10-9-95, 1:05 (thc)

skizzensätze für wdl:

– es wird von selbst gehen, einschlafen tut man ja schließlich auch von selbst.

– nicht daß er mehr unter der arbeit litt, es war vielmehr so, daß er sie tat, tonlos, wie eine maschine die arbeit tut, gefühllos und mit hoher präzision.

– die revolution unter roten laternen im tanzpalast.

– bei der einweihungsparty des büros sangen sie plötzlich die internationale. und schien orje auch ausschließlich gefühllos, so staunten wir, wie sein mund ging bei diesem lied und was seine augen verschloß, wie einer, den der schlag trifft.

– natürlich arbeitete er noch nachts. wir wußten, daß er nicht einfach herumlag. er schrieb, anfallsweise und ohne daß wir es wissen sollten. tags l[o/a]g er faul im bett und spielte apathie mit uns. da durfte niemand etwas sagen. doch nachts füllte sich das speichermedium. wir wußten das, aber orje wußte nicht, daß wir das wußten, es sei denn, er schrieb davon.

– was er sich von ihr erhoffte, war wie die revolution: es würde entweder noch sehr lange dauern, bis, oder es würde nie eintreten.

– orjes ernst wirkte monströs, schien aber gleichwohl notwendig. daß er nicht litt, war das beunruhigendste daran.

– aber sag hinterher nicht, ich hätte das nicht aufgeschrieben, bevor es noch geschehen konnte. denn ich wußte, daß nur das erzählte dem beikommen konnte und dagegen aufstehen, gegen das zu erzählende, das tägliche ablesen der maxima- und minimatemperaturen seines fiebers.

– und wenn du damit ein problem hast, dann sag es, sagte sie ihm. orje aber schrieb dadurch hindurch, denn er konnte’s nicht sagen. das problem (be-) stand also im geschriebenen.

– aber sag dann hinterher nicht, wir hätten deiner nicht geharrt und gewartet und gewarnt.

– sing auch nicht zu leise, sonst hört man dich nicht, worauf er errötend verstummte.

– die tatsache, daß er offenbar genau darüber schrieb, machte die sache so schwierig. dabei hätte die revolution durchaus auch ohne ihn stattfinden können, jedenfalls die revolution, an die er glaubte wie das amen an die kirche. die würde automatisch kommen, von selbst – oder würde nie sein. diese einschätzung hatte immerhin etwas beruhigendes.

– „komm, o, süßer trost“, schrieb er auf ein zigarettenpapier, das lag monatelang in der küche herum.

– ich aber sage euch und sprach wie gedrückt in ein krummes faß mit schöner maserung und plastikdeckeln, die von beiden seiten her brennen wie in einer typischen dope-fantasie so bunt und so mit hintergrund vor der schrift.

– und war er dann willig, so brauchte er gewalt, die er mit einer derartigen planmäßigkeit an sich vollzog. er köpfte damit die lilien, die für den besuch bestimmt waren, die aber nach nichts rochen und unten rum so pelzig waren.

– sagte er etwas dárüber oder etwas darüber, das war nicht so klar, zumal er genau damit spielte, daß man das durch andere betonung vorsätzlich mißverstehen konnte, wenn man darüber stand und darüber schrieb.

– mein gott, ja, das konnte ihm alles nichts, wenn sich da ungefragt jemand auf dem sofa balgte. not for you. und mit gewaltmarschschritt schritt er schritt nach schritt zu sich, um dort in die tasten zu heulen wie ein schloßhund ins schloß uriniert, weil das senkrecht steht über ihm.

– wenn er heimkam, immer spät natürlich, so spät, daß es richtig spät war, auch im landläufigen sinne und in jedem fall zu spät, kam er ins heim. wo damals, wenn er ins heim kam und endlich nachhause in die fette fresse mit ’nem tritt. ab ins bett, du alte sau. sonst gefriert dir das rückenmark, bevor dir das grundeis im arsch kocht. ja sowas sagte er. und das war ja durchaus intelligent bei aller unterdrückung.

– die briefmarkenablöser von bethel: denen konnte’s auch nicht besser gehen. allenfalls daß sie nicht soffen, sondern nur heimlich fickten, wenn sich eine gelegenheit ergab.

– und dann kam’s mir in dem sinn. zwei rechts, eins links. schrittelweise wie ein hahnentritt aus dem eiweiß, dem erhärteten gepolkt wird, mit dem salzigen löffel am sonntagmorgen, wenn wir einander eier kochten.

– red doch nicht so ’ne scheiße, flippte er aus. schiß aber drauf, auch wenn man’s zurücknahm, selbst mit einer einmalpappschaufel. er war es schließlich, der sich nach verrichtetem geschäft wegwarf.

