Fr, 1.1.10 (Sa, 2.1.10, 7:24): Kurzum

halt

halte nicht an,
noch ein,
halte fest,
was flüchtig ist,
den wimpernschlag auch
dieser geschichte.
halte das aus,
auch dieses
noch sacht.
es heißt nacht
inmitten
letzter tage.
halte sie fest,
nicht an.

— snip! —

Auf der Bühne des Ateliers stehen Sprout, Band aus Hamburg, und rocken. Rollig das plötzliche Gefühl, dass alles in Ordnung ist. In der Ordnung des Chaos. “Ordnung des Chaos”, ein verblasenes, aber nicht verblassendes Aha-Erlebnis. Seit Wochen sage ich – oder er, ögyr, es ist noch nicht entschieden, wer hier als (ly-risches) Ich auftritt in der erogenen Zone des Er/Sie/Du/Wir: “Kurzum:”. Kurzum: Es ist alles in Ordnung, weil ich nicht weiß, wer in der Engel Ordnungen … wenn ich riefe … wen ich riefe, riefenstählte …

Das neue Jahr – kurzum: es ist nicht der Beginn des neuen Jahrzehnts, es gehört noch zum alten, “allein”, wir (hihi, wir statt ich) hatten schon im di.gi.arium 1.0 (2000) letztbegründend auf das im Neuen aufscheinende Alte rekursiv zurückgeblickt jeden Tag – nimmt seinen Anfang im Ende des alten. 09 war irgendwie wirr. Ein Jahr im Schlafwagen aus Medikamenten (Betablock) und übermüdeter Überarbeitung (Nacht). Dennoch kurzum: Wie jedes Jahr im Dezennium seit dem Milennium brachte Veränderung. Dass das nur schüchtern reimt, sei mir – ihm, ögyr, uns – Warnung genug. 09 reimte dennoch auf Aufgabe und Hingabe. Wie jetzt, wo dez(ennium) Minuten nach Mitternacht Sprout auf der Bühne des Ateliers in der Arfrade 45 rockt und ich das beruhigend normal finde.

Es ist ein Gefühl wie Anfang, und es ist ein Gefühl wie Ende. Das Jahrzehnt, jaja, die “Nuller-Jahre”, aber auch meiner Wahrnehmung, was wie ist. Erkenntnis nach den revoltierenden Revolutionen seither: Geschichte wird nicht gemacht, außer sie entsteht. Wo? Nicht im Kopf, da sträubt sich alles, sondern im Herzen! Klavki, mein Freund nach dem di.gi.arium.00, zwischendrin, 090404, verstorben, nannte, nein, zitierte das: “Menschen, die noch barfuß gehen im Herzen.” Aus hunderten Zitaten des vergangenen Jahrzehnts hat gerade das jüngste, nächste überlebt.

Dieses.

Neue Schuhe, die nicht passten und daher Blasen an den Fersen beim Gehen zur herzlichen Familienfeier in G. erzeugten. In den noch neueren Schuhen blüht noch die Wunde von rund drei Kilometern durch den Schnee an ihrer zu ihrer Seite.

Lilly!

Lilly geht schnell. Wir auf dem Weg ins Arfrade-Atelier. Etwa eine halbe Stunde. Mit mir an ihrer Seite verlangsamt, eher 40 Minuten. Ankommend, fasse ich ihrer Unsicherheit in meinem Terrain an den Po. Eine Geste, die allenfalls im Rathausstraßen-Habit angebracht ist. Lippen fassen sich zusammen. Ein Dancefloor, der für Sex geeignet scheint. Aber nur in Heimlichkeiten.

Die Heimlichkeiten des Verschwindens 09. Wo ich war, wusste ich nicht mehr, wohin ich gelangte, umso mehr. Warum muss sich immer alles auf alles reimen, wenigstens stabreimen? Lilly und ich sitzen (betrunken beide) in der Sauna. Wir sind angezogen. Vom Whirlpool mit Holzfeuerung keine der angekünstigten Spuren. Vielmehr draußen ein Scheinwerfer, einige Kilowatt, mit dem der Gastgeber, Atelierbewohner, in der Neujahrsnacht kurz Kunst in den Tanzraum strahlt. Ich bemerke es, erinnere, mache Notiz, die verblasst, bevor sie bläst.

Lilly küsst. Ich küsse. ögyr küsst. Wir küssen zu dritt. Küsse, bei denen ich, der sonst immer blickt, was Kuss ist, die Augen schließt. Sie ist so zart, sie ist so wild, so still. Eventuell gelangt dieser Eindruck nur wegen ihr – kleine Hommage – hierher.

Hierher, hier ist das Dezenium des 2000 getackerten, getippten, täglich, di.gi.ariums. Warum dieses Revival? Weil es kein Revival ist, sondern Revolution. digi00 ist als digi10.0 nicht nur neues Betriebssystem, sondern “die Agonie der Betriebssysteme”. Denke ich, wo gerade Sprout seit 10 Minuten in 2010 rockt.

Geistige Getränke.

Morgens wachen wir auf, es ist nur schon nachmittags. Beide “stoned”. Später gucken wir stoned-te Filme: Burroughs/Cronenberg: “Naked Lunch”. Vorher, neujahrsnachts, nicht schlafen könnend (nicht mal miteinander): “eXistenZ”.

Die Sonne, nie da gewesen, schwindet schon. Erster Erster. Sie küssen (und anfassen) ist wie nicht mehr da Sein. Wie Verschwinden. Verschwinden in uns. Sie hat etwas, das mich verzehrt. Sie isst mich auf. Am dämmrigen Tage Überlegungen, wie wir das weiter machen, ohne zu verschwinden. Beiderseitiger Entschluss: Schreibenschreiben. Am Abend üben wir das in entfernten Zimmern, manchmal ein Miau, einander herbeirufend.

Streicheleinheit.

Auf dem Laptop DVDt Alexander Kluge: “Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit”. Und abends, ich, neben leerem Plus-1-Karten-Sessel im Schloss für KN: u.a. Williams: “Imperial March”.

Kurzum: Ist schon wieder lange her, eine Nudelsuppe, vier Orgasmen. Willkommen zur Schau zuhaus, im di.gi.arium.10.0.

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