22-4-95, 16:02, Berlin, Café Hardenberg (skizzenbuch)

seit tagen, wochen schreibt sk an jedem halbwegs schönen tag, die himmelblau jetzt häufiger werden, es sei einer der ersten tage des frühlings. nun wirklich um die 20° und frauenmädchen, die erstmals die sommergarderobe ausprobieren. sk sitzt allerdings im café an einem dieser viel zu kleinen bistrotische, eingerahmt von kännchenkaffee und whiskyglas sowie zig-schachteln. der unbedingte wunsch nach etwas rauschhaftem. frauen im rund, weißbeschürzt. beim üblichen besuch in der m.-luther-str. in der peep-show tritt eine schwarze an die fenster, sich räkelnd: „mach’s zu da unten, hier nicht wichsen!“ sk gehorcht erschrocken. eigentlich gut. sie verbittet sich diese form des sie zum objekt machens. gucken ja, wichsen nein. sk nimmt später nach einem döner, einem multivitaminsaft und einem 4cl-wodka (der alkoholiker j.m.) die falsche u-bahn. dann zu fuß über den q-damm. dort die heißgewittrigen. zur hardenbergstr. vorbei am savignyplatz. allgegenwärtig das beruhigende geräusch von anfahrenden s-bahnen. großstadt. am s.-platz gibt’s einen puff. davor rauchen die nutten, bilderbuchhaft aufgetakelt mit neon-bodies. wenn sk geld hätte, würde er sich an diesem sexuellen nachmittag zweifellos auch noch an dieser ausbeutung mal eben beteiligen.

auf der bahnfahrt las sk über stefan hermlin, der heuer 80 geworden ist. der schrieb in einem kasten, er habe jahrelang gedichte geschrieben, ohne je das gefühl zu haben, etwas gültiges geschrieben zu haben. dann habe er mal eins geschrieben, ohne den anspruch, das sei dann plötzlich total gut gewesen. ungefähr so ist dieses aufschreiben hier. null-text mit abgeschmacktem kategorie-automatismus: nutten = ausbeutung. dies immer zusammenzudenken als billige entschuldigung, wo sk sich gar nicht entschuldigen müßte, sondern das einfach bleibenlassen, wofür entschuldigung nötig wäre. allerdings beinhaltet hermlins beobachtung auch, daß man einfach weiterschreiben muß. wenn man’s nicht macht, kommt kein müll heraus, sondern gar nichts mehr. sk sitzt ziemlich genau an dem tisch, an dem ein bit aus merzmonstrum entstanden war, das sich bei späterer durchsicht als recht brauchbar erwiesen hatte. nun einfach schreiben, leicht angeheizt durch den whisky und gute mucke. tatsächlich sitzt sk bohèmig im café und schreibt – in berlin. künstler! könnte sein, daß das jemand bemerkt. hier wahrscheinlich noch nicht mal ungewöhnlich. hier müßte man dann mal 1 lesung machen, so nach 20 jahren.

am vormittag mit joint-nachwirkungen pds-sitzung, die unerwartet kurz war. danach in ausstellung „100 jahre kino“ im gropius-bau. ziemlich öde. sk bekommt kopfschmerzen. zwei aspirin. später wichsen in filmkabine (video-sex), döner, multivit & wodka. sk hat das gefühl von kunst. allein dieses gefühl reicht, ihn zu berufen dazu, denn wer hat das schon wirklich ernsthaft. er ist nicht begabt genug für den großen wurf, aber begabt genug, den mit fortgesetzter arbeit zu machen, so daß er irgendwann einfach so herauspurzelt. sk hat das angenehme gefühl eng beschriebener seiten, die immer mehr werden.

mal eben an e erinnern, bild rausholen und kurz betrachten. sie schön. sk ist angetrunken (nicht be-). er kostet diese situation aus: im café, in berlin, schreibend und irgendwie tragisch mit diesem bild jetzt. überhaupt eine fortgesetzte, zur methode erhobene verzweiflung in allem. verzweifelt, wenn er seinen schwanz packt und die haut vor und zurück schiebt, bis was kommt. verzweifelt die gläser leerend. daß e jetzt in amerika grad’ ist, hat etwas beruhigendes. sie ist absehbar lange weit weg. sk braucht sich nicht zu kümmern, kann sie ausschließlich im herzen bewegen, hin & her (auf & ab). die wg-bewohner, wo er nächtigte, fickten leider nicht, diese nacht. geräuscherahnung davon lediglich noch im eingesogenen thc-rausch. mit r könnte sich ein fickbündnis entwickeln, eine abmachung der körper, aneinander verzweifelten spaß zu haben, in jeglicher ermangelung von endgültigem und einer seiltänzerischen befestigung eines übergangs. insofern konsequenzlos gedacht und daher angenehm schön. r’s begierde nach einem leib und sk’s dazu, dem einstimmend. das alte vertrauen macht’s dann erträglich – man schläft nicht mit irgendwem. alles frei von bestürzung. sk denkt auch viel an e. die verzweiflung, sich darin gemütlich einrichten, in der fortdauernden arbeitsüberlastung, in die dann unerwartet nachmittage wie dieser hier treten, wo plötzlich stunden wie ein berg dasind, weglos und unnutzbar. eben bezahlt sk. der mißtrauisch-ehrfürchtige blick der kellnerin auf seine beschriebenen seiten. entsteht hier ein roman? noch einen moment sitzen, schauen.

dann wird sich sk aufmachen. irgendwo noch ’ne wurst oder pommes reinschieben – in mutjer verzweiflung. und e lieben und mit r schlafen wollen.

16:47

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1 Antwort zu 22-4-95, 16:02, Berlin, Café Hardenberg (skizzenbuch)

  1. Atsi Niloiv sagt:

    Komm, Entar! Alko, hol mir noch ein Bier!

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