Di, 19.10.10 (Mi, 20.10.10, 4:43): Einsam, wütend, schlau, kalt

Tag des Hiphop, seiner Dissidenz. Nachmittags Telefoninterview mit Dendemann. Noch zu verschriften, weil vorher noch dies zu machen war: Vorbericht zu Prinz Pi. „Kalt“, also aus Pressematerial und Netz-Recherche.

Bei beiden die zunächst Pose der Dissidenz, die sich verselbstständigte und also von der Pose zur Poesie wurde. Gemeinsames Gefühl der Einsamkeit, Wut und der diese beiden konstituierenden Schlauheit.

Dass man einfach nicht dumm sein kann, obwohl man sich dumm wohler fühlte, gemeinsam, feiernd, doof. Aber weil man so nunmal nicht ist, ist die Folge der berserkerhafte Arbeitswille, dies dauernd Gegenan, auch gegen sich selbst. Nebst den Arbeitsnächten, enerviert, denen die Trübe der Morgen folgt. Wo man wieder raus muss in das, in dem man nachts zuvor doch schon nicht nur drin, sondern auch auf den Grund gegangen war.

Daraus (und aus anderem) folgen dann solche Texte:

— snip! —

Einsam, wütend und schlau

Prinz Pi rappt am Freitag die Pumpe.

Kiel. „Prinz Pi sein Blog“ (prinzpi.biz), 18. Oktober: „Liebe Junx und Mädelz, Sorry für die lange Funkstille! Aber derzeit geht es extrem hektisch zu in Berlin-Kreuzberg! Das neue Album, an dem ich mit Biztram seit über einem Jahr arbeite, ist so gut wie fertig, und wir legen noch den letzten Schliff an.“ Nachricht aus dem 16-Stunden-All(nacht)tag eines Nerds, eines Fulltime-Künstlers, der neben Rapper auch noch Grafik-Designer ist, der inzwischen für fast jedes Cover der Kollegen aus der Berliner Royalbunker-Szene das kongeniale Artwork liefert.

Und gerade an einem neuen seiner fast im Jahrestakt erscheinenden Alben bastelt – wohlgemerkt: während er auf Tour ist, im Gepäck die Styles der 2009 erschienenen „Teenage Mutant Horror Show“ und auch schon die neuen Tracks. Wenn Beat-Mixer Biztram denn Schritt halten kann, was Pi’s Blog leise bezweifelt: „Damit das Meisterwerk aber nicht so verkackt ist wie diese Mona Lisa, bei der man nicht genau weiß, ob sie nun hübsch ist oder nicht, und alle sich nur einig sind – ’das muss ein Meisterwerk sein’ – also damit das NICHT so ist, machen wir halt den Detailschliff. So Gott will – und vor allem Biztram! – kommt das Album noch Ende des Jahres. Und es ist – naja, das muss man schon so sagen, wirklich was ganz feines geworden.“

Man liest: Das „Pi“ in seinem Namen, das mal „Porno“ hieß, steht eigentlich für Perfektion. Oder auch für Produktionsmaximalismus, denn eine 2004 selbstverordnete Zwangspause, um sich mehr seinem Grafik-Design-Studium zu widmen, hielt Pi gerade mal vier Monate durch, da war schon wieder ein neues Album rausgerotzt. Der Rapper, der sich um die Gangsta-Attitüden seiner Berliner Aggro-Kommilitonen genauso wenig schert wie um seinen „Platz in der Gesellschaft“, der er in seinen Reimen die lyrischen Leviten liest, machte schon als Sprayer sein eigenes Ding. „Jung, wütend und schlau“ hat er sich mal in einem Song bezeichnet, „einsam“ könnte man hinzusetzen. Denn an Prinz Pi zeigt sich, dass Kunst da ist, wo man keinem Mainstream, aber auch keinem potemkinschen Underground-Dorf nachrennt.

Ein Biograf des Prinzen (genauer: der Autor seines – erfrischend nicht zu solchem taugenden – Pressetexts) brachte das Prinzip Pi auf den Punkt: „Prinz Pi macht Musik gegen vieles, aber eigentlich will er nur Musik für etwas machen. Für all jene, die, wie er selbst, den richtigen Platz nicht finden können. Für Leute, die nicht reinpassen in diese IKEA-Schubladengesellschaft. Für alle, die sich gerne mit anderen zusammenschließen würden, bei all der Dummheit und Ignoranz da draußen aber keine wirkliche Heimat finden konnten.“

Ein einsamer Steppenwolf, wütender Workaholic, querständiger Don Quichotte also? Oder ist das nur eine Partisan-Pose? Die „Tour de Prince“, auf der Pi auch in die Pumpe kommt, wird’s zeigen – auch ob Pi einfach nur zu bescheiden ist, wenn er sagt: „In meinem Kopf freestylet Gott im Originalton.“

— snap! —

Nach Plakatlayouts so das erste Extra des Arbeitsnachttages. Abgesehen von und daher zu erwähnen: Lilly, mit der ich zwischen östlichem und westlichem Flügel der „Villa Wahnsinn“ skype. Zweisam, wirr, schlüsselwortend herzwarm.

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