schlummer-filet (comic.cut.up – 10 min.)

die gerade schon frau oder eben noch mädchen hat ihren sehr alten, 1952 oder so, vw-bus stehen im halte-verbot, allerdings mit platten reifen. zudem geht ein sturzregen nieder. sie greift nach dem wagenheber, lässt ihn jedoch fallen, als ich ihm, wie sie sagt, und das mitten im stürzendsten sommerregen, zwischen die beine greife.

sie wird kein aufhebens machen, außer von meiner heimat, die eine wüste sei, sagt sie, denk’ ich. und von wüsten ließe sie sich nicht antasten, wohl aber, wenn ich, wie sie vermutet, ein paradies sei, regenwäldlerisch, sumpf auch, sprich: ein feuchter untergang. wozu ich zustimme und fasse also ihre wie des wagenhebers schenkel, ohnedies und ungeschlacht von innen.

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apokaschlipse derer im nadelstreif: denn über nacht, so träumte mir, ward plötzlich hereinbrechende katastrophe, dunkelheit eines atomaren blitzes oder sonstiges sintfluten, das über bord kam, monsterwelle, hollywood-mäßiges einstürzen der kulissen, kurz: chaos. darin aufwachend sah er sich inmitten flüchtlings-treks, die zwar paralysiert, aber flanierten an den rändern der zerstobenen schaufenster, dem nachhall des berstend zerklirrens, apocalypso, tropisch, vorbei humpelten.

und er ging entlang, schaute zu beider böden und nahm es wie einen film wahr, stellte sich das vor, wie eine kamera an solcher nur scheinbar unscheinbarkeit zärtlich entlangstriche. streifend mit dem nackten fuß der mädchen auch die brennnesseln, das unkraut, das dort wuchs, unbändige lebendigkeit aus dem spalt drängend, das pflaster aufwerfend wie schorfkruste quillt auf der wunde. und das mauerwerk, wie es wuchs aus der und auf erden, verwinkelt, verdreckt, verwachsen wie geschwür am äußersten rande der straße, aufgereckt. eine vergeblich errichtete kathedrale, eingesunken aus dem himmel in die hier ganz sicht- und spürbare erde. die fuge, die grenze, die sich ihm nun auftat in ihrem bruch, im sturz der ziegelsteine auf das pflaster, die gebirgig den weg versperrten. und wie er stiege darüber, ich, an der verstaubten hand sie, gerippe fast, schwester zumal, botin aus ferner familie, die ihrem bruder nicht mehr traute. es sei denn, er reckte wie sie die alte, runzelige, vom feuer verbrannte, wie einst die mauern, die nun gebrochenen, hand aus der ebene empor. wie wir häuser bauen, steinerne, auf ewigkeit angelegte wohnungen, architekten einer behausung, welche die jüngsten unter uns, die gerade ebenen, aus decken bauen, weichen, wollenen, auf dem balkon eben noch stehender häuser. in welche behausung wir krieger kriechen wie tiere, die wissen, dass obdach nicht nur überleben ist, auch obacht der heimat.

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denn am rand des sandwegs unter der brücke setzen wir uns, sie und ich, er und du. verlobungsgespräch ohne ringe, die sich in unseren taschen nicht finden, es sei denn provisorisch aus papptiertaschentüchern gewunden, die hart sind und spröde geworden von getrocknet abgewischtem. wracks beide, doch zärtlich in einander gestrandet und geschoben. schräglage, tränen, kentern. er schiebt sich mühsam und hechelnd, sie an der hand fassend, durch die gestürzten wände, holzbalken hollywoodesktop heruntergefallen und nun den weg zügelnd gekreuzt.

nach dem kentern kommt das klettern, wie es die maus tut, alt an jahren, jung freilich nach menschenaltern gezählt, aber als ratte, zumal seit einigen tagen von einer geschwulst beschwert, die ihr laufen vom hurtigen ins humpeln verkehrt, sichtlich siech. so ich, wie ich durch diesen urwald zusammengestürztens schleiche. wie in dem film „poseidon“, inferno, wo alles obere zuunterst gekehrt ist, wie revolution zu requiem. sich da durchschlagen und dabei anschließen an gleichgesinnt gerichtete menschen, die vorwärts und nicht vergessen irren, worin uns’re straße besteht beim hungern und beim kacken … wozu es jetzt nur noch zerstörte kammern gibt, vollgeschissen bis zum bakelitrand der bösen brille.

