Mi, 11.03.2020, 22:52

Selbstanalyse: In gewisser Hinsicht bin ich ein „autoritärer Charakter“, auch wenn nicht alle Merkmale dessen, die Erich Fromm in den 1930er Jahren und später Theodor W. Adorno („The Authoritarian Personality“, 1950) anhand einer sozialpsychologischen Analyse des Faschismus konstatierten, zutreffen. In folgenden Sätzen, mit denen Wikipedia Fromms Theorie paraphrasiert, finde ich mich jedoch wieder: Fromm sieht im Streben nach Freiheit und nach Gerechtigkeit fundamentale Wesenszüge aller Menschen. Viele Menschen seien dieser Freiheit jedoch nicht gewachsen bzw. haben durch Erziehung einen Sozialcharakter erworben, der an Macht und Gehorsam orientiert sei. In seinem Buch Escape from Freedom (1941) beschrieb Fromm die Psychodynamik dieser Furcht und Flucht vor der Freiheit. (…) Als typische Züge des autoritären Charakters nannte Erich Fromm die Unterwürfigkeit  gegenüber Autoritätspersonen, außerdem Destruktivität (Zerstörungslust), Selbsterhöhung und starre Konformität. (…) Den tieferen Grund, weshalb sich diese Charakterstruktur herausbildet, sah Fromm primär (…) in der Unfähigkeit von Menschen, mit ihrer prinzipiellen Freiheit umzugehen – sie fliehen vor dieser selbstverantwortlichen Freiheit in eine konforme Sicherheit und orientieren sich an der Autorität. Dieser soziale Charakter wird vor allem durch typische Grunderlebnisse innerhalb der Familie und im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anpassungen vermittelt.“

Ich fürchte mich vor der Freiheit, weil sie als Emanzipation und Loslösung von der versorgenden Mutter (oder Mutterfigur) errungen werden muss, was für das Kind in mir potentiell bedrohlich ist. Was ich gelernt habe und woran ich mich immer wieder (unbewusst oder bewusst) orientiere, ist, dass es Liebe und Zuneigung nur im Austausch gegen Wohlverhalten gibt. So bin ich – meist sogar vorauseilend – gehorsam, unterwerfe mich, bin überangepasst. Dialektisch gesehen, und so könnte eins Fromms Konzept fortspinnen, schlägt die Unterwerfungsgeste dabei in Herrschaft um. Ich bin, wie es L. treffend nannte, ein „devoter Despot“. Da ich nicht davon ausgehe, dass ich auch um meiner selbst (wer oder was das immer sein mag) Willen geliebt werde, verhalte ich mich dementsprechend (selbst-) destruktiv gegenüber allem, was mir eigentlich gut tut. Auch zu Beziehungen, die an sich gut sind, die ich aber immer wieder ins regressive autoritär Mütterliche versus devot (aber darin fordernde) Kindliche verwandele. Ausdruck dessen sind auch Konzepte / Glaubenssätze wie das von mir so genannte „not for me“ oder „Das Leben ist eine Veranstaltung, zu der ich nicht eingeladen, dort (bei Wohlverhalten) allenfalls geduldet bin“. Dieses selbst gewählte Außenseitertum verkläre ich zusätzlich zu einer Art heroischen Verzichts, auf dass ich um jeden Preis (nämlich den meiner selbst) „anders“ (dialektisch die Antithese zur Konformität) sei.

>> 11.03.2010
>> 11.03.2000
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