Mi, 6.1.10 (Do, 7.1.10, 4:12): Dieselben, die sich gleichen

Ich weiß nicht mehr genau, wie und in welchem Zusammenhang C.S. darauf kam, aber plötzlich hat er das olle Heraklit-Zitat rausgehauen, von dem nicht mal Google weiß, wie genau es nun eigentlich heißt: “Man steigt nie zweimal in denselben Fluss” oder doch: “in den gleichen”? Der Unterschied zwischen Demselben und dem bloß Gleichenden.

Wie war das noch jetzt? Dasselbe ist das “ein und dasselbe”, also unverändert, während das Gleiche Unterschiede aufweist, die aber nur quantitative (für den Umstand marginale), nicht qualitative sind? (Skizze: Dieselbe Gleichung, das gleiche Selbst (?); Physik: Noether-Theorem)

Jedenfalls trinken wir beim ersten Stammtisch nach Monaten, bei dem der Meyer wieder dabei ist (gleichermaßen erstmals Lilly), jeweils zweifach gegenüber sitzend in der “sternstunde” zwar das gleiche, aber nicht dasselbe. Nämlich J.F. und Lilly erst heiße Schokolade mit Schuss Baileys, danach Merlot und C.S. und ich dunkles Hefeweizen. Da aber jeweils aus eigenen Gläsern nur ein gleiches, nicht dasselbe Getränk aus einem Glas. Wobei ja letzteres auch nie dasselbe wäre, weil es nicht identisch ist mit dem Schluck davor, als dasselbe Getränk im selben Glas noch höher stand, diesem also nur gleicht, wie Lilly bemerkt.

Und etwa so sind wir auch nicht dieselben, die sich hier am gleichen Stammtisch zusammenfinden, sondern die, die denen gleichen, die sich am selben Tisch (zum Teil) schon mal zusammenfanden. Und überhaupt ist ja der Meyer nicht mehr derselbe. Was J.F. an anderer Stelle, so wird berichtet, verteidigte, weil es ihm, dem Meyer, auch mal zustehe, unpünktlich, unzuverlässig, unpreußisch, unsekundärtugendhaft ((untersekundatugendhaft)) zu sein.

Solcher Lauf der Dinge, der Zeiten und der Umstände eben, kurz: die immer wieder bewiesene Tatsache, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt und nicht umgekehrt (dem Umkehrschluss im Ergebnis allenfalls zuweilen gleichend) sind es, die uns zwar als die Gleichen, aber nie als Dieselben wieder zusammentreffen lassen. Was eine nette Ellipse ist, denn definitorisch unscharf, aber de facto besteht das Wohlgefallen an Stammtischtreffen ja darin, dass man damit rechnen kann, zumindest die Gleichen wieder vorzufinden wie eh, nur eben nicht je.

Ohje 😉

Am Rande dieses kleinen philosophischen Kollegs ergibt sich auch die – hier, also genau hier, im di.gi.Blog besonders interessierende – Frage, was von der Wiederaufnahme der di.gi.ariums-Idee von 2000 zu halten ist. Diskurs also über das di.gi: C.S. bemerkt (hätte er ein Google dabei gehabt, hätte er gefunden und zitieren können, was hierzu passt wie die gleiche Faust auf dasselbe Auge, nämlich: “Man schreibt nie zweimal in dasselbe Blog”, was die riesenmaschine.de ironisch vermeldet), dass das di.gi.10 – bislang jedenfalls – den Gestus hat, den er im di.gi.00 nicht so toll fand: die Selbstreflexion des Textes, den Text, der über den Text textet, inklusive all der meta-ebnenden Verzwurbelungen. Besser fand er damals das so genannte Authentische, die Eins-zu-Eins-Nähe zum Erlebten (statt der Reflexion der Reflexion darüber), wenn der Erzähler, der mir gleicht, aber – jajaklar – nicht derselbe ist wie ich, der Meyer also, etwa darüber sinniert, dass ein gerade angezogener Pullover nicht derselbe ist, sondern eher einem Sweatshirt gleicht ((man verzeihe mir, dass der Link dazu nicht googlebar ist, hab’s eine halbe Stunde erfolglos versucht – C.S., poste ihn im Kommentar!)). Selbige Gleichungen 10=00 fehlen ihm (noch). Während er in etwas anderem “DEN Meyer-Humor” findet, der seit damals im di.gi seinesgleichen sucht:

Nämlich als wir vom Zigaretten-Intermezzo im Raucherraum zurück an den Stammtisch stiefeln und dabei über den Hund stolpern, der sich zwischen den Tischen angeleint schnüffelnd umher bewegt. Lilly, die ihn streichelt, wird gewarnt, er könne beißen. Glücklicherweise habe er einen Maulkorb um, der so perfekt getarnt sei, dass man ihn nicht sehe. Meyer meint, es handele sich bei der spitzen Schnauze des Hundes selbst um den Mimikry-Maulkorb. Eigentlich sei der Hund ein Boxer, der gar keine Schnauze habe, sondern sich per Maulkorb-Schnauze als friedliche Promenadenmischung tarne.

Das ist also dasselbe wie der Pullover, der einem Sweatshirt gleicht. Und, so denke ich – verschwunden hinter dem Text (genauer, so Lilly Klavki zitierend: “verschwunden IM Text”): Das sind die Gleichungen, die, lässt man sie sich im Text verselbst((ver)ständig)en, aus dem bloß Gleichen dasselbe machen.

Weitere (text-über-text-mäßige) Fragen jetzt in diesem Zusammen- oder auch Auseinanderhang: Wie und inwiefern gleicht sich dasselbe? Ist die Ungleichung von dem Gleichen und Demselben nur eine (ideo-) logische, aber keine “gefühlte” Frage? Und wenn Lilly Recht hat, die meint, dass man als Leserin spüre, wie ich mich im di.gi.arium von heute etwas krampfhaft (und eigentlich unbegründet) an das di.gi.arium von damals anzulinken versuche, ist dann dieses im Verhältnis zu jenem ein Selbes, weil ich die Gleichung versuche? Oder ist es ein Gleiches, weil ich derselbe geblieben bin?

Womit wir … nein: ich, wieder beim Schäfchenzählen des Textes, der mein Hirte ist, bin. C.S. wird augenrollen. Aber vielleicht auch amüsiert bemerken, wie viele Pullover, die eigentlich Sweatshirts sind, und Hundeschnauzen, die (k)einem Maulkorb gleichen, sich in eben diesen Text von heute eingeschlichen – oder darf ich zwinkernd mich zitieren?: “einkassibert” – haben.

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