schlummer-filet_11

als würde von uns eh nichts übrig bleiben als die silbe, auf die sich am einsamsten stabreimen ließe: zwischen ewigkeit und eintagsfliege. denn allein die möglichkeit der erkenntnis, allein zu sein, ist die hoffnung, eben das nicht zu sein: allein. denn da ist jemand in ihm, der spricht: „du bist allein.“ und also ist da noch wer, mit dem zusammen er von sich in mehrzahl sprechen kann. oder anders gesagt: völliges alleinsein ist nur denkbar im widerspruch des ichs zu einem wir, das folglich existieren muss wie der punkt als element der fläche und die als element des raums und der nur in der zeit. sag’ ich’s schlichter, flüstere, hauche es, dachte er, selbst mit megafon würde man mir sonst nicht lauschen. und es heißt in sieben letzten worten und ganz einfach: „fürchte dich nicht, ich bin bei dir.“ wie jetzt der teich im traum und abendspiegel sagt es zu dem baum, dessen zweige, schwer vom sommerregen sich ihm hinneigen, nur gerade eben noch zu fernnah für den kuss zwischen blattspitze und im abendwehen gekräuselten wellchen. wie es auch sagt das fromme sönnchen, wenn der wipfelritter es sanft mit seinem schattenschwert berührt. wie auch der mond, zu prall für beerdigung, sich in den mund der äste begibt. wie die schwäne hölderlin festspielen und heilignüchtern die hälse beugen. wie ein wunderkerzstern nach reise über einen himmelsquadranten verlischt in dessen zartem saum. wie der horizont sich weitend gähnt, diesen letzten schein zu sich zu nehmen. wie die eintagsfliege – eben dieses leichtgewicht der zeit – die ewigkeit am besten zu wägen und zu schätzen weiß. wie wiederum der eine tag sich genug weiß für einen lebenslauf. wie nicht das schicksal so genannt an die pforte klopft, sondern die tür ganz seicht ins schloss fällt. wie das gleißende licht sich entwirft im schlagschattenjenseits. wie der dichter ging vorbei, ausatmend ein zigarettenwölckchen. wie das wie wird. wie er flüstert lauter, birst besser, krücke krakelnd auf verblichenes papier. wie er zur sonnenfinsternis wird, in der das flüchtige plasma der corona aufscheint. wie ein buch aufgeschlagen, dann aber zugedeckt wird. wie das wort „ich“ sich auflöst im wort „wir“ wie ein salzkristall in lösung geht. wie das wasser, verdampfend, von seiner herkunft weiß wie seiner hinkunft. wie der weg ins gesträuch den dornen ausweicht und sich damit an die blätter schmiegt. wie ein eichhörnchen den stamm hinaufrennt. wie der tau fällt und nicht regenstürzt, wie er gleichgewicht hält und schüchtern am morgen die wiesen netzt. wie eine schnecke aus ihrem gehäuse die fühler streckt in die geborgene gewissheit des antastbar ungewissen. wie also alle leiber, auch die schweren, unsinkbar archimedes’ gesetz folgen. und so denkt er, dass ihm nichts geschehen könne, wenn sich der erste sommertag wie der letzte herbsttag anfühlt wie jetzt, wo er dies gegen die furcht denkt.

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