– auch genoß er offenbar diese atmosphäre oder wie auch immer zum schreiben, was er jetzt beides nicht mehr tat. die tür hatte offengestanden, man hatte das klicken der tastatur gehört, und in der küche hörte er den fernseher. violett buk kuchen unter schweren monatsschmerzen aber dennoch sehr tapfer. so wollte’s orje haben. denn er schrieb immer etwa fünfzehn minuten voraus. im voraus etwa elf.

– sang- und klanglos glitten sie dahin, als plötzlich der gespielte glatzkopf mit seinem verschissenen und ausgefederten hosenstahl hereinkam. mann, hatte der wohl stroh vor der hütte und getreide im schober und ordentlich weiße silage im mund der möse. ohje, herrjeminé, feixte da orje in den zeilenlauf. es war getrennt. aber noch immer schrieb er artig mit (wie wir später lasen).

+ diesen text aber, diesen hier, genau diesen, dürfe er ihr nicht zeigen, sagte sie noch an die vom sommer voll warmen ziegel des dachbodens gelehnt, auf dessen boden er gerade schäumend hingeschossen hatte. das aber durfte sie nicht sehen, nicht den text, in dem sie z.b. wiedergefunden hätte, daß sie tatsächlich deren stöhnen mal gehört hatte, als sie auf dem weg zum dachboden zum wäschehängen darum direkt kehrt gemacht hatte, was orje gehört hatte mittendrin im herniederkommen. einer der abtaucht, dem das in die ohrmuschel dringende wasser eigentlich alles taub macht, der das aber gerade noch hört, entgegen allen physikalischen gesetzen der schallausbreitung.

+ für den ertrinkenden war das überhaupt nicht gut, daß sie ihm durch die glasscheibe des sich schnell mit wasser füllenden gefängnisses mit spiegelverglasung dabei zusahen, wie er zuerst nach luft rang, dann blasen aus der fluppe kamen, dann er um sich schlug und kratzte am scheibensaum wie so’n kretin, der nicht weiß, daß ihm gleich das licht ausgeht und die lunge ’ne ordentliche spülung kriegt, damit von der scheiße, die er geredet hat, auch jeder rückstand weggespült werde.

+ erzähl mir aber keine von liebe und mund und arsch und leben. und wenn ich darauf assoziiere, bachwerkeverzeichnis einhundertundsiebenundvierzig, dann halte sie das maul, wenn sie das nicht versteht, mir, orje, das maul zu, bis blasen rauskommen oder blutiger teer oder sonst ein siff oder sott oder was.

– mit all dem schotter hatte er sich behängt: am rhein lang, die kilometersteine vor der lunse. kohlestückchen gesammelt aus einem loch im zaun. eierbricketts, dann mit ihr, damals, heim, was gekocht und danach geknarrt und mitten auf die matratze die suppe gegossen. abwaschen morgen, gell? fragte sie und lehnte sich so zurück, daß ihm schwindelig wurde.

+ einmal nur habe er sie ermorden wollen, hätte sie im schwimmbad unter wasser gedrückt oder wär’ einfach vom dreier mit ’nem köpper auf sie drauf, als sie gerade unten ihre schwimmbahnen zog. halt’s maul, wär’ das gewesen, und eine irre portion mut gehörte auch dazu. du bist mein, ich bin dein, kein andrer drin wohnen, halt’s heim rein. ins heim rein mit schweren stößen und mit einem mut, daß es sich gewaschen hatte hinterher zwischen den kniekehlen. da saß seine zunge locker, lockerer noch als sein finger auf den tasten. und dann sog er dran. sie aber schrie und spritzte sich was ein ins adergelaß.

– das leben, dachte orje und posaunte auch damit rum, sei auch so ’ne art fotze, sagte er, immer drum rum und mit einem male haste sie vor der fresse und bist die ganze zeit nur am zungeschwenken wie beim reden. violett tippte sich mit der lippe an die innenseite des vorderen zähnekamms und der stirn, als er die tore weit machte und über den zaun kam. mit ’ner leiter, obwohl der doch nur ein paar dezimeter hoch war.

+ seine gosche flog auf und zu, so wie sie im nebenzimmer auf und ab. der zimmerer zimmerte, der kupferer kupferte, und der springer sprang. er meinte nämlich, er könne fliegen. das war ein irrtum, wie alle seine goschenhauer und der mut über den verlorenen groschen. dideldidellütt sprach er auf ihre knospe runter, die sich ihm rot entgegenbog, ihm, dem immer noch sprechenden, dem nie sprachlosen mit der nippeligen zunge. das war echt voll merkwürdig, sagte violett vertraulich, ihm mitten ins gesicht, einen schuß farbe oder gewürz in den würztrunk noch hinein.

+ bist du überhaupt in der lage, das zu verstehen? ja, sagte sie, oben auf dem boden, und kehrte ihr unterstes zu oberst, daß orje reinspreche wie in ein electret microphone.

– sang ich zu laut? ich könnte kirchen damit füllen. und alles in dir, was schleimig ist, verzehren wie ein rohes ei.

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