kabbalat schabbat

„es sind noch lieder zu singen jenseits der menschen“ (paul celan)

der letzte morgen beginnt, wenn wir in der nacht davor den blauen vom grauen wollfaden nicht mehr unterscheiden können, so sagt die schrift. wenn wir das schwarze des buchgestäbes unserer schrift nicht mehr vom jungfernweiß des papiers zu scheiden wissen. wenn wir heben das brot wie den wein, um zu trinken und zu essen. und wenn wir zünden zwei kerzen, die sichtbar wie die ersten zwei sterne im himmel sind, auf die wir unser sehnen richten. der erste morgen nach der schöpfung, den wir wie gott verschlafen, ermattete des siebenten tages, an jedem morgen bereits davor. wo wir brachen den laib des brotes, tranken das blut des weines wie einer von uns, prophet und bach, „singet dem herrn ein neues lied“, da greif’ ich mir den lichtton wie salomon tat und könig david vor den mauern, jerusalems tor zu öffnen. ich war der goi, der eure sprache nicht verstand, aber sang mit euch die psalmen, verbarg seine augen wie ihr vor der „schwarzen milch der frühe“, die ich, verführt, schon nachts trank und trinke als deutscher im gedächtnis der fahrpläne an jedem der folgenden abende. mittags zu trinken, hölderlins turm zuprostend. lieber es stammeln als das vokabular zu lallen. und ich worte aus der schrift, die so steht, wenn sich der vorhang öffnet vor ihr in moshes gedächtnis, gemeißelt, und bin das goldene im kalb, im lämmlein, das sich mir geopfert. der text ist mein hirte, mir wird nichts mangeln.

(für julija)

Dieser Beitrag wurde unter wie ich ein jud’ wurd’ veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.