das gruseln aber zugleich bei jedem kuss, den ihre vom staub der ruinen verzückten lippen auf meine blutig zerbissenen setzen. an talkum-shows gedacht, dies palavern in friedenszeiten, den krieg des dialektischen dialogs hegelianisch entfacht. und dann schräg stehend am pissoir, das sich in den eingeweiden der wrackschule noch fand, den strahl aus der leichten hand zielend, dass er noch in den abort ginge und nichts verschüttet würde. in der gefäßverengten kabine daneben, auf selbem flur, einen jack-in-the-box gefunden, springteufel aus der kiste wie auf dem jahrmarkt, in der geisterbahn oder auf dem riesenrad mit ihr in schwindeliger höhe erschauernd. ich setzte mich, sie auf meinen schoß, und der kleider abgebrannt, wie wir waren, ließen wir’s beide gehen, den fluss aus uns in den ölverschmierten fluss unter uns.

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im so brodelnden fluss stau von hausbooten, die sehr langsam ob ihrer messy-masse stadtauswärts rudern, während an den ufern die flüchtenden stadteinwärts pilgern, zerrissene gestalten wie ich: verlust der brille: etwas durch vergesslichkeit liegen lassen, verlieren. nicht mehr scharf sehen können, nur die schattierten gestalten, ihre bewegungen, hurtig. die dichterinnen sprechen wie das apothekenmädchen, das stets so schaut, als hätte gerade ich was zu verbergen. außer kranken venen das, was versprach der freund, der längst tote dichter, solchen weibern zu gnaden, die nurmehr verse hören möchten. oder mich, wenn auf der straße dicht’ ich, alte verse wiederholend, als wären die verzicht.

denn er nun singt aus grab, dass ich mich sollte zieren nicht, doch solcher einen kaffee anzubieten, nimmt er den schnaps dazu und sie ein minerales wasser. sie kommt wohl mit, doch geht danach wieder schnell dahin, wohin sie mich entlässt. ich bin, so sagt sie, der unter ihr verschied, starb, punktum. perdu sei unser hoffen. und gleichwohl erbricht sich mir ihr busen offen in die krasse karibik.

durch gebirge von wracks strömt der fluss. überquert am anderen ufer passagen, in denen über den leer gekauften oder geplünderten marktständen notlicht brennt, erstaunlicherweise schon seit stunden, tagen – jahren? von der punk-planke an land springend ragt vor mir auf die kathedrale. und ich weiß, in die falsche richtung gewandert zu sein. denn mein eigenheimhäuschen habe ich mir mit schrift ausgekleidet. ich liege zwischen zeitungen, echos schweren bleisatzes, die ich zu fetzen zerkleinerte zwischen meinen nageszenen.

niemand versteht meine sprache.

ich bin einsam, seit meine gefährtin verstarb vor einigen minuten. aber noch liegt in meinem gebiss das ewig lebendige. und träumend in meiner behausung, gebettet auf schrift, lausche ich ihrem raunen, der immerwährenden sprache in meinen schlaf. wenn du deine, gewöhnlich den stift führende hand oder die daran finger, die auf den tasten tippen, reichst, wundere dich nicht, dass ich verteidigend in sie beiße, bis blut fließt, das du pflastern musst. ich beiße, wie du immer sagtest, dass man müsse, wenn man spricht, wenn man bleckt und fletscht die lippe über den zähnen, den fängen, raubtierisch, der worte.

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schlaf tropft nieder
aus den sinnen,
lässt verrinnen
tags geklagte lieder.

dunkler samt verhüllt
die lang durchschmerzten wirren,
halftert nun mit traumgeschirren
die not, die mich erfüllt.

von weither zirpt
in schilfes halmen
grausiges zermalmen,
wenn der laute tag verstirbt.

dann trunkenheiten irr’n,
als wenn des tags verdruss
mir einen äthern’ kuss
drückt auf die bleiche stirn.

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