Mi, 26.5.10 (Do, 27.5.10, 4:35): Flugschrift

Überraschende Mail am Nachmittag, dass die 1992 vom AutorInnenkollektiv J.M., W.W., P.L. und G.N. verfasste “Flugschrift Naturwissenschaft als Herrschaft” offenbar noch immer in der Welt kursiert und sogar gelesen wird. 18 Jahre nach ihrem Entstehen. P.L. hat eine Anfrage von einem Arbeitskreis “Kritische Physik” an der TU Berlin erhalten, der sich auf die Flugschrift bezieht. Selbst voller Verwunderung darüber mailt sie das gleich weiter (nach Jahren mal wieder was voneinander gehört).

Wie sind die Studis und Promovierenden des Arbeitskreises wohl an die Flugschrift gekommen? W.L. (ehemals W.W.) findet sie sogar bei Amazon, dort allerdings nicht lieferbar, wohl aber in einem Worpsweder Antiquariat, für 32 Euro.

Hab’ selbst gar kein aktuelles Exemplar mehr, nur ein zerfleddertes und mit zahllosen Zetteln vollgestopftes Exemplar der ersten Version von 1991.

Und vor allem die Dateien, vermutlich verschollen. Die Berliner wollen das Teil daher einscannen. Schaue aber dennoch mal in einer verstaubten Box mit alten Disketten (3,5 Zoll, 1,6 MB Speicherkapazität, Steinzeit). Und da finden sich tatsächlich welche, wo “Flugschrift” drauf steht. Hatte damals vier Backups gemacht, der Sicherheit halber. Was sich gelohnt hat, eine von den vier Disks ist noch lesbar, wenn auch eine Datei darauf kaputt zu sein scheint. Sofort auf die Festplatte kopiert – und ans AutorInnenkollektiv versandt.

Bin plötzlich zittrig aufgeregt von dieser Wiederentdeckung – und dass sie sich noch wieder ins digitale Leben zurückholen lässt. Schon P.L. fragte in ihrer ersten Mail aber, inwieweit das alles noch aktuell für uns AutorInnen ist. Sind wir noch so drauf wie vor 18 Jahren? Haben wir das in der Flugschrift Geforderte für uns wenigstens umgesetzt?

Finde dies im di.gi.arium von 2000, wo ich darüber schon mal nachdachte – damals als Schreibknecht für ein Wirtschaftsmagazin (also für “die Bösen”).

Stimmt noch.

Dann in Aktionismus verfallen, um aus den damals in LaTeX geschriebenen Dateien wieder lesbaren Text, ein PDF zu machen. LaTeX auf dem Mac installiert, von dem die ollen Dateien aber nur noch partiell kompiliert werden. Die LaTex-Standards haben sich eben in 18 Jahren auch verändert, manche alten Script-Befehle werden nicht mehr übersetzt. Nach endlosem Rumprobieren zaubert das Mac-LaTex dann aber doch ein PDF aus dem prähistorischen Datenwust. Und da steht es plötzlich wieder auf dem Schirm, das alte Layout (leicht verändert wegen anderen Umbruchs), in der Schrift von damals, dieser amerikanisch anmutenden alten Times (geTeXte Dokumente erkennt man immer noch gleich an der Anmutung des Schriftbilds).

Nun muss man nur noch bisschen an den Dateien basteln, um sie möglichst nahe an das Layout von damals heranzubringen. Und das z.T. verlustig gegangene (kaputte Einzeldatei) Einleitungskapitel dann vielleicht doch einscannen. Oder Abtippen.

Und dann ist sie wieder in der Welt. Soll dann ins Netz gestellt werden.

Währenddessen mit Lilly gechattet, die am Text über Malmsheimer bastelt – mit einer bewundernswerten Akribie. Ihre erfrischenden Ideen und Fundstücke, die sie schickt. Nachdenken über Sprache und ihre vorgefertigten Muster, die auch das Denken bestimmen. Passt zur Flugschrift. Insofern – immer noch an Fragen solcher Natur dran.

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