Sa, 19.6.10 (So, 20.6.10, 7:08): Sound auch der Schwalben

Den ganzen Tag für KN unterwegs. Mittags das Projekt “Urban Audio” auch hier in der Stadt, am Exer, gleich um die Ecke. Ich soundschreibe wie folgt:

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So klingt eine Kreuzung

Das Projekt “Urban Audio” machte auch Kieler Straßenlärm zu Musik.

Kiel. Wenn der Nürnberger Klangkünstler Florian Tuercke und sein Assistent Christian Weiß, bekleidet mit neonorangenen Straßenarbeiterwesten, an der stark befahrenen Kreuzung von Schützenwall/Knooper Weg und Kronshagener Weg/Ziegelteich ihre acht Stative mit langen Alu-Zylindern und gelben Kugeln aufstellen, wirkt das erstmal nicht (kunst-) verdächtig. Ein Vermessungstrupp, denkt mancher Passant, kundigere tippen auf Lautstärkemessung, womit sie nicht ganz falsch liegen.

Mit dem Projekt “Urban Audio” sind Tuercke und Weiß derzeit auf Deutschlandtour durch alle 16 Landeshauptstädte. Siebente Station war am Sonnabend zur verkehrsreichen Wochenmarktzeit auf dem Exer Kiel. “Urban Audio” nimmt eine Art akustischen Fingerabdruck eines innerstädtischen Raumes, transformiert den Verkehrslärm in einen für jede Kreuzung charakteristischen Klang. Dazu hat Tuercke eigens Instrumente konstruiert. In denen befinden sich Klaviersaiten, gestimmt in den acht Tönen der D-Dur-Tonleiter. “D-Dur wegen D wie Deutschland”, schmunzelt Tuercke. Den Straßenlärm nimmt die gelbe Resonatorkugel auf, konzentriert ihn auf sie Saite, die dann im Takt der vorbei fahrenden Fahrzeuge schwingt. Ein Tonabnehmer verwandelt dies in ein Signal, das per Funk an das Mischpult im Begleitwagen gesandt wird. Dort entsteht eine Art Sinfonie der Kreuzung. Elektronik ist nur zur Verstärkung und Sammlung der Klänge im Spiel, ansonsten hört man den analogen Saitenklang.

Durch die Verteilung der Tonleiter entlang der Kreuzung, auf Verkehrsinseln und Grünstreifen, entsteht, so Tuercke, “ein kompositorischer Raum”. Er begreift das Projekt weniger als Klanginstallation, denn als “Kollateralkomposition, an der jeder vorbeifahrende Autofahrer beteiligt ist, seine ‘Stimme’ einbringt”. An den Kopfhörerstationen des Studio-Fahrzeugs kann man das live mithören: Im Takt der Ampelphasen klingen Schützenwall und Knooper Weg in e-moll, während der Verkehr auf Kronshagener Weg und Ziegelteich nach D-Dur schwenkt. Zudem setzt jedes Fahrzeug, abhängig von Geschwindigkeit, Anfahr- und Bremsverhalten, einen rhythmischen Akzent.

Zum kompositorischen Akt gehört dabei auch, dass sich Tuercke die Landeshauptstadtskreuzungen vorher per GoogleMaps genau anschaut, auslotet, wie die Instrumente aufzustellen sind. Klanglich attraktiv sind für ihn Kreuzungen mit vielen Abbiegerspuren, weil die den Sound der Stadt vielschichtiger machen. Vor Ort wird dann freilich noch experimentiert.

Im Internet werden die so in etwa einer Stunde Aufnahmezeit entstehenden und mit synchronen Filmbildern vom Kreuzungsverkehr illustrierten “Großstadtsymphonien” auf www.urban-audio.org veröffentlicht. Schon jetzt kann man hören, wie Magdeburg musiziert, in etwa zwei Wochen auch, wie Kiel klingt. Passanten konnten sich während der Aufnahme ein Hörbild machen. “Vor allem Kinder sind fasziniert von dem Klang, der aus Geräusch entsteht”, erzählt Tuercke. Vielleicht weil ihr Gehör noch offener ist, als das Projekt unseres für den Klang unserer Kreuzungen erst eröffnet.

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Wo wir schon mal da sind, am Exer, am Wochenmarkt, entdeckt Fotografenkollege F.P. noch eine weitere Story. Und die gilt es gemäß Auftrag der Redaktion (“Schreibt die Geschichten, die ihr findet”) gleich einzugemeinden für unser Brötchen-Blatt. Hier das Treffen der Kieler Schwalben-Fahrer. Wie folgt geschrieben und gelinkt.

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Schwalben auf Kieler-Woche-Ausflug

Ein zwei- bis dreirädriges Oldtimer-Treffen konnte man am Sonnabendmittag auf dem Exer bestaunen. Dort hatten sich Mitglieder des Simson-Stammtischs Kiel versammelt, um mit ihren Mopeds der Marke Simson ihre 3. Kieler-Woche-Ausfahrt zu starten. Schwalbe wird “der Käfer unter den Mopeds” aus der zu DDR-Zeiten in Suhl angesiedelten Motorroller-Schmiede Simson wegen seiner an einen Schwalbenflügel erinnernden Radabdeckung genannt. Und Schwalben sind ebenso wie der Trabbi längst Kult. Auch aus einer gewissen “Ostalgie” heraus, aber vor allem, “weil man daran noch selber herumschrauben kann”, so Gerrit Thomsen, einer der Mitbegründer des seit drei Jahren existierenden Kieler Simson-Stammtischs.

Die Ergebnisse solcher Schraubertreffen waren auch am Exer zu bewundern, etwa ein Schwalben-Duo, ein Dreirad, das einst als Krankenfahrstuhl diente und von den Kieler Simsonikern liebevoll restauriert wurde. Sogar eine Taxi-Variante des Zweisitzers ließ hier seinen charakteristischen Zweitakter-Sound hören.

“Wir sind kein Club oder Verein, bei uns gibt’s keine festen Regeln, es geht locker zu”, ermuntert Thomsen Interessierte, am 5. Juli, 20 Uhr zum monatlichen Simson-Stammtisch im El Paso zu kommen, um mehr über das Kult-Moped zu erfahren. Dank der bundesweit vielen Fans der Schwalbe werden inzwischen sogar wieder Ersatzteile hergestellt, so dass man auch alte Garagenhüter wieder flügge schrauben kann. Fahren kann das bis zu 60 km/h schnelle Moped jeder Inhaber eines Klasse-B-Führerscheins – oder um es im Jargon der Schwalben zu sagen: “Wer im Besitz einer solchen Fahrerlaubnis ist.”

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So gleich zwei Stories im Kasten, abends weiter zum Brass-Band-Konzert in der Petruskirche.

All das nach Mitternachtserschöpfungsschlaf in den Morgenstunden geschrieben. Und Lilly von Schwalben vorgeflügelt. Sie ist ver-rückt genug, mir darin zu folgen.

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