prolog:

Der Text ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

am anfang war der leib, und der leib war bei mir und nackt. am anfang war der beat, und der herzschlag war mein. ich aber sagte und sprach: "fürchte dich nicht, ich bin bei dir."

wir sind diejenigen, die dadurch übrig bleiben, daß man von uns ahnt, daß wir auf keinen fall übrig bleiben werden. wenn man zu nah an den text herangeht, verschwindet er.

der schlaue kretin, den MERz aus sich machte, hieß bierbauch und war ein gutmütiger und verbindlicher geselle mit 'ner platzwunde auf der stirn, die - monstermäßig - nicht verheilte, gleichwohl auch nicht andauernd blutete, denn sie war mit schründen von schorf überzogen. das beißwerkzeug dieses freaks bestand aus bleiminen, und seine schleimhäute sonderten tinte ab. die texte waren feiste lilane knutschflecke auf dem weißen schwanenhals des papiers, einstichgerinsel in der armbeuge der tastatur oder zwischen den schenkeln des notizbuchs.

das wesen des textes, dachte ich da, ist sein psychogenes infraschallgewisper. als schlingpflanze oder pythagoreiische python wird es von den membranen abgesondert, um sich durch das heute 12zolltiefe luftmeer mit der eile eines windes auszubreiten, als flüssigkeit mit geringster viskosität. niemand hat bislang erprobt, was passiert, wenn das reziprok der cutup-frequenz unter der mittleren wortlänge liegt, wenn also das nächste wort schon zerschnitten wird, bevor das vorhergehende in den stirnlappen eingedrungen ist: vermutlich eine art überschallschockwellenknall.

vertraue dem text, sagte MERz, er ist dein hirte, auch und gerade im chaos. denn erst im chaos herrscht ordnung. wenn das chaos nicht aufgebraucht ist, dann ist die beste zeit. nimm nur ein wort, das irgendwo gedruckt steht. reiß' es heraus, und es wird beginnen zu sprechen. am kreuzworträtsel hangend sprach das wort: "siehe, noch bevor sich der text zum punktum neigt, wirst du mit mir an meiner seite bei meinem ursprung sitzen." und du wirst dann verstehen, wenn du nicht mehr verständig bist. dann erst spricht das wort, befreit von den 26 lechzenden jüngern des alfagebets.

so aber sagte und sprach MERz zum tapferen schneiderlein: copy and paste!

 

Ich denke, also sprech ich!

Ich muß brechen!

Ich kann nichts bei mir behalten

(by heart).

Ich bin bei mir,

still, unverdünnt, rein,

also:

Ich bin bei der Sache.

 

Die Nächte der Nacht

Als ich dann mal so probeweise raus wankte, da stund dort ein Werwolf mit ziemlich grausigem Zähnegefletsch. Huj, dachte ich, das ist aber ein ganz schön monströses Monster.

Schädelbrüche, zur Schau gestellte Bajonett-Übungen. Vom Rauschen ganz tot geschossen, in das Da in sich horcht MERz, was da lebt und atmet, den Rauch von dem letzten Wind einsaugend. Von einem selbst exekutiert, ist man gerade dann ein besonders beispielhafter Fall von Leben, das sich weder drin noch draußen totschießen läßt, sondern nur zeitweilig benebeln.

Plan it! Plusquamfutur! PsyloColors im Gebirge des Silbertons. Eselsgleichung mit der Unbekannten t und Delta-t im Leib, die Papiersequenz als Rap(p)ort. Die Verdichtung der Fleische zu einer riesenhaft familiären Boulette:

Wisset, wir sind ein Fleisch. Vom Geist beschienen hüllen wir die Knochen der Berückten. Dein Fleisch erbleicht nicht mehr, es erbuntet. Von den Füßen aufwärts stehst du, nicht mit losem Kopf geschweige Mundworkshop, aber den Hals darunter schwingend. Schweigsam schleichst du dann unter der Krempe des Pilzkopfes. Und dessen Lamellen zerteilen dich mit Licht. Das Licht, jenes, kommt immer aus der Finsternis. Diese einfachste aber geniale Melodie, durch den Verstärker ohrenbetäubend. Ich genoß die Wahrheit und machte dazu, am Boden sitzend, den Michelangelo-Schöpferfinger, immer einem nackten Rücken auf der Tanzfläche nachführend mit höchstmöglicher Präzision.

