26-3-95, 23:40

jeder tag ist ein tag nach dem tode.

eine schwächliche melancholie hatte sk ergriffen. am mi hatte er heftiger gelitten. wolf war in venezuela durch die scheibe seines autos gegangen und tot geblieben. mit zerschmettertem kiefer. sk hatte der tod des immerhin freundes – ja, das war er, trotz aller iritationen gerade der letzten zeit, ja, gewißlich – erheblich in mitleidenschaft gezogen. wie träumend war er einige tage wund durch die gegend gelaufen. dann hatte sich aber am fr der schmerz einigermaßen gelegt. heute hatte er mit lydie, der nun witwe, gesprochen. das telefon echote leicht. ihre stimme schien von fern zu kommen, aus einer verzweiflung, durch deren etwas abgeschwächte form sk bereits durchgegangen war, jetzt sozusagen rekonvaleszent. in der schrecklichen woche war fast die ganze wg krank gewesen. inge schniefte, isabelle kotzte. nur sk war gesund, körperlich. sein leib schien von all dem unbeeindruckt, atmete viel mehr freier in den ersten tagen des frühlings, eigentlich fast zuversichtlich. die tatsache, daß e im august bei ihm einziehen werde, bzw. er bei ihr, gab ihm halt. am di, am abend, als sie von wolfs tod erfuhren, war sie gekommen. sk litt ziemlich und wohl auch sichtlich. es war wieder dieses gefühl in ihm, daß er sich in ihre arme hätte begeben wollen, jetzt gleich, trost suchend. ziemlich wehleidig, aber ehrlich. nun aber war dies vorbei, er hatte sich halbwegs gefangen. allein es blieb diese melancholie, düstersüß. er gefiel sich, litt eigentlich nicht wahrlich, sondern begriff das jetzt als die im augenblick gemäße form. nach dem letzten so, es war jener erste richtige frühlingstag gewesen, e war dagewesen, sie waren alle vier spazieren gegangen. es war einer der schönsten tage der letzten zeit, nach diesem so also, vermißte er sie heute schmerzlich. er hatte sich auf sie gefreut, fast kindisch. aber sie war ausgeblieben. ganz normal eigentlich. doch er spürte etwas wie sehnsucht, einen klassiker der gefühlsartikel. überlagert war dies noch von der trauer um wolf, aber nur noch leicht. e drängte sich herein in seine gedanken, schmiegte sich eng in ihn. dabei blieb das gefühl seltsam abstrakt. und das war eigentlich das, woran er jetzt litt, die mittelbarkeit allen, was ihn ergriff, bzw sich lediglich einstellte, ungefragt. sein gefühl schien in jeder hinsicht stumpf. er hätte weinen mögen oder irgendetwas dergleichen echtes. zudem wurde in diesen tagen sein scheitern deutlicher. er war am leben. das hatte er gerade durch wolfs tod heftig gespürt. und nicht hätte er mit wolf tauschen wollen. nein, sk wollte leben. aber selbiges, das leben, gebärdete sich unzugänglich, irgendwie flach. keine tiefe konnte erblicken. er bewegte sich an einer oberfläche, die weder erhebungen noch vertiefungen zeigte. umso mehr hoffte er auf e, fruchtlos wohl. es war, als würde er sich selbst entzogen. und da dieser eindruck schon einige zeit angehalten hatte, war er für die am mi heftige trauer fast dankbar gewesen. doch jetzt, diese abstreifend viel zu früh, wollte er liebe, menschen. sk fühlte sich allein. und er war gelassen. er war allein und gelassen.

sk hatte unmengen zigaretten geraucht und schon am nachmittag angefangen zu trinken. ein unintensiver rausch begleitete ihn durch den tagrest. mit i&i hatte er „purple rose of cairo“ gesehen. darin war von der melancholie der verquickung von illusion und realität die rede gewesen. eigentlich war das das thema des films. ungefähr: die illusion verliert ihr illusionäres, ihren beigeschmack von gefährlicher realitätsferne, wenn die realität hoffnungslos ist, oder hoffnungsarm. sk dachte daran, daß hoffnung sowie so immer als illusion stattfindet, vor allem in ihrer radikalen form. daß er e eindeutig und gewiß lieb hatte, war so eine hoffnung, die gut gegen die realität bestehen konnte, weil die realität nicht in der lage war, ihm irgendetwas zu bieten, was ihn hätte aufmerken (und -wachen) lassen. selbst das total reale, daß er wolf nie wiedersehen usw. würde, diese totale endgültigkeit, selbst das fand in einem fernen raunen statt, das ihn eigentlich nicht wirklich (!) erreichte, sondern fern von ihm stattfand. wobei fern ein in diesem zusammenhang schwieriges wort war, weil diese entfernungsbestimmung eigentlich voraussetzte, daß er hätte einen ort angeben können, einen ort des bei sich seins (oder eben auch außer sich), von dem irgendetwas als ent-fernt zu bezeichnen gewesen wäre. diesen ort hatte er nicht. freilich schien er dennoch beruhigt. dieser ort wäre leicht zu bestimmen gewesen, wenn nicht eine trägheit daran hinderte, diese ortsbestimmung vorzunehmen. es hätte mühe gebraucht, die er nicht zu mühen bereit war. warum konnte jetzt mal nicht alles einfach sein. daß zb e jetzt zu ihm käme oder er zu ihr. daß all das, was er hoffen konnte, nicht so weit voraus wäre. es war dieser zwischenzustand, aufgebrochen und nicht angekommen (vielleicht so am blödesten zu bezeichnen), der ihn so abständig von sich selbst machte.

nicht einmal ein ordentlicher rausch wollte sich einstellen. sk erhöhte die dosis.

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