blindes huhn @ kritzel.karaoke

kritzel.karaoke in der hansa48. lese nicht das dafür gecutupte konvolut aus „schlummer-filet“, sondern „blindes huhn“, neulich gewerkt für die greifswalder loge (GUStAV). verschränktverschrägung des textes. versteh ihn selbst nicht immer. und also spaß beim manchmal gekritzelten lesen: der stolpernde (buch-) stab des „der text ist mein hirte“.

— snip! —

blindes huhn

einen korn zu viel gezwitschert, spitzt er nun umso mehr federn, sie aufzulesen und ins erstickende daunenkissen zu stopfen. im vorort ist es soeben zu einem überfall auf die kreissparkasse gekommen. mit darauf folgendem todesfall auf freiem feld, als das mit überhöhter geschwindigkeit fahrende fluchtfahrzeug bei dem versuch, einem entgegenkommenden landwirtschaftlichen nutzfahrzeug auszuweichen, von der schmalen landstraße abkam, sich mehrfach überschlug und auf jenem freien feld kopfüber zu liegen kam. fahrer auf der stelle tot, die übrigen zwei bankräuber zu fuß flüchtig, wahrscheinlich ebenfalls verletzt, wie später gefundene blutspuren nahelegten.

dem drehbuchschreiber ging indes nach solcher exposition die luft aus. erst etwa zu einem viertel beschrieben, steckte das blatt in der verlassenen schreibmaschine, der text brach mitten im satz ab, den man sich dennoch in gedanken vervollständigen konnte, es schien nur das letzte wort zu fehlen, das auf „h“ begann wie sein nachname und „huhn“ lauten musste, denn davor stand „blindes“ und von jenem auf unwirsche weise gefundenen kornfeld war die rede gewesen. zudem lag neben der schreibmaschine des fahnenflüchtigen autors die aufgeschlagene tageszeitung nämlichen datums. mit rotstift markiert waren eine kurze meldung über einen banküberfall vor zwei tagen im nachbarort, samt phantombildern der gesuchten räuber, sowie ein längerer artikel über neuerdings gestiegene unfallzahlen unter singvögeln, die im fluge gegen fensterscheiben geprallt und sich das genick gebrochen hatten. gleich drei davon, einen sperling und zwei drosseln fand man im garten unweit des fensters des arbeitszimmers. direkt unter dessen sims größere mengen ausgestreuten vogelfutters, das nicht den eindruck machte, vom letzten winter zu stammen, sondern offenbar kürzlich ausgelegt worden war. möglicherweise als lockvogel?

apropos: direkt zum zeitpunkt des überfalls auf die kreissparkasse in k., so hatte die kriminalpolizei inzwischen ermittelt, hatte ein anwohner im fünf kilometer entfernten l. zwei nicht nur verdächtige, sondern sogar bereits maskierte männliche personen vor der dortigen commerzbank-filiale entdeckt, und weil ihm „das spanisch vorkam“, wie er später zu protokoll gab, sofort die polizei alarmiert. die war innerhalb von fünf minuten mit vier streifenwagen vor ort, fand die verdächtigen jedoch nicht mehr vor. dennoch verhinderte dieses offensichtliche ablenkungsmanöver, so bewerteten die ermittler im nachhinein die finte, dass man rechtzeitig am ort des wirklich vollzogenen überfalls eintraf, begünstigte also die flucht der täter in k.

die hatte aber, wie der drehbuchschreiber auf seiner viertel seite bereits festgelegt hatte, unglücklich auf dem kornfeld geendet. nur, wohin führte jetzt die flucht der wahrscheinlich verletzten täter, abgesehen von dem bereits tödlich verunfallten? die blutspuren hatten zumindest eine richtung angegeben, doch die fährte war von den eilig eingesetzten spürhunden am zwei kilometer entfernten m.-see verloren worden. indes beschäftigte die örtlichen behörden am abend desselben tages eine neue wendung des falls. aus der samtgemeinde wurde verschiedentlich gemeldet, dass nun auch hühner der geheimnisvollen todesflugseuche der singvögel anheimgefallen waren. in k. wie in l. hatten sich solche, die sonst nur selten fliegen, höchstens flattern, in die scheiben der scheunen gestürzt, wie es schien, beziehungsweise es ein bauer dem herbeigerufenen veterinär sagte, „mit absicht“ und in einer art „blinder wut“. so war es ihm erschienen, als er sich selbst des wild gewordenen federviehs habe erwehren müssen.

