modem anrichten.

stillarbeit.

schreiben.

früher waren die tage länger. morgens war schule. bis zum mittag. die hausaufgaben waren um 2 fertig. dahinter erstreckte sich EINE RIESIGE MENGE TAG. die beschleunigung durch die maschinen hat alles kürzer gemacht. ich bin fortwährend gehetzt, während ich auf sanduhren starre. die sanduhr dreht sich. zeit vergeht. abends ist der tag seltsam kurz geworden, obwohl ich ihn bis weit in die nacht strecke.

morgens komme ich wieder ins büro. die tätigkeiten sind eingeübt. noch mit einem arm im mantel schalte ich den apparat ein. er müht sich, bis er befehle von mir entgegennehmen kann. er muß sich KONFIGURIEREN. ich nehme an, daß die 5 sekunden, die ich zum abstreifen des 2. arms benötige (konfiguration zur arbeit), irgendwie sinnvoller genutzt werden, wenn sich der apparat GLEICHZEITIG mit mir arbeitsbereit macht. eine art solidarität des bereitwerdens zwischen maschine und maschine.

aside: "ich bin eine maschine", sagte majakowski, "erbaut, um glück zu produzieren". er sagte, glaube ich, sogar: "eine SOWJETmaschine". dieser satz war mir immer - irgendwie - sympathisch. ich konnte und kann ihn auf mich anwenden. der kleine bug, der sich über die jahre eingeschlichen hat, ist der, daß ich nicht MEIN GLÜCK produziere. aber immerhin produziere ich glück. da ich dieses glück als WARE produziere, ist dessen intensität sogar MESSBAR. das ist schon toll. auch wenn während der berechnung dieses meßwerts eine sanduhr flimmert.

aside 2: ehrlich gesagt - auf meinem schirm ist keine sanduhr, sondern ein balken, der immer länger wird. wenn er ganz lang ist, dann ist 100%. das bedeutet "fertig". manchmal auch nicht, dann bleibt der GANZ LANGE balken auch noch 10 sekunden GANZ LANG, bis er verschwindet.

aber noch BOOTET der apparat. "booten" heißt soviel wie "sich am eigenen schopf aus dem sumpf ziehen". dieses GOODY war mir auch immer sehr sympathisch, zumal das der apparat beherrscht, der apparat ich hingegen nicht. aber das nur nebenbei.

der apparat hat beim booten einen fehler entdeckt (er ist SCHLAU). ein fenster empfiehlt ERNEUTES BOOTEN. während der apparat ICH dem apparat APPARAT sagt, daß er dieser empfehlung folgen soll, boote ich, inzwischen vom mantel befreit, die kaffeemaschine. kaffeemaschinen haben die durchaus nette eigenschaft, daß sie SEHR LANGSAME apparate sind. diese eigenschaft ist nett, weil sie selten ist. wenn der kaffee fertig sein wird, werde ich schon den ersten auftrag zu bearbeiten begonnen haben.

aside 3: wer benutzt in diesen ENORM schnellen zeiten eigentlich noch das futur 2? es ist überflüssig geworden. plusquamperfekt ist genauso überflüssig, denn an eine vergangenheit vor der vergangenheit der letzten sanduhr kann sich ohnehin niemand mehr ERINNERN. grund: das plusquamperfekt liegt viel zu nahe an der GEGENWART. erinnern kann man sich aber nur an etwas, was WIRKLICH VERGANGEN ist. aber "ab dafür!"

stillarbeit.kleinschreiben

aside 4: auf dem modernen schirm des SYSTEMS 8.1 blinkt kein cursor mehr. DIRECTORIES sind jetzt dreidimensionale ORDNER, deren gestaltung sich - eigentümlich rückwärts gewandt - an alte HÄNGEREGISTRATUREN anlehnt. als ich begonnen habe, diese apparate zu verstehen, etwa vor 10 jahren, waren directories zeichenketten, die irgendwohin verwiesen, also BEFEHLE. nunmehr sind sie was wirkliches. der cursor ist ein sog. mauszeiger. aber der blinkt nicht. das alte c:\unterstrichblinkblink hatte noch etwas von erwartung des apparats. jetzt aber - in gestalt jenes zeigers - verlangt er von mir BEWEGUNGEN und betätigung von KLICKschaltern. ich soll ZEIGEN, was ich vom apparat will, nicht mehr SAGEN, was ich will, indem ich TEXT eintippe. das empfinde ich als rückschritt. aber das liegt wohl nur daran, daß der kaffee NOCH NICHT FERTIG ist.

tatsache ist, daß ich mit diesen modernen apparaten nicht klarkomme, sobald ich ihre funktionen beHERRSCHE. ich bin nämlich nicht herr. ich ist ein spielKIND, das bei diesen SUPERSCHNELLEN apparaten (rakete!) immer noch die erinnerung H0märklin oder carrerabahn oder legoland hat.

abends ist das spiel vorbei. abends ist stillarbeit. abends ist verzweiflung.

die nacht FÄLLT herein, sie fällt durchs fenster, während ich still arbeite. die nacht fällt auf mich. sie ist still. und sie schweigt - von weit.

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