archiv.06.2003
 

03.06.10.01:11:45
ögyr
gewisses pfingst.pink

establishing shots: gewissermaßen wald back- und steuerbord. am ufer ein angler im kahn. chor der fische (den haken ballettstängelnd): „senke einmal noch die schleier / deiner milden gegenwart / auf meinen elendsweiher / den nachen trüber fahrt.“ chor der rohrdommeln im schelfeis.schilf: „dann trunkenheiten irr’n / als wenn des tags verdruss / mir einen äthern’ kuss / drückt auf die bleiche stirn.“ oben: wolkenalmmilchauftrieb, stürmisch.

was ist das da für eine gelbe fette blume? antwort: SCHWERTLILIE, iridacea. endlich in echt gesehen und gerochen.

das ruderboot geht im kreis. ich mache was verkehrt mit den riemen. sie beugt sich vor, verlagert ihren körper. man sieht ihr lächeln. wie sie mir es zeigt, lehrt – „so!“

der dampfschifffahrtsgesellschaftskapitän grüßt mit hand an der mützennaht. kaffee aus thermos trinkende an bord grüßen ebenso. gewisses maß von verbrüderung der gefährte und gefährtinnen auf dem fluss.

gegenschuss, schwarz/weiß (traum.sequenz, chor der geschlossenen lider und dateien): auf der insul balkonien, wenige seemeilen entfernt von www.zamonien.de, stehen jetzt drei ma(r)geriten. der wind vom weekend wirft sie um. aber das macht ihnen nichts. sie sind gewissermaßen resolut, almamaterkalfaterhaft. man stellt sie einfach wieder auf. sie wachsen senkrecht. mein käpt’n.blau.gebeertes fell filzt über die brust bis an die hosennaht. sie streicht darüber mit einem eleganten bogen, bis hinab zum pfeil im köcher.

währenddessen: vom ufer aus hangaufwärts zum bahndamm. die brücke über den fluss für die kohlenbahn zum kraftwerk wirkt brüchig. ganz zarter stahl. ich referiere über tragwerkslehre und behaupte, dass man so eine brücke „im prinzip auch aus papier“ bauen könnte. wir gehen auf und ab, beugen übers geländer, schauen hinunter, dann uns an, wieder hinunter. ein kleiner reiz gemeinsamen schwindels. ihre nackten füße berühren die schienen. sie balanciert in einer weise, dass mir der satz in den kopf kommt, dass man mit ihr gewissermaßen pferde stehlen könne. so sieht sie aus, wenn sie balanciert, zum stehlen schön. das gleis geht in zwei richtungen zum horizont, kurvt in den wald. ich sage, dass ich ein tom.sawyer.gefühl habe, und stelle fest, dass schritte sich tatsächlich im maß abstand.der.schwellen messen lassen. dann muss sie mal, will sich aber beim mal müssen nicht zusehen lassen. schade, sage ich. sie lächelt und handscheu(ch)t: „los jetzt, weg!“ unten am hang warte ich auf sie.

im schilf gibt es gewisse buchten, von denen ich annehme, dass darin liebespaare auf bootsplanken gestreckt sachte sachen machen, die nur die jeweils darüber rankenden halme anschauen dürfen. das wort „spritz.decke“ klingt in diesem zwar seemännisch korrekten, aber sonst eher obszönen zusammenhang wie wenn einer sagt, er könne das folgende nur unter der bettdecke sagen, mit der taschenlampe vor den flimmernden seiten eines eher verbotenen buchs.

das spiel besteht darin, dass ich mit gewissen anspielungen so genannt zweideutig werde und sie das mit einem derart wissenden lächeln unsprichwörtlich eindeutig nimmt, dass wir auf eine weise aneinander vorbei rudern oder reden, die gemeinsamer und wissender nicht sein könnte.

szene 1: in sandalen, sagt sie, fangen auch frauenfüße an zu stinken. ich schnuppere zum proof an ihrem fuß und behaupte das gegenteil. ich sage vielmehr, dass das wie blüten riecht. oder wie rosen, die – allerdings – schon bisschen weit gereift sind. sie meint, das sei bei mir gewissermaßen eine seltsame neigung.

szene 2: dass die enorm blühende blüte, die sie sich an die nase hält, ein bisschen so riecht wie ... nunja ...

showing pink: ihre hand geht am ring der anderen hand auf und ab, als wolle sie wie zufällig gar nichts andeuten.

totale, zoom: hinten im boot flitzbiegt sie den rücken über das heck, spreizt die paddel und schaut die sonne an, die zögerlich aus der wolkenautobahn auf die standspur abbiegt. ich schau die sonne auch an. wir schauen beide die sonne an, sie die oben, ich die unten im boot. dabei denke ich: hoheiho, ich schau die sonne on.

man muss eigentlich nur noch den schalter umlegen. oder die weiche, das gleis in die richtige richtung beschreiten, den fluss in stromrichtung schwimmen.

