Mi, 10.2.10 (Mi, 10.2.10, 23:15): Sonde

Orchesterprobe im Klaiber-Studio des Opernhauses. Setze mich direkt hinter die Hörner und neben den Pauker, der während 32 Takten Pause einen Roman liest, um einigermaßen unauffällig die Probe zu reportieren. Ich bin die Sonde im System, Daten sammelnd. Die üblichen Notizen über das Athletisch-Sportliche des Musik Machens. Später im Büro des Dirigenten auf eben den wartend. Er verspätet sich. Schlummere auf dem Sofa mit Block und Stift in der Hand fast ein. Auf dem Schreibtisch kreative Unordnung. Ein Cello steht stumm in seinem Futteral. Draußen vor dem Fenster Schneetreiben. Sonde außer Betrieb – oder im Energiesparmodus. Müde.

Später nach der Verfertigung des Artikels Hausbegehung mit Lilly. Verschachtelt versteckte Räume interessieren sie. In meinem Keller Kisten anschauen. Ich weiß selbst nicht mehr, was wo drin ist. Das vergessene Archiv. Funkkontakt abgebrochen. Der Geruch von altem Papier, tintenverschmutzt. Die Haare aus der Stirn streichen.

Auf dem Bett liegen. Immer am Rande des Schlummers. Schlummern mit Lilly. Wir gucken dazu Tatorte. Durch den Schnee doch noch zum Einkaufen. Die Schritte im Neuschnee seltsam gedämpft, als schliche man durch ein Wohnzimmer. In die Watte der Kälte verpackt, dürre Schneeflocken auf dem Gesicht.

Die Rättlein beobachten uns, wie wir hinterm Gitter hocken. Unser Käfig ist goldener und größer als ihrer. Und wir haben Freigang im Haus. Wir entwischen uns. Die Rättlein hoch interessiert schnüffelnd.

Ein alter Tatort aus den 70ern im TV. Sonde der Kamera, die in die Gesichter schaut. Kommissar Haferkamp zündet sich eine Zigarette an und trinkt ein Bier. Er hat Schwierigkeiten, die Täterin zu überführen. Ein “Winkeladvokat” läuft zu dialektischer Hochform auf. Athletisches Denken.

Der Text mäandert vor sich hin. Verschlungenes Flussbett, Schilf am Ufer. Seitenarm. Ein Nachen dümpelt im Heu.

Die Absätze, die das Denken macht, verkürzen sich. Am Ende bleiben Verszeilen:

— snip! —

gebälk

nest aus honig, schokoriegel
als kaffeelöffel.
die zungen tanzen umeinander
ihr silbenballett im schilf.

die silbrige süße des dämmerlichts,
wie sie durch die vorhänge schlich.
die hände, wie sie über
hände strichen,

begegnung des berührbaren,
seelensichtbar.
trinken in großen zügen aus
der wasserflasche.

lippiges, augenvertrautes
wie der klapps auf den po,
der nestbau im stroh
unserer verpuppungen.

einander bergen
im bau, unser lied auf den lippen,
in verschiedenen, unbekannten sprachen,
die sich auf liebe reimen.

entflogene amsel, noch unschlüssig
auf dem verschneiten fensterbrett
hockend. die augen geschlossen
erwartet ihr gefieder, dass es fliegt.

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