HYPErLYNX 27.0: außerhalb der zeit, stehen - bewegen

1999-09-02 - 1999-09-05: im kulturviertel feiert die gesellschaft für akustische lebenshilfe ihre letzte konzert-reihe. anfang vom ende, ende des anfangs. ich sitze da in stinkenden schuhen und von schweiß müffelndem hemd (im fahrstuhl, allein, riechen an den achseln) und höre. ein gefühl der selbstvergessenheit stellt sich ein, besonders bei wolfgang von schweinitz' "zwei stimmen posaunen" und maria de alvears "cortando". ich deute das gefühl zunächst als müdigkeit. muster, alles verstörende (zunächst) als beeinträchtigung zu erleben. dann plötzlich, erleuchtungsartig, das wissen, dass ich einfach nur höre. es bleibt von mir nichts übrig als zwei ohren (infolge eines augenfehlers kann ich nicht räumlich sehen, aber raum hören ist möglich, da beide ohren vollständig intakt sind. deshalb fallen mir die augen zu). totale reinigung durch völlige reduktion auf nur noch einen sinn. für die kn verfasse ich darüber vier artikel. sie verhallen. ungehört bleibt das unerhörte. nur ich (und zwei dutzend zuhörer, die aber darüber nicht schreiben) habe gehört, und darüber muss ich schweigen. schweigen in einer 100-zeiligen flut von worten als ziel. schreiben, worüber nicht zu schreiben ist. die abbildungs-musik meiner worte versucht, das grausige schweigen der musik abzubilden im gutenbergschen koordinatensystem aus lettern. da will ich hin, zum schweigen [der posaunist, der das vorbildlich schafft, heißt dahinden (roland)]. ich vermute, dass die akustische lebenshilfe eben dies wollte. es ist ein vermutung, meine vermutung. außerhalb der zeit ist es schwer, eine stoppuhr zu bedienen. am anfang war der leib. vor dessen fleischlichem urknall war das wort, davor der ton, davor die schwingung, die weder anfang noch ende hat, sondern in sich anfang und ende vereint. das leben ist keine baustelle, sondern eine konjunktion von anfang und ende. das hatte ich verstanden. verstehen selbst ist, wie das wort schon sagt, ein vorgang der ruhe, des stehens. ich weigere mich weiter standhaft, mich zu bewegen.


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