 

Die zerbrechliche Ordnung der Dinge

Kristalle liegen auf dem Tisch, die man aus einer ungeordneten Lösung an einem Kristallisationskeim an einem Faden über Wochen gezüchtet hat und die jetzt sichtbare Ordnung nicht nur darstellen, sondern selbst sind. Schlägt man auf den Kristall, macht der einen Klang geordneter Schwingungen, außer man schlägt den zu doll zu Bruch. Wie überall, wo Ordnung der Dinge ist, muß man also vorsichtig mit der umgehen.

MERz übte, wie ein Erschossener wegsackt, leblose Materie augenblicklich plötzlich, nicht mehr den komplizierten und dem heutigen Stand der Wissenschaft noch weitgehend unbekannten Gesetzen des Lebens folgend, sondern nur noch den einfachen beiden Gesetzen der Newtonschen Mechanik, dem der Schwerkraft und dem der Trägheit. Man könnte es also wagen, den Bewegungsvorgang des Wegsackens eines Erschossenen zu berechnen, und würde dabei der Wirklichkeit recht ordentlich nahe kommen.

 

Die Gizehpumpe

da sitzt das blatt

mit gummierung verborgen

verbogen zwischen fingergezänk

mit der zunge

eingerollt wie tabak

im geröll

strohhalm zum traum hinab

dadurch sauge ich's sauber

husten im parkett

gassausen im steigrohr

fracksausen der fledermäuse

im gebackenen gebälk

nicht vorhandener dammbruch

im kopf überschwemmung

jahrhunderthochwasser

die hosen, kurz wie beim pimpf

 

Gleissende Beile

Der Sommer hat also das Volk Gottes archenoahmäßig evakuiert, um nun mit einer Sündflut von Hitze die in ihren Löchern seiner Diktatur anarchomäßig sich Widersetzenden auszuräuchern, mit der Panzerfaust Hitze.

Im Exil des abgedunkelten Zimmers sitzt der Widerstand. Revolutionäre Schlauheit: Der Eisimperialist Scott schrieb auf dem Rückmarsch vom Pol, dem radikalst erreichbaren Punkt des Globus, im Zelt ins Tagebuch, bis ihm die Finger gefroren. So ähnlich arbeite jetzt ich in meiner revolutionären Zelle. Stichworte von MERz in der Zelle der Verhaftung, also im Kopf: 1. verwesendes Metall (Rost der Heizungsrohre zB), 2. gefalteter Spaten (zB bei Pionieren), 3. RIEGELEIN CADOLZBURG (Schokoladenhersteller), 4. Chesebrough Vaseline (aus GB), 5. Änderungs-Atelier (!) ((so müßte der Parteiladen einer revolutionären Bohème-Partei heißen)), Laufmaschen-Annahme (!), 6. Fraglich bleibt aber, ob eine derartige Sensibilisierung der (begehrenden) Sinne ohne maschinelle Hilfe (Präzision durch Amplifikation) möglich ist.

 

Herrn Marengels' Problem

Marengels ist stets am Produzieren, Gedichte, Musik usf. Ein heißer Tag, MERz will mit Marengels im Wannsee baden gehen. Aber Marengels haßt, wie er sagt, Sonne und faul Rumliegen. Stattdessen hat Marengels die Gardinen vorgezogen, einen Ventilator angestellt und arbeitet. Er kann nichts bei sich behalten. Während MERz eher träge ein Bier auf die Hälfte reduziert, hat Marengels bereits zwei Flaschen weggezogen, in gewaltigen großen Schlucken. Jetzt sprudelt er über. Marengels genügt nichts, zB nicht einfach ein Musikstück hören und es gut finden. Wenn er etwas gut findet mit weit ausladenden Armgesten und enormem Sprechen, daß man meinen könnte, jeden Moment laufe ihm der Speichel heraus, dann will er es zB samplen, in einen Speicher einlesen, es zerlegen und irgendwo in eins seiner Produkte 'einspleißen', wie er sagt. Er reagiert auf Dinge nicht mit Zustimmung oder Ablehnung, sondern mit geradezu manischer Produktion im überhitzten Zimmer.

Andererseits gibt es offenbar Menschen, die diesen Produktionszwang nicht haben, MERz zB. Er wüßte auch gar nicht wie, wenngleich Marengels ihn fortwährend bedrängt, seine Untätigkeit sei ein 'Entfremdungszustand' und müsse durch Produktion außerhalb der gesellschaftlichen Entfremdungsproduktion, in Kunst also, aufgehoben werden. MERz aber ist selbstgenügsam, er kann einfach nur dasitzen und Marengels' großes Gegeste interessant finden oder irgendein Musikstück 'einfach gut'.

