archiv.02.2003
 

03.02.02.01:06:40
ögyr
straße, vom balkon, nachts

auto saust an der einbiegung vorbei, bremst, setzt zurück, biegt ein. 20 meter reichen für eine beschleunigung. bremst, knirschend auf schnee. setzt nochmal zurück. scheinwerfer. warten. was wird das jetzt? aha! aus dem haus eilt ’ne voll süße blondine, rundet die megahüften durch die paarlichtkegel. macht tür auf und sagt was. das klingt so: „mä, nee sana, cross!“ sie rein, tür schlagen. schlägt gut ein. auto dreht auf, heult durchs dunkel. lichtgestalt. kuss am handy. weg. alles liebe gewünscht. und mit „love j.“ gezeichnet. nachricht senden? okay!

auto aus der anderen richtung. kurvt an die einfahrt. aussteigen. hey, die sitze im coupé sind kunstledern rot! sieht ja geil aus. glänzt lampenschirme. innenbeleuchtung. der aussteiger schließt das gittertor auf, schwenkt’s mit ungeduld. tausend dinge sind zu tun, bevor man zuhause ist. einfahren in den schlund. kommt er zurück? hinterm haus hört man parkgeräusch. dann, er kommt, schlüssel ins schloss. vergitterung. gute nacht.

gu.te nacht, ihr lieben, ihr ungeschriebenen. aber beschrieben. licht geht an in stock zwei. mantel hingeworfen, lightshow on. hey! bier locker aus dem ärmel geschüttelt. orion hängt sein schwert darüber. eine sache wie planetarer nebel. gelernt, paar dezennien zuvor. himmlische explosion, deren nachhall das fernrohr zeigt. überm kirchturm geht ein flugzeug in den schatten, durchkreuzt das kreuz, diagonale. taucht wieder auf am glockenseil. blinkt hallo.

hallo, hört sie?

taxi ruft „frei!“, brettert über den vereisten pflasterstrand, dass die bodenwanne aufsetzt am verlangsamungstempodreißighügel. das hat gezockt, gekracht. ist nicht meine karre, aber ich zieh’ sie aus dem dreck.

balkonien is calling. drei schritt weit in die finsternis, zum greifen nah. den sonnenschirm auf den dachboden. hey, er ist weißrot. schwarz dazu. färbend, wüsche man ihn.

letzter call by call. bist du da? ne’, nicht mehr. schläfst schon oder was? die biene gegenüber zieht ihr höschen aus. voll nackt für zwei sekunden. geht ins bett. wohin sonst? ist nacht. ist automat. ist balkon. ist julia, aus polen. der alfaromeo bist du.


03.02.22.01:26:32
ögyr
der cum.shot geht so:

„underneath your clothes there’s an endless story“ (shakira)

der cum.shot geht so: dass er weint, mit so keller.kuller.tränen, mit so einem verschossenen elan, dass es nur noch peinlich ist.

es war nie ausgemacht, dass er glück empfinde. man könnte meinen, er, der erzählte, sei in einem requiem gefangen, das nach nichts zehrt als verhehrung.

es war auch nie ausgemacht, dass der erzähler ihm solches erzählte. nur dass er wäre, wo das zu erzählende genau nicht ist, treuer para.glider im agnus.dei der versenkung überm tal.

er sagt was von dem fünfziger.frühlings.weh von heimat.filmen und von den leer geschossenen herz.hülsen.

man muss es nicht in drei zeilen zum höhepunkt kommen lassen. man kann – zarter – auch davon reden, was die zärtlichkeit erbricht.

das nirgends ist ein ort, wo sie, ja sie, nicht ist. es ist der raum der tanz.und.fahr.schule, der ex.diele im flur der 3.raum.wohnung. wo der teppich ist. wo das cembalo wohltemperiert gerade jene fuge fügt, die ... äh, die ...

man sieht leiber, die auf den tod hin gehen. man sieht sie in einer pracht. man ist kulinarisch wie weinerlich. „du sollst hyäne bleiben“ – rimbaud.

