Di, 16.2.10 (Mi, 17.2.10, 3:45): liftoff

Die nunmehr einmonatliche, zwölfteljährliche Häuslichkeit mit Lilly erzeugt (Ritalin-;-) Rituale, etwa dieses, dass ich den Müll herunter bringe. Während ich den Lift hole, um abwärts zu fahren, ist ausgerechnet Meyer-Hohenwestedt am gegenüberliegenden Dach “am Gange”, die Schneelast zu beseitigen. Auf einer Hebebühne fahren die Genossen auf und ab und schaufeln überschüssigen Schnee. Vom Dach der Welt. Schmutzig liegt das Weiß hernach am Boden der gegenüberliegenden Rathausstraße.

Ich finde das faszinierend. Später am Tag schleppe ich Sprudel heran, Pizza, Spinat, den Iced Coffee in Bechern. Und ich mache Artikel, das Interview-Perpetuum-Mobile. Was Wise-Guys-Sänger Nils Olfert mir zu sagen hat, reicht für einen 120-Zeiler, ist aber Füllfunk.

Mit Lilly weiter durch die Tatorte, jetzt nach Münster (alle gesehen) die Kieler. Berückend, wie sie weint, dass der Täter auch ein Opfer ist. Ich weine mit und gieße mir hernach Wein und noch mehr ein. Während ich infomedias Berlinale weiter als Tischredakteur verwalte.

Das kostet Zeit, in der Lilly liest, sich die “temps perdu” der Psychoanalyse erschließt und einschläft. Ihr Profil mit Brille, konzentriert – allerliebst. Gefühlt: Ich muss sie nicht anfassen, sie zu fühlen, es genügt das Ansehen, mich zu versteifen auf sie.

Spätnachmittags, während sie in Buchhandlungen wildert und Prousts sämtliche nämliche Erzählzeit entdeckt, anrufend, ob ich die im Regal habe (habe ich – perdu), dusche ich mich, sprühe mich hernach ein mit Essenzen.

Sie riecht derweil nach uns.

Und die Rättlein, wie sie Männchen machen, die Zähne gebleckt, neugierig. Sie schlafen, augengeduckt, auf der Aussichtsplattform des Käfigs … und sind mit Brotkrumen lockbar auf das eiskalt auffahrende Händchen.

Aus all dem wird Liftgedicht wie folgt:

— snip! —

augengeduckt

sängen wir nicht, sänken wir
als tintenfleck auf die leinwand,
als tippexspur auf den schirm,
als kuss auf blassgeküsste lippen.

sänken wir nicht, sängen wir
das tatorttödliche lied musischer lolitas,
das blondgeschäft der perücken,
den mausetod im kaufhausrausch.

holten wir nicht den fahrstuhl halbzwölf,
entließen wir uns nicht im tiefgeschoss fünf vor,
zählten minuten, die eine
zigarette braucht

auf den schnee zu wehen vorm haus,
auf das dach,
in uns,
verweht verzehrten.

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