Sa, 9.1.10 (So, 10.1.10, 3:30): Das Schneien

Es schneit, es stürmt, es schnarcht. Das Schneien, das Einschlafen. Im Traum montiert sich die Wirklichkeit.

… wird weiter verweht …

Das Schneien gleicht dem Schreiben: Weiße Buchstaben flocken auf weißes Papier. Eine Art écriture automatique. Das Weiß auf Weiß macht (schnee-) blind. “Zeit ist der Vorname der Farbe Weiß” (u.a. Klavki).

Das Schneien gleicht dem Schreiten im Schnee, Spuren werden dem jungfräulich gefallenen Weiß einbeschrieben – und vom neuerlich verwehten Schnee wieder verwischt. Der Text als vergängliche Chiffre.

Auf der weißen Leinwand das vergilbte Ocker der (historischen) Bilder. Schüchtern.

Und: ratlos.

Der Schreiber als der Anstreicher potemkinscher Dörfer, in denen die Grillen ihre Botschaft vom “von weit schweigenden Sommer” mit seinen plötzlichen Kirschblüten zirpen.

Der Text wird abgelegt auf dem verschneiten Gleis wie eine Leiche. Es fehlt nur das Leichentuch der leinenen Buchdeckel.

Der Text ist ein abgefahrener Zug. Der Text hat einen abgefahrenen Zug. Der Text hat voraussichtlich 15 Minuten Verspätung. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Schreiben ist das Schneien in die Dunkelheit.

Und das Schnarchen im Schlaf. Tendenziell entwickelt jede Silbe den Eigensinn, gesprochen zu werden.

Hier hören wir es als Geräusch des Schnorchelns.

Im Gedicht den Atem anhalten: Sinn-Apnoe. Apnoe-Tauchen, viele dutzend Meter tief. Da, wo das Weiß der Gischt verschwindet.

Das Schreiben ist der Bildschirmschoner des horror vacui des weißen Textfensters. Word ist nicht per se ein Gebetsbuch, kein Psalter. Der salomonische Schreibende als Anbetender dessen, was noch nicht geschrieben ist. Mit Blick auf die Schneewolke, die dunkler ist als die des Regens.

Schneien, nicht sich regen.

Der Schreiber ist auf dem noch weißen Blatt immer der naive Naseweiß.

Wenn man in verschneiter Landschaft schreit, wird der Schall vom Schnee verschluckt. Die eigentümliche Stille der Schneelandschaft rührt daher.

Im Gestöber stand still der (S)Turm.

Aufstieg zum Traum, in entgegengesetzter Richtung zum Fall des Schnees.

Der Text ist dann nicht der Hirte schwarzer Schafe, kein schwarzer Pullover, der (un-) eigentlich ein Sweatshirt ist, sondern das weiße Rauschen, über deren Fell streichend. Und die Grillen singen …

Ein Lied! Zwo, drei, vier …!

(verschneites Gras. im Rotlicht rauschend.)

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