als könne man zum tod nurmehr ein erotisches verhältnis haben, eine affäre, die niemand weiß, weil so geheim. und zur erotik nurmehr ein tödliches verhältnis. weil davon niemand weiß, wie man es macht, ein tabletten.möglichkeits.imperium, gezüchtet aus der risiken.und.nebenwirkungs.apotheke. eine schere, die durch das glied geht, hinein in die löcher.

niemand, kein noch so gnädiger erzähler, hätte mutmaßen können, dass er einstmals – und „einstmals“ klingt wie gestern – glücklich sein würde, mehr als einen trauernden selbst.betränungs.trainings.moment. denn was sein, des erzählten, unglück ausmacht, ist, dass es so ermessbar ist. dessen gewöhnlichkeit.

wenn er, das liebes.lemma, an ihrer seite geht, ist sie abwesend. es fragt sie niemand nach ihm. sie antwortet auch nicht. er sieht nur ihre augen. irgendwo ein irgendwo. sie sieht so aus, als wäre ..., als wäre in ihr ein rest von etwas, das die zukunft in form hält, mühsam, ein wenig mühsam.

das sagt nicht, aber fühlt das nein. das najaden.nein, das nemetische nicht. er wichst darauf, das fühlt sich gut an. er sendet aus, was der erzähler nicht im pinsel und nicht auf der palette hat. weißer farbstoff, flüssig.

protokoll der entwürdigung: dass man sie schert cum sancti. mit den heiligen, die einen schritt voraus eilen. als könne man zum tod ... das jäh eigene blut, das sie vergießt und in dem moment vergisst, weil sie keine empfängnis hatte. sie gießt das in maximum.tampon.babylonien. die ganz dicken. sie riechen nach lust. sie wurden gefunden im abfall. sie sehen aus wie rot. wie rot sind seine wangen. liebende.

die liebenden gehen einander aus dem weg. es spritzt auf ihr gesicht. die lippen sind wörter. ein schlachthaus. das ober.geschoss verortet im oberen geschoss.

ich hätte dir dringend was mitzuteilen, eine art liebesbotschaft zum beispiel. aber auch nicht. ich schweige. und wenn das der erzähler erzählt, klingt es wie irgend nach nichts.

was wir wären, das träumt im schacht, im downwardsload. wo die kohle ist, will sie wissen. bei mir nicht, rezitiert der erzähler: not for me, not for me.

gestern. das liebe gesicht. die schmerzen darin gezeichnet. sie teilt sie nicht mit ihm. sie klagt, indem sie ihn anklagt. als sei er der urheber dieser schmerzen. sie will darüber keine gedichte hören, keine bekenntnisse, die lippen.flüchtig bleiben, nicht über das schmerzen. das trägt sie mit sich selbst aus. er sieht ihren zähen kampf wie er ihre zehen sieht. dass das nur ein wort sei, sagt er, ein sprich.wort.

man sieht ihn über den schirm gebeugt. darauf sind die bilder breitbeinig, offen, gespreizt. man kann überall hin und rein sehen. das höschen riecht nach tod. verwesendes sekret. wie söckchen, die man drei tage getragen hat durch das leben. die maschine riecht im dauerlauf nach elektronik. steril. und der rauch im zimmer, den er mit rauch.weg besprüht, schweren aliphaten, benzin, reinigung, lacrimosa.

der cum.sancti.shot, der schon über die schaukel ging, die effi briests fötzchen nässte, kommt schon im ansatz des satzes nicht zum ende, droht als unendliche geschichte zu enden. in einer spirale ins nichts. i’m not in the condition to fuck. er hat eiersalat gegessen, der ihm jetzt aus dem schlund hängt wie eine fahne aus schwefeldioxid. mundgeruch.

das gedicht hat mundgeruch. es ist ein furz. es ist ein abbauprodukt von bakterien. es ist kariös. es ist, kurzum, verfall. es ist peinlich.

er hat mit dem tod geschlafen. morgens liegt er mit speichelfaden auf der wange zwischen den kissen. ein blutsturz, unaufgehalten von der tamponage. ramponiertes hinlegen. da muss man sich doch einfach hinlegen. eine pfütze dort, wo man stirbt. eine restlicht.verstärkung.

er geht über den jordan, teilt die wasser, die ihm im mund zusammenlaufen, wenn er sie sieht, mit großer geste. er ist ein artist an deich.füßen, ein flutberater, ein pegelagent.

der erzählte, der erzähler: beide mit see.anemonen auf der stirn. phytophagen. die see geht und ebbe kommt wie johnny walker. der cum.shot geht so: dass er weint. wie nach kopfschuss.


