Di, 2.3.10 (Mi, 3.3.10, 5:31): Traurige Clowns

Erster Tag seit Wochen ohne Lilly. Die verwaisten Räume, das wieder allein Sein. Reminiszenz an vor einem halben Jahr.

Ich räume auf, gehe den Jobs nach. Für KN abends bei Mike Krüger im Kieler Schloss. Traurige Veranstaltung. Traurig, weil ich es in all dem Spaß Machen bleibe. Hernach differenzierte Kritik, kein Verriss, sondern sich nippelnd eingemeindend:

— snip! —

Der Nippel passt noch durch die Lasche

Mike Krüger witzelte im Kieler Schloss zwischen Kunst und Abfall.

Kiel – Noch hat niemand eine Verpackung erfunden, die stabil ist und sich dennoch leicht öffnen lässt. Insofern ist Mike Krügers Evergreen “Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche zieh’n” so aktuell wie vor 30 Jahren und wird nicht minder nostalgisch ausgelassen mitgesungen. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, würde Krüger im Kieler Schloss nicht davor zurückschrecken, die alte Nummer nochmal zu bringen. “Is’ das Kunst oder kann das weg?” titelt sein neues Programm, das leidlich neue Nippel durch uralte Laschen zieht.

Um die Antwort auf die Frage im Titel gleich vorwegzunehmen: Ist keine Kunst, kann weg! Gleichwohl ist solche Langlebigkeit einer angejahr(zehn)ten Komikermasche und dass darüber immer noch herzlich gelacht wird, bis die Schenkel glühen, auf die man sich ob Krügers Gag-Staccato schlägt, bewundernswert. Offenbar gibt es unvergängliche Witzstrukturen, die nur geringer Aktualisierung bedürfen, um immer noch zu zünden wie ein China-Böller am Silvesterabend. Dass Frauen weder ordentlich Auto fahren, noch dasselbe einparken können, ist längst von der Wirklichkeit widerlegt. Aber als Topos für derbe Scherze taugt es nach wie vor. “Wenn der Mann getrunken hat, bitte nicht ans Steuer setzen. Da kann wirklich mal die Frau fahren”, flachst Krüger, nimmt sich die geschickt inszenierte Pointenpause und schiebt den Lacher-Turbo nach: “Außer sie ist Bischöfin.” Das ist zwar unter der Gürtellinie des guten Geschmacks, aber letzterer ist ohnehin nicht Krügers Kunst, kann also weg. Ebenso weite Witzfelder bieten ihm Alkohol und seine Nebenwirkungen (in der Hit-Persiflage “Ein Korn, der deinen Namen trägt”) sowie das alternde Ehebett. Das Wasserbett, das sein witzelndes Ich angeschafft hat, um das Eheleben in neuen Fluss zu bringen, nennt die Gattin trefflich “Totes Meer”. Ah, das macht lange Lacher auf kleinstem Witzraum.

Das ist womöglich doch Kunst, die nicht weg kann, wenn Krüger seine Mini-Sottisen aus den noch nicht ausgepackten Umzugskartons zieht. Kennen Sie den, den kürzesten Arztwitz? “Kommt ein Zyklop zum Auge-Arzt …” Na, der braucht ein bisschen, ist fast schon zu wortverspielt für sein Publikum, das mit ihm in die Jahre gekommen ist. Oder der hier: “Was ist süß und schwingt sich von Ast zu Ast? – Tarzipan!” Kein Kalauer ist Krüger zu platt, als dass er ihm nicht mit sicherem Gespür auflauern würde. Zumal sich in manchem – nicht nur behauptet – aphoristische Dimensionen auftun: “Was haben Schmetterlinge im Bauch, wenn sie verliebt sind?” Und was ist in all den auf der Bühne gestapelten Kartons, die übrig geblieben sind vom Umzug vom provinziellen Quickborn ins mondäne Hansestädtchen Hamburg? Die “Pampers-Bestellung für Oliver Pochers neues Baby?” Auf jeden Fall eine Steilvorlage für den nächsten Gag von “Wunderkind” Mike, den seine Mutti einst warnte: “Du musst öfter deine Windeln wechseln, sonst wirst du am Po noch wunder, Kind!”

So windelweich stammtischfeuerwerkend geht es vergnüglich durch den Abend, unterbrochen von den knittelversenden Liedern des Barden Mike, die weg können, sind keine Kunst, auch wenn sie den Nippel zuweilen blues-verschmitzt durch die Comedy-Lasche ziehen.

— snap! —

Lange gearbeitet an diesem Porträt eines traurigen Clowns.

Weiter in der Nacht mit Lilly telefoniert. Unser Säuseln, die zarten Andeutungen und schwingenden Po.esie-Schläge. Letztes Gute-Nacht-Telefonat.

Danach noch KN-Vorbericht über die Nacht der Clubs im anstehenden Kulturrausch. Textfragmente im Kreisverkehr, Materialversammlung, nicht viel, aber mehr.

Langer Tag, leer, voll durch die Telefonate mit Lilly entlang ihrer Route, dem “long way home”. Ex Home. Das Schüchterne des Schürzen Hebens. Traurig schminken sich die Clowns ihre Lippen kussrot.

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