Marengels vermeidet diese spontane Freude an Dingen, vor allem dann, wenn sie sich seiner auffressenden Produktion entziehen. Blumen oder Bäume kann man nicht samplen oder up-cutten. Auf MERz hingegen trifft Marx' These, der Mensch setze sich durch Arbeit und Produktion mit der Welt in Beziehung, irgendwie nicht zu. Beziehungen zur Welt quellen in ihm hoch, sind einfach da, auch wenn er nur so dasitzt und sein Bier schlürft. Er ist ad hoc mit der Welt in Beziehung, wenn auch manchmal in recht schräger. 'Produktion', so nennt Marengels Maloche, ist ihm dabei eher lästig, er fiebert dem Feierabend entgegen, wo man einen draufmacht.

Marengels doziert: Konsum als die Nicht-Produktion sei imgrunde eine Art Bypass, die um die Entfremdung in der Produktion gelegt ist, damit diese nicht spürbar werde. Indem die Menschen die Arbeit nur als Mittel zum Zweck betrachteten, sei sie ihnen eigentlich nicht mehr wichtig. Ob die lustlose Arbeit dazu noch entfremdet ist oder nicht, sei letztlich egal. MERz stimmt zu, Arbeit bedeutet ihm nichts. Er hat kein Gefühl von Zwang, außer bei der Arbeit. Na also, eben!, sagt Marengels. Marengels' Produktionseifer dagegen, zumal bei dem Wetter jetzt, erscheint MERz zwanghaft. Das ist doch krank, jetzt in diesem überhitzten Zimmer mit Apparaten, dem riesigen Schreibtisch wie ein Tapeziertisch und der Abdunkelung gegen Sonnenlicht.

Zu fragen, nein zu untersuchen wäre, ob nicht in Wahrheit Marengels entfremdet ist mit seinen über Produktion immer nur mittelbaren Beziehungen zur Welt. Der Zwang zeigt sich auch in Marengels' Unduldsamkeit gegen MERz, der jetzt einfach nur baden will. Marengels ist ein gutes Gewissen in seinem Arbeitseifer. Schweißperlen auf der hohen Stirn unterscheiden sich nicht von den Schweißflecken unterm Arm des Managers im Nadelstreif. "Ohne Fleiß Kein Preis." Der manische Produzent gilt potentiell mehr als der selbstgenügsame Faulenzer. Auch wenn Marengels' Produkte unverkäuflich bleiben und man mit ihnen wie MERz nicht so recht etwas anzufangen weiß, heischen sie doch Anerkennung, weil ihnen der Fleiß der Produktion noch anhaftet. Diese stille Anklage gegen die Nicht-Produktion, die auch aus Marengels' Produkten spricht, ist Herrschaft durch Ideologie. Marengels kann zur Zeit freilich nichts dagegen tun. Produktion ist ihm eine Notwendigkeit. Das Problem wäre nur zu lösen, wenn man die ideologische Spaltung von Produktion und Nicht-Produktion aufhöbe, sagt er.

 

Schwanengesang auf Heide I

Schwanheide: Bis vor kurzem Grenzübergang, nunmehr Geisterstadt, durch die der Zug ohne Halt fährt. Auf Abstellgleisen einige sowjetische Tankwagen, geschwärzt von Öl und Gebrauch, mehr als westliche Wagen, beim Anfahren sehr scheppernd, scheppernder als westliche Wagen. Die Zäune am Gleis sichtlich ruiniert, wie verlassene Spinnennetze, nicht mehr geölt von den wachsam prüfenden Blicken der Grenzsoldaten. "Unser Volk weiß, daß die Grenzsoldaten der Deutschen Demokratischen Republik jederzeit mit hoher Selbstdisziplin und mit großem politischen Verantwortungsbewußtsein an der Trennlinie zwischen Sozialismus und Imperialismus auf Wacht stehen. Sie weisen unter den komplizierten Bedingungen der unmittelbaren Berührung der beiden Weltsysteme Angriffe auf die westliche Grenze des Sozialismus entschlossen zurück. Mit Mut und Besonnenheit sorgen sie für den sicheren Schutz der revolutionären Errungenschaften unseres Volkes." Die Grenzverletzung besteht jetzt in der Überflüssigkeit der übriggebliebenen Sperranlagen. Grenzgebiet ist immer Niemandsland, in dem Nutzung ausgesetzt ist, also ein Bereich von Kunst. Enteignung der Grenze durch Einbeutung des Niemandslandes.

