cum mortuis in lingua mortua 2: cant | arte

die gleise vorbei die zeit
sich wirken fenstrig dahin
nächten entlaubt blühend
[Passfoto]
wir nur wintern tun
zu wiederholen das sterben
[chris|t WERDE EINER VON UNS …]
zögernd schranke
des worts widerstehen
dem wiederauferstehen

(auf (dem weg zu) gerald eckerts kantate „mehr als der Sand… – Wege“ | für klavki)

[klartextender (KNtext):

Raunen von den Rändern

Beeindruckende Uraufführung: Gerald Eckerts Kantate „mehr als der Sand… – Wege“

Von Jörg Meyer

Eckernförde. „Das Wort ist uns nicht in die Hand gegeben, die Sprache geschieht“, leitet Pastor Kord Schoeler den Sonntag Septuagesimae ein und sagt damit schon einiges zur Kantate „mehr als der Sand… – Wege“ des Eckernförder Komponisten Gerald Eckert, die als Auftragswerk der St. Nicolai-Gemeinde (mit Unterstützung der Nordelbischen Kirche) dortselbst ihre Uraufführung im Rahmen des Gottesdienst erlebte.

Eckert verwendet die Textfragmente aus der Bibel (Psalmen und Matthäus- und Lukas-Evangelium) sowie aus Gedichten von Héctor Piccoli und dem Roman „Der Überläufer“ des Eckernförder Dichters Wilhelm Lehmann so bruchstückhaft, dass sie gesungen von den fünf Solisten des ensemble VOCES Berlin und dem St. Nicolai-Chor eher als raunender Klang denn wortwörtlich „geschehen“. Ebenso der instrumentale Teil der Kantate (gespielt vom ensemble reflexion K), der sich wie in vielen Werken Eckerts an klanglichen und dynamischen Rändern bewegt. Wie das vertonte Wort gibt sie sich uns nicht in die Hand, sondern ist ein meist flüsterndes Geschehnis an jenen Grenzen, wo Klang aus der Stille wächst oder in sie versinkt, ja wo eigentlich die Stille selbst klingt.

Zu den Textfragmenten passt das unbedingt, geht es in ihnen doch stets um das Dunkle, aus dem erst noch Licht werden soll, in Lehmanns Roman nicht zuletzt auch um das Unsagbare der Kriegsgrauen, kurz um Tod und Leben. Eckert findet dafür eine eindrückliche Klangsprache, die aus ihrem Verschwinden entsteht, die sich gerade in ihren Brüchen zusammenfügt. In den Instrumentalstimmen wird das deutlich, indem die Bläser und das Akkordeon ihre Klänge oft aus dem rauschenden Geräusch entwickeln. Mit der Theorbe kommt ein entrückter Klang wie aus dem dunklen Jenseits hinzu.

Dem Chor verlangt Eckert nicht nur komplexe Harmonik ab, sondern auch die schwierige Tongestaltung im Pianissimo, ein Sprechen gleichsam vor der Sprache. Beides meistert der St. Nicolai-Chor mit für ein Laienensemble bewundernswerter Präzision, die aber wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass Eckernförder Ohren – wie Stimmen – solche Neue Musik längst kein Buch mehr mit sieben Siegeln ist. Nicht minder eine geistliche Musik, die sich in den liturgischen Kontext ebenso feinsinnig fügt, wie sie die Sinne begeistert, indem sie die Ränder der Wahrnehmung so erweitert, wie es das Wort tut, wenn es einfach geschieht.]

Dieser Beitrag wurde unter lyra larynga, video.poems veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu cum mortuis in lingua mortua 2: cant | arte

  1. Pingback: video.poems: ein ästhetisches manifest der antastbarkeit | schwungkunst.blog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.