03.02.24.23:23:01
ögyr

(melodram.1)

a: für solchen blödsinn könnte ich dir in die eier treten

a: denk nach, bevor du irgendeinen blödsinn redest

a: du arschloch

(pause)

a: schreib doch mal was lustiges

(es wurde angemerkt, dass die ballettdarbietung nicht lustig sei. es wurde angemerkt, dass es für ein requiem schwerlich möglich sei, lustig zu sein. es wurde nicht angemerkt)

e: okay

e: oh zahnweh. ozeanweh. porzellan.www. oh weh. es tut immer was weh. irgendwas immer irgendwie www

a: blödsinn

e: „du bist das a, ich bin das e“

a: -

e: mein herz

(nimmt tabletten ein, handvoll, großer schub)

a: lass es, es hat keinen zweck

e: eben drum

e: zwecklos ist lustig

a: banane

a: frag nicht, handle

e: -

(trinkt alkohol, großer schluck)

a: blödsinn

(tritt ihm in die eier)


03.02.25.01:24:34
ögyr

das drehbuch geht so:

establishing.shot: der erzähler sieht ihn auf der straße vor dem haus, zoomt ran, sieht, wie er sich zuknöpft. einblendung text, ganz doof: fesselnde bilder.

schnitt: der erzähler sieht sie aus dem rücken, auf der flucht vor ihm erschossen. soundtrack: blam.blam.don’t.blame.me. eine schnulze. splatter.

wieder der mann. er knöpft sich wieder auf, griff in die tasche, zigarette.

jemand ruft aus dem fenster, schnitt, der erzähler sieht das gesicht, stumm. einblendung text: das fünfte gebot – du sollst nicht rauchen. soundtrack: musik von rauchende colts oder ersatzweise marlboro.

wieder der mann. western.stimmung. jemand macht das licht aus. letzte nacht.

büro: der erzähler geht mit der kamera.lupe an den bildschirm ran. der mann sagt: pixel. dann sagt er: pixel.brot. der erzähler sieht dem erzählten, dem mann, bei der henkersmahlzeit zu, beide im bild. schnelle schnitte, elektrische stühle: jemand bastelt mit zwei dutzend autobatterien und einem knäuel von kabeln am stuhl, auf dem der mann sitzt, tief in den bildschirm gebeugt. das basteln sieht ungeschickt aus. keine spannung. voltmeter mit zeiger auf 80 kilo.

ein anderer mann schießt auf den bildschirm. man sieht den bildschirm durch das fadenkreuz seines schießgewehrs, total vergrößert.

schnitt zum intermezzo der cum.shot.szene vom weekend.

trauermusik gemixt mit bolivianischem karneval. eventuell zitat aus „die körperfresser kommen“. der erzähler sagt im off, dass das gut jetzt passt wegen et.incarnatus.est.wall, fleischbeschau und so. er sieht einen fuß, der sich aus dem klo streckt und „leck mich“ sagt, mit der stimme des teufels, der aus dem mädchen in „der exorzist 1.0“ spricht.

schnitt. ein angsthase hoppelt hinter einem fenster und wird von dem sniper von vorhin splattermäßig erlegt. das fenster splittert voll dramatisch. der hase liegt dann dumm tot rum. aus dem off sie: blödsinn.

der erzähler sagt direkt in die kamera, dass das drehbuch von buñuel inspiriert sei und dass das total blöd sei, es sei ihm aber nichts besseres entfallen. er sei dement.