Früher machte man aus dem 'Zonenrandgebiet' heraus Sonntagsnachmittagsausflüge an die Grenze. Hobbyfotografen schossen Bilder, stimmungsvoll durch die Unberührtheit des Landstrichs und gleichzeitig mahnend durch Wachtürme im Hintergrund. Super8-Filme leicht verwackelter Expeditionen. Ein Zoom zeigt gegenüber Grenzsoldaten, Künstler im Niemandsland, mit Ferngläsern an den Augen, die der sich bewegenden Kamera stetig folgen.

 

Gieriger Griff

Es gilt, die Geschichte zu retten. MERz rettet die Geschichte. Für den Anfang bietet sich dafür seine eigene Geschichte an. Er reißt Seite für Seite aus einem Porno-Magazin, streicht sie durch, knüllt sie und zündet den Papierkorb an. Danach im Zimmer beißender Qualm, den MERz inhaliert.

MERz würde B. etwas lehren, wie man Bierflaschen mit dem Feuerzeug öffnet, das Putzen des Messers auf Hochglanz, Austausch der Sicherung in einem Fernseher, daß man im Bier keinen Korn trinken soll, weil man dann am nächsten Morgen mit dem Kopf nicht durch die Tür kommt, und solcherlei Nützlichkeiten. Da aber MERz noch nicht viel Gelegenheit zum Lernen hatte, im Gegensatz zu B., die Sprachen studiert (das konnte MERz ihren Gegenständen, Fahrrad, Briefkasten &c., denen er sich gefahrlos genähert hatte, nicht entnehmen), kehrt sich das um. MERz lernt dauernd von B. Er besucht Vorlesungen, die auch B. besucht. Anhimmeln aus der Entfernung zweier Reihen. Zwangsläufig lernt MERz etwas in diesen Vorlesungen, obwohl er sich zunächst sträubt, weil er die Vorlesungen ja nicht besucht, um etwas zu lernen, sondern wegen B. Aus der Absicht des Lehrens folgt das Lernen. Was MERz zu lehren hat, interessiert nämlich keinen, zumindest B. nicht, vermutlich.

MERz' Hingabe an alles, was ihm systematisch erscheint, selbst wenn er es nicht versteht, gieriger Griff danach. Ihn reißen Ströme nur mit, keiner ist er. Sich zu nehmen, was er haben will, schien ihm aber nicht systematisch. MERz ist an diese Idee hingegeben, er will sein Leben ändern, auch wegen besserer Chancen bei B. Nachts nimmt er ein Bild von B., das zeigt B. auf einer Demo, zufällig vom Reporter aufgenommen. Er flüstert: "So nimm denn meine Hände." Er macht also den Fehler der einverstandenen Hingabe. Geben ist seliger, denn Nehmen. Nur was soll MERz geben?

 

Projektion der Fettsucht

Volker MERz hat dem Anschein nach schon etwas Monströses: Fettleibigkeit. Er ist eine Ikone der Sattheit, trotzdem Durst nach Nähe und Hingabe an irgendetwas ('mit ganzem Herzen'). Sonst gönnt er sich nichts. Man findet MERz' Fettleibigkeit monströs, Ausuferung, zu wenig Mäßigung.

Auf Plakaten sind die Menschen schlank. Die Projektion projiziert Unerwünschtes, zB Fettleibigkeit, um sie loszuwerden. Auf den Projektionsschirm wird mit Fingern gezeigt, igitt! Die Monstrosität wird, projiziert auf MERz Monstrum, sichtbar unsichtbar, sie erscheint als Eigenschaft des Monsters, das eklig ist, irgendwie. Monstren als Purgatorien, Scheiterhaufen.

Seine monströse Fettleibigkeit schreibt sich MERz als eigenen Fehler gut, Eigentum an Fehlern. Der Fremdgewordene sucht die Ursache bei sich, ich bin bei mir, fett. MERz zieht nicht den Schluß, daß die Vergeblichkeit seiner Experimente, seine Fettleibigkeit zu beseitigen, im mangelnden Interesse der Plakateure liegt, daß sich die Objekte der reinigenden Projektion dieser Projektion entziehen. Schlankheit des Monstrums wäre eine Art Arbeits- oder Funktionsverweigerung. Auch von Monstren wird Funktionieren verlangt, einverstandene Monstrosität, Monster als Funktionär.

MERz würde es, brächte man ihm diesen Gedanken nahe, paradox erscheinen, daß er funktioniert, indem er nicht funktioniert, zB als PlakatModell. Er laboriert daher an der Wiederherstellung seines vermeintlichen Funktionierens, an dem niemand ein Interesse hat, da er ja, so wie er ist, funktioniert.

