Mo, 5.4.10 (Di, 6.4.10, 0:10): Zirkelschlussstoff

Traumprotokoll vom Traum von neulich (27.3.10) anhand gespeichterten iPhone-Sprachmemos nacherzählt:

Ein Zirkelschlussstoff, der die viskose Eigenschaft hat, dass man ihn wie Knetgummi sehr leicht formen kann. Man braucht dazu nicht mal die Hände, es genügt die Kraft der Gedanken. Aus dem Stoff formt sich alles, was man denkt, gleichsam von selbst. Der Stoff erzeugt bei allen, die mit ihm in Berührung kommen, Begeisterung, weil er so universell verwendbar ist. Zunächst werden daraus nur hautnah passende Verpackungen geformt, die sich anders als Geschenkpapier nach dem Öffnen wieder perfekt um den Gegenstand schließen, ihn umfließen, einschließen, sich anschmiegen. Jedoch birgt die reine Formbarkeit durch Gedanken ein chaostheoretisches Problem: Wenn sich Gegenstände mit minimalem energetischen und entropischen Aufwand, nur durch einen Gedanken erzeugen, formen lassen, man also auch keine Form denken kann, die sich nicht stofflich manifestiert, wird alles Stoff, so dass sich die Welt in kürzester Zeit anfüllt, überfüllt mit gedachten Gegenständen. Ein Wucherungsprozess, Verdschungelung. Die Leute tragen ein “Pellet”, eine Urperle des Zirkelschlussstoffes als Amulett um den Hals, aus dem dann, weil sie nicht nichts denken können, so viel Welt wird, dass es nichts außer dieser Welt mehr gibt, wodurch diese zirkelschlüssig in sich selbst implodiert, zu einem riesigen, dann wieder amorphen Materieklumpen. Jedoch lässt sich dieses Chaos wiederum dadurch beherrschen, dass man ja auch den Zirkelschluss denken kann, der sich durch den Stoff wiederum in die Nichtung der Materie formt. Rückblende: Bevor der Zirkelschlussstoff entdeckt worden war, hatte sich in einer Bauernhof-WG ein Betrug ereignet. Einer der WG-Bewohner hatte sich mehr Platz verschafft, indem er die Grundrisszeichnung des Kellergeschosses des Gebäudes verändert hatte. Das Gebäude veränderte sich entsprechend des gefälschten Grundrisses. Allerdings war das zunächst nicht wahrnehmbar, weil der Raum sich vom Grundriss aus nach unten kegelartig erweiterte, die z-Achse nicht mehr senkrecht auf der x-y-Ebene stehend, so dass der Keller vom Aufriss her größer war als die darüber liegenden Geschosse. Die Materie verhielt sich nach den neuen Gesetzen des grundrissig zugrunde liegenden Gaukelmaterials. Die Darstellung der Wirklichkeit verzerrte diese. Jedoch die Gefahr der Wucherung des verstofflichten Gedankens, indem das Gleiche an verschiedenen Stellen des durch den Zirkelschlussstoff verzerrten Raumes gedacht wird und diesen verdoppelt, vervielfacht. Beängstigend. Und der alte Satz von Rainald Goetz: “Man muss davon ausgehen, dass der Stein denkt.”

Heute mittagsschläfrig wieder so ein Traum in diese Richtung, dass die Erfüllung, Verstofflichung von Gedachtem, Ersehntem, von Wünschen metaphysische Gefahren birgt, das Denken, das Sehnen und Wünschen bedroht. Die Realität bedroht den Traum, der Entwurf den Gegenentwurf, das Entwerfen die Geworfenheit.

Gleichwohl am Tage ein Gefühl von Leere oder Oberflächlichkeit gegenüber solchen Einsichten, die eher Aussichten (oder Ausflüchte) sind. Die Fadheit des Wirklichem gegenüber dem Gedachten. Langes Skype mit Lilly, in dem ich ihr auch fad und wenig gedankensprühend vorkomme – mit Recht. Versiegende Tiefe. Dennoch die Forderung, sich fallen zu lassen. Stehe aufgestanden am Balkonfenster und schaue hinaus. Als sei die Welt da draußen wirklich nur draußen. Zirkelverschlossen, der Schweiger in der Wüste (der ich nicht bin).

((Im TV-Nachmittagsprogramm gestern und heute aufgezeichnet die ersten beiden Teile des TV-Vierteilers von 1968 “Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer” (nach Mark Twain), worin mich die ersten Takte der Titelmelodie zirkelschlüsselnd einnehmen.))

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