insofern war es folgerichtig, dem fragment gebliebenen text des flüchtigen drehbuchautoren das fehlende wort „huhn“ nachzudichten. doch der seltsamkeiten damit nicht genug, die alsbald einen zusammenhang zwischen dem bankraub und dem ungewöhnlichen verhalten der vögel vermuten ließen. eine genauere serologische untersuchung der vermeintlichen blutspuren der flüchtigen bankräuber hatte nämlich ergeben, dass es sich nicht um menschliches, sondern vogelblut handelte. nicht weniger erstaunlich, dass die erkennungsdienstliche untersuchung den bei dem unfall des fluchtfahrzeuges verstorbenen als den drehbuchautoren auswies, der noch vor dem tippen des worts „huhn“ den text abgebrochen hatte, der sich nunmehr als nahezu visionär erwies, mehr noch: womöglich als geständnis vor der tat. ermittlungen in der vogelsache ergaben, dass die in fensterglas sturzfliegenden hühner wie auch schon die in letzter zeit vermehrt verunglückten singvögel allesamt erblindet waren, was ihre zum tode verirrten flugkünste zwar erklärte, die frage nach der seuchenartigen erblindung jedoch unbeantwortet ließ.

die neuerlichen erkenntnisse in der sache des bankraubs, des daran offenbar beteiligten drehbuchautoren h. sowie der geheimnisvollen krankheit unter den vögeln – mitsamt der vor dem fenster des autoren ausgestreuten futters, das sich als vergiftet erwies – machten es für die ermittelnden beamten notwendig, sich näher mit dem nachgelassenen werk des autoren zu beschäftigen. allerdings sind kriminalbeamte nicht unbedingt die sachkundigsten leser schöner literatur, selbst wenn es sich wie im fall des fraglichen unvollendeten manuskripts um eine art „kriminalroman“ gehandelt haben dürfte, verfasst für eine tv-kriminalserie, die der autor bereits häufiger mit drehbüchern, gar nicht mal schlechten, beliefert hatte, wie sich herausstellte. kriminalbeamte haben dennoch einen sinn für geschichten. sie müssen ihn haben, um sich in den täter zu versetzen, gerade auch die vorbereitung der tat – besser: taten, bankraub und vogelvergiftung –, nachvollziehen zu können.

im nun näher untersuchten nachlass des h., dessen anonymität der erzähler mit einverständnis der ermittlungsbehörden nun lüften darf, er hieß harry hahn, zumindest pseudonymisierte er unter solchem namen, fanden sich ganze konvolute mit immer wieder neuen gedichten, die alle den titel „blindes huhn“ trugen. offenbar manisch hatte der autor an diesem thema gearbeitet, es in allen nur erdenklichen formen von ode und sonett bis hin zu freien rhythmen und unverständlichen lautgedichten, wie ein hinzugezogener literaturwissenschaftler konstatierte, variiert. nicht weniger als 13.112 blatt fanden sich in den stoisch mit „b.h.“ plus fortlaufender nummer beschrifeten ordnern. wie auch im keller große mengen des gifts, das man im vogelfutter wie in den daran erblindeten, dann davon wohl auch ausgelöstem sturzkampffliegenden furor verendeten vögeln nachgewiesen hatte.

der zurückgezogen lebende h.h. war also augen- und indizienscheinlich ein psychopath gewesen. unklar blieb nur die motivation zur beteiligung an dem samt ablenkungsmanöver geschickt eingefädelten bankraub, dessen minutiöse planung durch den autor zumal sogar den nun als freitod kenntlichen unfall des fluchtfahrzeugs eingeschlossen hatte. und wo eine geschichte – zumindest in einem entscheidenden detail – unklar bleibt, muss der erzähler derselben, der sich darob nun zu wort meldet, tätig werden. er spannt, bevor er die vier schreibmaschinenseiten des bisherigen textes nicht nur zur seite legt, sondern auch in den papierkorb, während er den schreien der vögel lauscht, die sich seit stunden und in wachsender zahl auf die fensterscheibe seiner stube stürzen, einen neuen, unbefleckten bogen ein. er betätigt dreimal den zeilenvorschub, ist nun bereit, zögert, aber nur kurz und tippt das erste wort dieses noch und neu zu schreibenden textes, dem er mit seinem buchstab wie den vögeln in den lüften, die nicht säen, und der herr ernährt sie doch, ist der

„b-l-i-n-d-e h“

— snap! —

wie schön erst ein text wird, wenn er unverstanden.

turowski liest konsequent prosapredigend aus dem markus-evangelium (wilms einen ROWDYtext von h.c.artmann). markus wird nicht gut gefunden. ich indes find’ das toll, denn aus dem buch der bücher zu zitieren, wendet gegen musik und zeich(n)en das olle „am anfang (wie am ende) war das wort“. auch bisschen bachs „s.d.g.“ – soli deo gloria. das wort und seine feder als feier für die zeichen (und zur wunde text).

die zwei jungs von BALTIC COMIC zeichnen zum „blinden huhn“ dies:

trifft’s nicht ganz, aber ist punk – und daher schonmal gut.

zu turowskis neuem testament hatte einer „barabam!“ gebrüllt. bei mir nur trinken … (und nachher beim rauchen draußen die frage, inwieweit wer nicht möchte auch nicht darf (und vice versa – wie üblich, also dialektisch …))

filme mit. „es sind 106 meilen nach chicago, wir haben genug benzin im tank, ’n halbes päckchen zigaretten, es ist dunkel, und wir tragen sonnenbrillen.“ film kommt hier. kleine gek(r)itzelte collage …

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