Abends vor dem Bett prüft er die Schwarte zwischen Daumen und Zeigefinger. Dann eine Zigarette, weil er gehört hat, daß die schlank machen. Die Folge ist nach einigen Monaten ein neuer Trieb, noch ungewohnt. MERz hat nun immerhin die Auswahl zwischen verschiedenen Monstrositäten. Der Hunger nach Fettem wird umgeleitet. Die Erschöpfung dieses Triebs macht gleichgültig gegenüber dem anderen, dem Hunger.

 

Schwanengesang auf Heide II

Umhängen der Wagen in Büchen. Die Bahnhofsmission mit Armbinde, freiwilliger Helfer der Grenztruppen, bringt Kaffee. Ehemalige Begrüßung im Westen, guter echter Bohnenkaffee für die "Brüder und Schwestern hinter der Mauer", Brüderschaft trinken. West-Test Heißgetränk. Ich darf auf keinen Fall die grenzenlos aufgehobene Grenze verpassen. Der bewaffnete Blick kann bald auf feinere Instrumente, zB Metallsuchgeräte, nicht mehr verzichten. Das ist gut so: Verläßlichkeit von Maschinen. Noch ist die Grenze Pfähle ohne Gitter. Wahrscheinlich lassen sich die Pfähle nur mit Kostenaufwand entfernen, fest im Betonfundament. Durch Schwanheide wird ungerührt hindurchgebraust, nutzloser Bahnhof eines kleinen Ortes, an dem niemand mehr umsteigt.

 

Kreuzigung vor rotem Hintergrund

'Kreuzigung: Sie war zu vielen Zeiten eine beliebte Strafe'. An den Händen der Geruch von Desinfektionsmittel, Zitronenaroma, nach Erfrischungstüchern, die man im Flugzeug bekommt, um sich den Mund zu wischen oder Schweiß von der Stirn über der Wüste soundso. Am Rande der Stadt noch war ein Hausgerippe zu sehen, Betonpfeiler, dazwischen nur die mit weißrotem Plasteband abgesteckten Claims der Spekulanten. Eine freistehende Drehtür. 'Blondy und Yvonne'. Und welches Mädchen möchten Sie?

Unter einem Marc-Chagall-Poster ebenfalls Skelett, aus Heizungsrippen, von denen infolge jahrelangen Wechsels von Erhitzung und Abkühlung der Lack in Placken abblättert, unwiderstehlicher Drang, daran zu 'pulen'. Metallisches unter der Weichheit einer spitzen Brust. Eingeübtes Ventilspiel. Geschäftstüchtige Handhabung. Das Auf & Ab der Produktion. Die eilig errichteten Sexkinos im Osten avancieren, 'Live-Show demnächst hier!'

Die eine Straße ist nach Kant benannt und wird in die Seite getroffen von Hardenberg. Das Kranzgeld ist im gegenüber liegenden Kranzlereck zu entrichten, für Yvonne. Woran darf man noch Schaden nehmen? All das ist viel zu leicht. Dies sind die Kosten der Brauchbarkeit. Auch gegenüber lagert ein heizender Senser, feinsinnige Sensen gekreuzt von der Gewalt des Klempnerhammers.

Kreuzigung von Stirn und Faust in deren Hohlraum, in der Gummikaverne. Hinter der Haut (Zelt über dem Stirnschädel und dem Eichelfleisch) arbeitet Schmerz, sorgfältig, wie Schmerz sein muß, damit er verwertbar ist. Ohne Verrückung von Parametern ist nämlich eine Funktion bei Anwendung des Variationsprinzips nicht zu ermitteln. Mittel: die löchrigen Parameter der Lust. So meine Gedanken, Hebel der Veränderung, Kräfteparallelogramm.

 

Hinrichtung I

Wenn ich schmerze, nehme ich ein oder zwei Aspirin. Ich bin ein 'bei mir', schwarz und schlottief sind auch meine Pupillenschächte. Augen 'wie Wagenräder', pathologisch verengte Nabelschnur. Ich habe die Wehen der Geburt in immer kürzeren Intervallen empfunden.

