Fr, 12.2.10 (Sa, 13.2.10, 0:35): kein Kunstmonster

Wenn Lilly, bestreichelt eingeschlafen gegen 22 Uhr, nachts einsam erwacht und die Schlaf- geöffnet habend Arbeitszimmerschiebetür zärtlich öffnet, möchte sie, so sagt sie, “kein Kunstmonster vorfinden”. Namentlich nicht mich im Textrausch fürs di.gi oder sonstwas Getipptes, keinen Lolitalottomillionär der Zeichen, beschwippst vom Gewinn der Alkoholnikotinkrankheit. Und überhaupt, so regt Lilly an, müsse mehr vom Tage als für die Ewigkeit zu lesen sein im di.gi.

D’accord.

Der Tag beginnt, ich mich aus der Schlafschattentrunkenhochzeit entwickelnd, mit einer Diskussion des Posts von gestern über Hegemann. Lilly opponiert wort- und gestenreich gewandt. Ich habe kleine Furcht, dass ihre weiblich wedelnden Armgesten das morgendliche Kaffeelatteglas umstürzen könnten auf die Ta(t)staturen der Nacht. Allein, sie ist akrobatisch.

Und vermeldet, dass mein Hype der Helene allenfalls experimentell gelten könne. Ihre Argumente, die ich nur spärlich ins Dialektische zu rekassibern weiß. Den Kollegen Voß hatte ich vermutlich missverstanden (wie sich durch unironischen Kommentar im Forum 13 zeigt), das Ironische nicht mitschneidend. Und was die Ironie der Hegemann bei Harald “Arno” Schmidt betrifft, das sind Irrungen und Wirrungen. Und Effi Briest, als hätten sie Kafka und Gregor Samsa und nicht Fontane geschrieben.

Der Zeitgeist als Korrektficktief.

(Nachtrag aus dem Interview mit No More: “Es gibt keinen Zeitgeist mehr, keine Provokation” (sinngemäß).)

Beschluss am Morgen: Wir baldowern im Buchladen, was die Hegemann wirklich axolotlte. So umgesetzt am Nachmittagfrühenabend ist Lilly geradezu genervt von meiner voreiligen Position. Eine Art Ehestreit über Literatur, der mich mehr anmacht als sie, die so gebürstete Literatur. Lillys Widerständigkeit, die nichts aus meinem Munde zulässt, es sei denn … Dabei merke ich, wie sie dennoch Recht hat oder hätte.

Ich, das Kunstmonster, streift wie ein Hä/n/f/t/ling durch die Buch(ver)handlung, den Wams abgelegt, hemdnackt. Ein Handlungsverweigerer der Geschichten eines Handlungsreisenden.

Indem ich Lilly vorwerfe, dass auch mein Textkonstrukt unter ihr Verdikt fiele, einlenkt sie, dass ich und mein Text doch ganz etwas anderes seien. Das macht Liebe und Kuss. Ich – Text – geborgen.

Derweil hatte ich während des Diskurses mit Lilly zu Hegemann folgendes auf einem aus dem Papierkorb begriffenen Umschlag (aufgerissen, aber leer) notiert:

ad 1: sich gegenseitig ironisierende Ideologeme: Hegemann verhält sich zu den ihr gegenüber vorgebrachten Vorwürfen angenehm ironisch-ideologisch. Sie geht darauf ein, indem sie Ausgehende ist. Kunst als Monster, in/dem sie drogt.

ad 2: unnötige / notdürftige Gedanken: die Notdurft des Denkens über Text ist frappanter als seine Unnötigkeit.

Zitat / Plakat: Das Plakative am Zitieren. Die Hegemann, das blöde Blondchen mit inszeniertem Haarausschlag, ist für mich heiß, weil sie Zitat als Plakat begreift. Lilly dagegen, weil sie Plakate, auf denen ich schreibe “Ich will dich” unter Verdacht stellt. Ihr Quiecken, wenn ich den Finger auf die von mir verursachte Wunde ihrer Kimme lege.

Nachts die Ratten im Käfig, wie ich ihnen eben diesen “schlimmen Finger” zum dran Lecken anbiete. Der Texthirte und sein sündelnder Stab.

Derweil ungemein verliebtes Gefühl für meine Muse: Sie zetert weg, was ich zu wenig durchdachte. Sie ist ihr und mein Nietzsche. Gott ist tot, sie aber umso lebendiger. Und das, Lilly, enerviert mich Kunstmonster.

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