explicit lyrix

(14 sonette in zwei septetten. ögyr, ??????? 1995)

1. septett

ich scheide hin(ein)

das scheiden der genossin mir hinein
in tiefes fleisch geschossen sog ich dran,
was zwischen meine lippen kam, ein schrei’n
nach mehr und mehr davon, das drüber rann.

ein saft floß durch mich, seine züngelein
wie flammend zucker, süßem grund entgegen,
ein saft aus blütenstand gezapft, mit bein
an bein gelegt und eingekrümmten zehen.

so lag’s mir drinnen, leicht wie blei und gold
zugleich, bezirzt von einem augenschlag,
der luft in lust erschüttert: leises wehen

mir hinein ins weit eröffnet sehen,
die augen groß wie mund zum schrei – so lag
ich dem genossen und dem trunkenbold.

wiesen & weisen

zieh nochmal dran, genossin, schönen fährten
folge, rund das lippchenloch. und dann
führ ich dich durch die abgefahrnsten gärten,
bis fußermüdet ich’s nicht länger kann.

auch du wirst matt und mürb herniedersinken,
denn als wir lagen dort im gras, begann
ich also hier dorthin gestürzt zu blinken.
war rot mein mützchen, wie gezwergtem mann.

schräg das nasenbein gebrochen steht
im in dich eingegrabenen gesicht,
wo weich du hatt’st dich trunken ausgelassen,

drüber ganz und gar ergossen – leg
dich nur hinein, bis biegt und nicht zerbricht,
was dir ich wollt’ geschenk allein dir lassen.

gras & gas

gut! im gras, da woll’n wir dann auch liegen,
die augen aufrecht, stangen in den himmel
wie aus stahl, das lid an rost und ziegeln
wundgestoßen wie ’nen knabenpimmel.

gut! wir werden’s tun: meist verschwiegen,
manchmal laut, weil blütenstengel krachen,
wenn wir uns drauf so peu à peu (po an po) verlieben
und drüber streu’n wie salz ein helles lachen.

gut, daß ich mit dir dann solche sachen,
die unsre hälmchen unter unsrer last
zerbrechen lassen, werde also machen.

gut, sag ich. doch bitte hab’ erbarmen
mit jenem gras, das grün in uns zu gast
grad jenes webt, womit wir uns umgarnen.

maler hugo spricht

die farbe strichst du weiß und ohne mühe
lang gearmt ans helle deckenlicht.
daß mir das blumenfleisch verblühe,
hielt mich im zaum ich und die münder dicht.

du weißt es wohl, woran es mir gebricht,
wonach mir stehet alles tropfend winseln.
und wenn es – hmhm! – dann dort noch plappt und spricht,
steht auch zu berg das borstenhaar den pinseln.

so fest steht es, wie borkig blutgerinseln
rot die farb der unschuld einbeschrieben,
nicht weiß wie wir die gitterwände nannten.

ins töpflein noch einmal mit mächtgen hieben
taucht’ ich den stift, dem alle minen brannten
von wortverdrechselt und verwaistem lieben.

knüppel aus dem dreck & karre in den sack

liebchen, sag mir nicht von eisesstarre
und kollisionen dort im frühsten morgenschein,
denn wir zusammen könnten jene karre
ziehn in den leimverdickten dreck hinein.

und seh ich auf dein lang bejeanstes bein,
weiß ich, daß jenes geht, wohin es will.
tritt fort den bunten ball dem schönen schein
und schlachtet mit den schneiden jene still,

die röter als die kirsch und auch die beeren
färben lippen mit besextem thrill,
in der lauten absicht zu vermehren,

was als eis das wortgewürfel formt,
im schwarzen schierlingstrank wie tot begehren,
was jedes wahrlich liebchen ehrlich zornt.

schwarze scham

logst du also dir ein zartes schwarz
ins haargeschürze über augenpracht,
sprach ich von wahrer leidenschaft, und ward’s
auch nur ein echo dort im schwarzen schacht

zwischen tempelsäulen, wo es kracht,
wenn priester brunstgeschüttelt ihr gebet
grad den gebeinen drunter dargebracht,
wo ein lustig schwarzes kraut sich webt.

du nicht, doch ich zumindest bin’s, der schwebt
im siebten sag’umwobnen himmelszelt,
wo’s sich so selig eingeschüchtert lebt,

wenn man die wahrheit sagt und auch für geld
den tag hat lieblos trocken hingebracht
und sich so jede liebeslust verstellt.

hahn solo

stirb nicht, genossin meiner sterngeschwängert
nächte! leb und sorge nicht dich, nein!
was meinen langen hahn mit ei verlängert,
brichst du mir in mein armes hirn hinein.

ja, ich will dir also das verzeihn,
was du mir angerichtet meinem wahn
in meinem grübelnd blonden köpfelein.
du lenkest meine wirr verwirrte bahn

ins dunkeldüster schwarze nachtverzücken.
und nagt an meinem stamm nicht nur dein zahn,
so sei’n verdammt all jene schnabelkrücken,

die hornverhautet sich allweil bestücken
wie mit neuen planken einen kahn,
der segelt durch des hades schründe tücken.