Am Knauf der Badtür hängt an seiner Schulterschlaufe ein schwarzer BH. Schwarz sind deine Beine vom Nylon. Das hat nach dem Regenguß, durch den wir wateten, auf die Haut einen Schleier abgefärbt. Auf dem Schrank ein Buch. Mit einem Hocker stieg ich hinauf. Doch trennte, als ich danach griff, der an der Decke rotierende Ventilator mir den Kopf vom Rumpf mit einem heißen Schlag. Der fiel herunter auf den Boden, sagte zum Ventilator hinauf, dessen einer Flügel blutig war, noch ein Wort, des Erstaunens wohl, welches genau, das ist mir jetzt entfallen. Es war im übrigen erstickt vom Blutsturz, der aus Mund und Nase sowie aus dem am Schrank lehnenden Laib schoß, die weißen Wände hinauf und auf den weiß lackierten Boden und eben den dort hingefällten Kopf, in die schmerzgeöffnete Fratze hinein. Und 6 Liter Blut sind eine Menge, was man erst erkennt, wenn man es auf Flaschen zieht, gewrungen aus dem Feudel.

 

wardrobe of salomé

mut, tollwütig: salomé und johannes der käufer

die salamitaktik des geistes fürchte dich nicht ich bin bei dir und du wollest dem feinde nicht geben die seele einer turteltaube ist die wahre droge warstroboskop namens salto mortale der salomonischen lieder die handeln von leib und liebe aber ist mir abgeschlagen vom blutenden haupt das kennt nur noch den namen MERz nun monstrum wortmonsun der umbeinung was verdolmetscht ist enjambement und für den akt der zeugung in aufgebaute schleimhaut die unbefruchtet mondgezirkust verstoßen wird vom leib der nichts mehr haßt als mit deinem geiste obwohl gedicht nicht anders eine HIRNblutung abstoßungsreaktion des zur zeugung warm und weichmacher eingerichteten mit zyklischer wallung aber leib nicht weiß davon weil keine vorstellung hat heut' abend als tanz im trapez daoben des geistes nur sensationsgelüstert aufschaut und letztlich unverstanden dem schwanenhals so lang gewachsen elegant die verzückung überm ABGETRENNTEN erst geSTIRNter himmel über mir und auf der rückseite des mondes wächst schilf dem lächeln der sphinx im muttermaul der matratze die eine gruft der fleische sagen so wird's gemacht mit tiefem schnitt geteilt doch luftiküsse waren mir und reben meiner freud geprüft im tod wollust ward dem wurm gegeben aber nicht dem gott und nicht seinem propheten der das TEXTASY der eckenstase vorgezogen als monster einer ungeheuren diarrhoe von mitgeteiltem ohnverständigen gelesen aus dem hebammenhaßbuch und haubitz'ne geistesblitze ohne unterlaß beständig trommelfeuernd in den leibeshimmel voller bomber euch zum gedächtnis zweier säulen in deren kapitel das fingerzwirn zwar weben will doch deren aufstand münzt in abgehackte kopfgeschosse als währung und bewehrung gegen schüttellähmung des desasters liebe ihre früchte doch nicht mich MERz abgekernten der trauer der arbeit noch zu verrichten als geschäft im hof geschissen statt in guter stube wo nun johannisbeerenblut fließt notformenotforme doch salva me der salomé zu füßen.

 

Hinrichtung II

Und dieses Mißgeschick war zurückzuführen, im Haushalt passieren die meisten Unfälle, auf die rauschhafte Unvorsichtigkeit, die mich schon nur mühsam schwankend auf den Hocker hatte zutorkeln lassen. Aber wenngleich geköpft, ich wollte doch hier was anderes eben noch sagen. Uschi Glas zB tritt in "Zur Sache, Schätzchen" mit dem rechten Fuß im Freibad in eine Glasscherbe. Die Wunde wird mit einer Zigarette ausgebrannt. Wir fachsimpelten über solche Wünsche.

Während noch der BH pendelte, hörte man deinen Urin an der Wand des Beckens, und du sprachst einfach weiter davon, wovon wir gerade gesprochen hatten. This is a recording, dachte ich. Im Konzert vorhin hatten wir in der ersten Reihe, der Anklagebank für zu spät Kommende, gesessen. Auch der Klang aus dem Synthesizer am selben Morgen im Studio, kreuzmoduliert, unterschied sich von jedem Wort, das du sagtest. Das war nämlich ein Kreischen. Dies ist ein Denken. Beides ist eine Arbeit von Schließmuskeln, die die Welt verändert.

Es kommt aus mir was heraus. Das ist die Hoffnung der Umbeinung. Im Regal, das sehe ich vom roten Sessel aus, in dem ich sitze, stehen 5 Paar deiner Stöckelschuh, alle schwarz. Dies sind keine Fragen der Abwägung, sondern der Gewichte an meinen Füßen, einige Kilometer entfernt vom Großbelastungskörper, der die Tragfähigkeit des märkischen Sands für Speers Nachkriegsbauten ermitteln sollte.

