Sa, 7.8.10 (Mo, 9.8.10, 2:15): Zwischendämmerung

Narkolepsie bis abends. Dann hastig auf und zum KN-SHMF-Termin geeilt. Mal (wieder) hier hingedämmert:

— snip! —

Stockholm Chamber Brass: Feinfühliges Blech

Rammsee. Blechbläserquintette haben es schwer. Kaum ein Komponist hat für sie geschrieben, meist sind sie auf Arrangements angewiesen. Das Stockholm Chamber Brass Quintett hingegen brachte in der Winkelscheune des Freilichtmuseums gleich zwei und zudem zeitgenössische Originalwerke zu Gehör.

Witold Lutoslawskis „Mini-Ouvertüre“ ist zwar nur drei Minuten kurz, verlangt Urban Agnas, Jeroen Berwaerts (beide Trompete), Jonas Bylund (Posaune) Annamia Larsson (Horn) und Lennart Nord (Tuba) allerdings gleich zu Beginn technisch einiges ab. In kecken Staccati und dunkel surrenden Tiefen führt Lutoslawski das Blech nicht nur durch den gesamten Tonumfang, sondern auch durch ein Klangfarben-Universum en miniature. Ebenso beeindruckend zaubert der Este Eino Tamberg in seiner Auftragskomposition „Music for Five, op. 86“ mit dem Klangkörper der Schweden. Hier stocken die Staccati immer wieder bewusst bebend, tasten sich durch Klangzitate wie zerstiebende Fanfaren und zerfetzte Läufe. Wenn auch keine Programmmusik, so zeichnet Tamberg doch die labile politische Situation seines Landes kurz nach der Unabhängigkeit vom Riesen Russland. Hoffnungsvoll aufkeimende Kantilenen wechseln mit düsternen Vor- und Rückahnungen. Ähnlich hätte wohl Schostakowitsch für das schwermütige Metall komponiert.

Kongenial sind auch Urban Agnas’ Bearbeitungen von vier „Préludes“ aus Chopins „Opus 28“. Die wechselhaften Leidenschaften des Seelenmagiers auf den Tasten gewinnen in ihrer Blechvariante neue feinfühlige Dimensionen. Die „Militär-Polonaise, op. 40/1“ erscheint sogar als von Chopin mutmaßlich für Blechbläser geschrieben, so knackig katapultieren hier die Fanfarenmotive – und leiten über zum tänzerischen Geist der fünf Schweden. Tielman Susatos Tänze aus der Sammlung „Danserye“ sind instrumental nicht gebunden und lassen das Blech auf angestammtem Feld so spielerisch wirken, wie es in Telemanns „Triosonate a-moll“ und Jean-Philippe Rameaus Ballettmusik „Dardanus“ seine galanten Qualitäten entfalten darf. Gekrönt von einem reich beklatschten Sahnehäubchen: Auch Jacques Brels Chansons machen im Messingglanz geblasen eine ebenso einfühlsame wie passend zum eigenwilligen Stil des Belgiers atemlos leidenschaftliche Figur.

— snap! —

In der Pause von der Drathenhof-Gastronomie gebrühte Krakauer (passend zum Polen-Schwerpunkt des SHMF) eingeschleußt, die mir hernach schwer(mütig) im Magen liegt. Mit Bus voller Disco-Girlies zurück ins Schreib-Biwak. Dort ermattet hingesunken. Bis es wieder hell wird, zwischengedämmert, vom Dämmstoff Brühwurst immer noch aufstoßend. Begriff von früher, Großeltern: „schlimme Augenwurst“ (da fettaugig „wehrsam“). Mache eine „atemlos leidenschaftliche Figur“. Tss, was für große Worte nur wegen einer Wurst.

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