2. septett

bruder schlafend

komm herein, mein bruder allweil schlafend!
wie du verschlangest, was ich emsig ruderte,
so du hast verdammt mich, der ich schlafend
willig, aber nicht bereit. ich luderte

mit gemach und dem gekrächz am abend
eilig zugetan. du legtest mich,
der ich bewachte mit gewalt erwachend
auch mein wachen. du wecktest mich.

du willst mich schlachten wie der tod den schlaf,
so wie er in jenen schlaf sich schlich.
du wollest mich erfreuen mit dem salz,

das würzet mit dem tränenfallen mich,
der ich mich fand geheim in leerer balz
und ausgeschornen felles wie ein schaf.

roter bund

bis wirklich nichts mehr übrig, so weit kleine
dich. wirf alles, was du willst, zur wand,
zerschelle deine gläser. auch die beine
laß im tritt zerschinden. bis am rand

du schaust ins glas, erwartend deinen brand
vom feuer angefacht, das du gegossen
hast in deine fahlen eingeweide.
das hättest du nunmehr mit mut beschlossen,

so sag es laut. doch dann, ja dann bescheide
dich und wechsle gleich, sofort das land.
lauf fort in stiefeln, barem hemd, mit schritten

weit ausgeholt. die kugeln eingeschossen
in den fuß bemerke nicht. beritten
ziehst du ein, am kopf ein rotes band.

ruhm dem blühenden!

was ist es wirklich, was ist was, wie denkst
du das dir eigentlich? es stand wohl früher,
ich weiß nicht mehr, wohl wo, doch du verrenkst
es, du verengst es, hin zu jenem blüher,

der nicht wußte, was ihm blüht, beschenkst
ihn noch mit solcher traube scharfer frucht
und weißt noch nicht mal, wie du jenen lenkst,
der sucht in dir das ruder zu der flucht.

was soll das, frag ich dich, was soll das werden?
warum soll grad ich von dir das erben?
und wo soll ich es hin und her bewenden?

sagst du mir das, werd’ ich auch das beenden,
werd’ mit artiger gebärde tun,
was du gewollt – als sei allein dir ruhm!

aufgetragen in der nacht

du weißt es wohl, was ich verzichte, wenn
ich zichte rauch nach zichte und verrichte,
was du mir aufgetragen in der nacht.
du mußt es wissen in den nächten, denn

du weißt, daß ich nach jeglichem verrichten
beginn’ zu trinken und voll suff zu dichten,
wie ein jeglicher, der tröstet sich
nun selbst und ist gefangen in dem schacht.

es ist der schlot, der mich in schwarz beschlich,
der mich umfangen, dunklicht angeschwärzt.
es ist der schlot, nicht wahr, die alt’ geschichte

von der enggeschnürten brüste not.
die drängt in tintenflecken heimatwärts.
ich schreib’ dies sehnen nicht mehr schwarz, nein rot.

pfirsichgarten

du warst empfindlich wie ein pfirsichfleisch,
und ich zerbiß mich an den bitterkernen.
bis blutend, biß ich fest hinein – so bleich!
die wunden ließen sich nicht mehr entfernen.

das laub lag eng in deinem pfirsichgarten.
nur abgenagtes fleisch war noch zu ernten.
der rechen war zerbrochen, nichts zu warten,
kein feuer lohte, sich daran zu wärmen.

so ging ich hin und aß davon mit gier.
ich schnitt in mich mit messers lust die scharten
und ebenso in jedes kranke tier.

den leib zerstückt trank ich den rest von mir,
erbrach es dann ins laub in deinem garten.
die kerne aber häufte ich zur zier.

abendende

wie du kamst herein, ins heim, zerschrunden:
legtest nicht dich, sondern gleich den stift
gezogen wie’s gewehr bei hand, sekunden
ausgefeilt und wohl genutzt. so trifft

das geschoß dich mitten in dein herz,
das selbst du ausgefeuert in die runden
des umlaufs, den es wie am schnürchen fährt.
es kreist und kreist zum artigen bekunden,

daß du noch da bist, räudig und verkehrt
zwar, doch immer noch entgegenwärtig
wie einer, der vor lieb’ nicht schlafen mag.

des’ aufgerissnes maul und hand ein schwert
verziert mit blutsgetropf, macht endlich fertig,
daß ihn zuend dann treffe auch der schlag.

fleisches frust

ich bin schnitzel, kotlett, currywurst,
mit ketchup oben drauf und unten majo.
die fließt mir raus, drum schieb ich einen durst
nach mehr und mehr leid, vielmehr leib und ego.

so schreit‘s im stück und billiger pro kilo,
die knochen ausgelöst mit beiles schneiden.
vom harz hab ich ein kunterbuntes halo
und leg dann los mit bleistift und mit kreiden.

tief steh ich drin, in deiner schuldenlast.
du hast nichts mehr davon, ich hab es all
genommen in mein lechzes heiseratmen.

was kommt heraus, das kannst du nimmer raten.
es knallt herein so knall auf zeilenfall.
zuhaus, das ist nicht mehr: sei darum gast.

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