... gewisse vögel können handyklingeln imitieren ...

sie weiß vom wildwasser, ich weiß was vom weihwasser. sie möchte zwei kinder, sagt sie taufbeckend, das wär’ was. aber das wär’ jetzt natürlich nix. nixe beim rudern. brecht: die gespräche dabei, mit komma abgetrennt, nicht mit cumshot.

establishing shots, wie wir das boot unter den brückenpfeilern an land ziehen, gerahmt von erfolglosen anglern. warum angeln die hier? warum rudern wir hier? auf dem nachhauseweg überleg ich kurz, ob ich sie nicht einfach überraschend küssen soll, mitten auf den pink(elnd)en pfingstmond.


03.06.17.01:23:42
ögyr
flugschrift

sie hat mal gesagt,
dass nach der landung
nur noch abfertigung folge.
deshalb bleibe ich in der luft,

kreise warteschleifen,
das auge fest auf ihrem radar-
schirm, der beschirmenden
schatten sonnenlächelnd verweigert.

ich mache den flugschein
über ihrem platz,
sie sitzt im tower,
schönste der flugsicherungen.

die zeitung fliegt ihr
täglich in den briefkasten.
ich bin der geflügelte bote,
der sich ihr anbietet

mit liebschaft
auf papier,
mit gezeichnetem herzchen
unter der zeile.

eine zufällige freundin ihrer
ist erstaunt, wie ich
immelmannrolle,
das sei ja feuer und flamme ...

meine rohre
verstopft zu halten,
darin an ihr
zu krepieren,

ist mein dienst,
meine pflicht,
ist ihre flugangst -
und meine notlandungshoffnung.


03.06.19.01:05:18
ögyr
im western was neues

aufklärung als
prozess des schmerzes,
einsicht als schöne aussicht
auf diesen reizenden körper.

im abendwestern räkelt sich
gewitter breitgeschenkelt,
stößt als windiges
die saloontür auf.

amerikanische einstellung,
damit man das ZIEHEN,
den augenblick der pfeilschnellen reaktion,
sehen kann.

kant, sagt adorno,
während kaliningrad
von hinten
genommen wird,

habe der aufklärung
gewissermaßen die arschkarte
gezogen, mit schnellem
strich der feder,

sieben kapitel
auf einen streich
der urteilskraft,
ästhetisch eher behäbig.

und die hyper.text.MARXup.lingua habe
vor dem frühstück
heimlich auf ein dienstmädchen
gelinkt.

aufklärung als
prozess des mundes,
aussicht auf die einsicht
in unmündig reizende lippen.


03.06.19.01:07:25
ögyr
zierde meiner selbst

ich bin schwer erzierbar,
in meinen bauchfalten
schwitzt noch revo-
und pollution.

ich bin ein rätsel,
kreuzgewortet,
liebeswort
mit 5 buchstaben.

ich bin ein loch,
nicht schwarzes,
eher ein weiches,
unerfülltes,

ein versprechen,
ausgelöst im snapshot,
couponverschnitten
eingelöst,

ein versagen,
sich das nie
gesagte
dennoch sagend.

ich bin schwer erzierbar,
decollage als dekor
und auf dem toten gleise
derangiert.


03.06.24.02:11:00
ögyr
nichts weniger als dich

ungeschützt in der weite
sag’ ich:
„was ich will,
bist du.“

den bug des bootes
in den fluss
gesteuert,
würd’ ich sagen: du.

die libellen
bei ihrem flug
beobachtend
denk’ ich: an dich.

ich geb’ mich schlicht
als ferner nur
der geliebten (hin)
und schreibe dies’ gedicht.

ich will von hinten
und von vorne
nichts weniger
als dich.


03.06.24.02:12:35
ögyr
dornröschen schlaflos

dornröschen schläft nicht,
mit mir
ein schon gar nicht.
also, spricht sie.

an ihren dornen
fanden dna.erprober
mein herz,
mein blut und meine nägel

durch meine hand,
die ihr übers kreuz
streichelt für diesen
sonnengecremeten augenblick.

und wo sie sticht,
da sticht sie mich
und stachelt
mir ihr süchtiges gift ein,

rückt mich
zurecht zu recht
und gibt, ach,
meinem stachel sporen.

dornröschen schläft nicht,
nicht mal ein mit mir,
der nachtwacht darob
und nachtwächtert seinen prinzenpinsel.


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