Im Kino, als Uschi Glas gerade in die Glasscherbe trat, flüsterte ich dir etwas ins Ohr. Du neigtest dich zu mir, um das Ohr näher zu bringen. Ich war da plötzlich in deine Haarscherben getreten, die rochen regengetrocknet und nach Waschmittel. Es ist damit zu rechnen, daß ich nun immer müder werde, Umbeinung mit Morphinen, Schlafpythons, immer weitgehendere Kontakte zur Schwärze. Allerdings, das ist der Vorteil, jetzt bin ich mir das Zentrum der Welt. Und das fühlt sich ganz gut an, so als Singularität, Radius Null, wo alle Potentialgleichungen versagen, am Pol. Da löst sich alles, wie erstaunliche Mengen Kochsalz in einem Trinkglas warmen Wassers.

 

"This is a recording"

In der Tat wäre anzustreben, daß das Aufschreiben mit ähnlichem Automatismus erfolgt wie das Denken, Wahrnehmung immer schon als Wort. Man könnte sich dann an eine vollständige Wiedergabe machen. This is a recording.

Kreuzigung: Im Moment dieses Wortes, das in den Ventilationsgenerator gerät und zerhackt wird. Am Galgen die Kalotten deiner Brüste mit Essig gefüllt, so prall, daß damit über 100 Schwämme am Aesop zu tränken wären. Wir gehen noch ins 'Golgatha', oder? Tüllgardinen trennen uns, nicht Wände; die bläht unser Atem. Dies ist eine Frage des Verlangens. Dies ist eine Notaufnahme. 2,8 Tonnen wiegt mir mein Mikrofon, das alles hören kann.

Wieder auf der Straße: ich blickte pathetisch hoch in eine Baumkrone. Mich durchfloß tatsächlich sehr angenehm das Gefühl von 'einsamem Lied'. Es störte mich nicht das Wissen, daß dies der schlimmste Unsinn sei. Ich friere nämlich nie, weil ich dick bin. Deswegen muß ich mich auch nicht eilig bewegen. Der Zeh der Bestie, an den Fels genagelt, Laufmaschen fressen die Adler hinein. Die Ferse: unerreichbar fern.

Blondy's Fersengeld. Vermarktung der Einzelteile wie Auswaiden von Autowracks.

Als Kind mußte mir mein Vater x-mal vom Untergang einer Autofähre im Skagerak erzählen, wie jetzt die Autos im Rumpf des Schiffes in 50 m Tiefe rosten, unversehrt, doch rostig. Das faszinierte mich wie Laufmaschen, die den Rost der Haut sehen lassen. Unbekannte Summe: Schrott gibt es in großen Mengen nur auf Schrottplätzen. Auf den Straßen und Trottoirs ist er selten, und daraus ergibt sich seine revolutionäre Perspektive. Selbst aus gammligen U-Bahnschächten nämlich werden, solange sie funktionieren, Penner vom gestriegelten Bahnpersonal vertrieben. Sie revoltieren durch einfaches Vorhandensein.

Meine Arbeit jedoch ist eine schwierige und keine einfache. Die Schwierigkeit: ich bin hauptsächlich damit beschäftigt zu rekonstruieren, woran ich arbeite. Wäre genaue Benennung des Arbeitsgegenstandes möglich, so, vermute ich, könnte die Arbeit daran sogar entfallen. Wahrscheinlich ist sie längst getan. Doch sicher weiß ich das nicht, daher muß ich sie tun, denn es besteht immerhin die Möglichkeit, daß sie aus Versehen doch noch nicht getan ist.

 

Das Gewissen der Statik

Am nächsten Tag. Ich bin kalt in der Stadt. Ebenholz rankt an vorübergehenden Beinen, oder Teak. Verkohlte Treppen in einer Ruine, die weder Auf- noch Abstieg mehr tragen würden. Zwischen Straßenadern in mir fehlender Fluß. Das ist gut, denn das ist ein Unterschied zwischen draußen und drinnen, der das Draußen erfahrbar macht. Sonst wär das einerlei und also dumm. Indessen bin ich ein armdicker Nerv, ein Alarm, eine nagende Schnur. Worauf ich warte, ist mir unbekannt. Im Wachsfigurenpanoptikum querliegende Kinder in Uterusquerschnittspräparaten. Das ist auch eine Frage der Lage, ob das dann flutscht. Ferner syphilitische Geschlechtsteile. Schreiben als Tragwerkslehre. Die stille Gewißheit der Statik, nicht einsturzgefährdend.