ein alkoholkranker schleppt den mann mit den knöpfen, an denen der dreht, weil er radio moskau empfangen wolle, aber immer nur britney spears mit lucky höre, in eine kneipe ab. in der kneipe tanzen gogo.girls auf dem tisch und werfen biere um wie kegel. strike! zoom auf die riesigen titten, die hüpfen. pinball.wizard.of.oz. die melodie dazu. riesig eingeblendet ein wippender fuß von audrey hepburn, die ein frühstück bei macdonalds einnimmt. großaufnahme egg.burger und muttermund, der dahin beißt, fletschend. wieder der eckensteher, aber nur kurz. erzähler nimmt das wort eckensteher in den mund, das auf einer oblate geschrieben steht, mit einer zierlichen frauenschrift. der erzähler sieht sie, wie sie das schreibt und küsst sie. der mann küsst sie nicht. er ist eifersüchtig.

noch jemand fährt auf einem einrad, das nicht dahin gehört, durchs bild, der erzähler dreht an einem überblendungsregler und ins bild kommt der einradfahrer, wie er sich auf das klo setzt und von dem fuß, der wie der fühler einer nacktschnecke kurz zurückschnellt, die eier massieren lässt. aus dem off hört man ihre stimme, die zornig sagt, sie werde ihm in die eier treten. sie tritt ihm in die eier.

sie geht weg. man sieht sie von hinten und der erzähler sagt „von hinten“. von hinten kleben leuten in einer großen menschenmenge, die für irgendwas demonstriert, den frieden oder niedrigere löhne für unsichtbare arbeitsplätze, die unsichtbare masse also und so, zettel auf den mänteln. es ist winter. die kamera fährt über die rücken und entziffert die zettel. schubert/müller: winterreise: „wunderlicher alter, soll ich mit dir geh’n?“

fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ... ich mich wieder an. marinja, sehr schön, puff. man sieht lustsklaven, die dünnen frauen mit knabenbrüsten vorletzte ölungen verpassen. marinja bläst dem mann vom anfang im mantel einen. wie es war am anfang, jetzt und nimmerda. er knöpft den mantel dazu auf. man sieht nicht alles. jemand macht das licht aus.

der sniper von vorhin zerlegt sein gewehr. das sieht fachmännisch aus. aus dem koffer, in den er das schießgewehr mit zärtlichen händen legt, kurz eingeblendet der einradfahrer, der auf den fuß im klo masturbiert, wehen banknoten, die nichts wert sind, aber wie silber und nicht wie papier glänzen. ein stoß mit gedichten weht vom tisch. abendrot senkt sich über die melanchthonstraße. ein jogger macht einsame dehnübungen. die frau schaut aus dem fenster nicht auf die straße, auf der der mann nicht steht.


03.02.27.01:18:39
ögyr
(melodram.2)

a: gut. kommen wir jetzt zum nächsten gedicht von ögyr oder jörg meyer, in dem es um etwas ganz anderes geht, nämlich darum

a: ähm

a: wie die alte generation

a: oder wie man sich im laufe seines alters verändert

a: und das ist als sonett geschrieben

a: und jetzt woll’n wa da einfach mal reinhör’n. ich werd’ ihnen das vortragen und das gedicht heißt „dann morgen wieder“ und wurde von jörg meyer unter dem pseudonym ögyr

a: ö

a: gyr

a: veröffentlicht

a: gut, fang’n wa einfach mal an

(gedicht)

(musik: teddy wilson: on.green.dolphin.street)

e: ja. auch wieder ein paar worte kurz zu dem gedicht eben von ögyr: also ich hatte ehrlich gesagt mit diesem problem oder hab’ es auch immer noch so meine probleme

e: mmh

e: a sagte was von veränderung im lauf seines lebens, mmh, dem kann ich noch nicht so ganz folgen

e: und ähm ja

e: ansonsten

e: vielleicht liegt es wirklich an der form, wie es geschrieben wurde, oder so

(pause)

e: ’s is’ eine geschmackssache

a: ja. ich glaube, man muss auch nicht unbedingt alles verstehen. manches muss man auch einfach mal hinnehmen und wirklich genießen können und ich finde, also für meinen geschmack: das gedicht hatte schon so seine meriten und seine spielereien mit der deutschen sprache

a: aber: jetzt nehm’ ich dir hier einfach das wort weg. e wird jetzt ihnen das nächste gedicht

a: wie sagt man so schön

a: kredenzen

(nächstes gedicht)


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