 

Roter Wedding

In einem Hinterhof aus einem Fenster hört MERz das 'Sputnik-Lied'. Das sagt, daß es ohne Kapitalisten besser gehe. Am 10.11.89 vorm Beate-Uhse-Shop am Q-Damm lange Schlangen von Ost-Bürgern. Schlangestehen für Dildos. Aus Geldgründen wird ein Teil der benachbarten Atelieretage als Lagerraum für einen Import-Export-Händler vermietet. Schwunghafter Handel mit Russenrädern in den Farben schwarz und moosgrün, 160 Mark. So muß das auch mit der dort produzierten Kunst bewerkstelligt werden. Einfach und billig.

Im März 92 fuhr Volker MERz von Hamburg nach Berlin und etwas später, zunächst 7 Tage, dann 7 Wochen, zuletzt 7 Jahre, von Berlin nach Hamburg. Letzteres war geplant. Es wurde jedoch nichts daraus, weil der Dichter Marengels, nachdem er am ec-Automaten die Aufenthaltsgenehmigung für weitere 7 Tage gelöst hatte (zwei handliche Scheine), sich in einem weiß tapezierten Zimmer von einem Ventilator hatte köpfen lassen. Das fand MERz so rührend, daß er sich auch von einem Ventilator in einem weißen Zimmer köpfen lassen wollte. Aber solche Gelegenheiten fand man auch in Berlin nur schwer. Am Reichsbahn-Automaten fand sich hingegen leicht lesbar die Losung der "neuen Zeit" (jeweils mit Hinweispfeil auf die entsprechenden Körperöffnungen des Automaten): Wählen - Zahlen - Nehmen.

 

Schädelstätte

Vollwürzig schoß das Blut im weißen Cabinet umher. Noch Tage später, inzwischen hatte sie alles gereinigt, mit dem Feudel am Boden, da fand sie mit einigem Entsetzen zu Schwarz bis Moosgrün eingetrocknete feine Blutspritzer auf den Tasten der Schreibmaschine, einer machte das C zum O. Den Kopf hatte sie getreu dem Decameron in einen Blumentopf eingegraben. Er war noch nach Wochen, als sie umtopfte, seltsam unversehrt, nur etwas gerostet, so schien es. Verehrung des Versehrten. Verzehr: muß bezahlt werden.

Es ist erstaunlich, was einem im Moment des Verblutens so in den Sinn kommt. Werbesprüche zB sind ohne große Mühe 'by heart' zu behalten. Mit abgetrenntem Kopf ist das dennoch ein Problem wegen mangelhafter Blutzirkulation. Asbestsanierung in 'Erichs Lampenladen', das ist der Palast der ArbeiterUndBauernRepublik. Arbeiter in Schutzanzügen und mit Gasmaske, als würde Atomschrott entsorgt. Die Entsorgung des Palasts als Endlösung. Entlösung plötzlich, als sie Marengels umbeint. Ärgerlich nur die Geschichte mit der Ventilator-Guillotine. Währenddessen Hingabe. Ganz bei Trost sein bei ihr.

MERz spielt nervös mit seinen Ohrknorpeln, jetzt wo er vor Marengels' Blumentopf steht. Der platzte ein paar Monate später während des heißen Smogsommers, weil die Fensterbank fast den ganzen Tag heiß beschienen und der Ton spröde geworden war. Eine Made fand sich, offenbar erschöpft von der Zersetzungsarbeit.

 

Schwanengesang auf Heide III

Ein klarer Stern zwischen Wolkenqualm, zu dem es sich vorzüglich mit Kopf im Nacken hochblickt. Auf dem Rückweg wieder die Wache an der Grenze. Grenzwertasymptote in umgekehrter Richtung. Eine Rückkehr, die nicht mehr vorhandene. MERz: gereckter Hals wie ein Schwankahn auf einem Teich im Gegenlicht des glitzernden Wassers. Biegung der Muskeln bis weit in den Nacken. MERz ist auf der Schwanheide.

 

epilog:

Seilschaft

Das Seil wird gespleißt,

ein Stück Henker darein,

ein Splitter des Glases.

Kein roter Faden, ein Seil,

2 Zoll dick,

weist uns den Weg

heraus aus der Verschachtelung

hin zum Knoten

am Anfang

des in den furchigen Boden

gerammten Pfahls.

Schwer noch hallen

die Schläge der Hämmer

der Arbeiter wider.