Mi, 24.11.10 (Fr, 26.11.10, 3:47): Kassiberkassierer

Seit dem morgennachmittäglichen Aufstehen fährt mir neben der (alten) asthmoiden Bronchitis ein (neuer) Hexenschuss in die Glieder. Beste Voraussetzung für ein KRANKes Aufmerksamkeitspotenzial für „Kassiber“, jene subkutanen, lumbalen Botschaften, die ins Kreuz fahren wie ein Band-Scheiben-Vorfall. In die Pumpe gehumpelt und gehustet und wie folgt die Kassiber für KN kassiert:

— snip! —

Kassiber hinterm Karneval

Frittenbude rappte in der Pumpe mit fettem Sound und sinnigen Reimen.

Kiel. „Wir sind die drei kleinen Schweinchen und brauchen eure Hilfe, Unterstützung von den Äffchen“, feuert Rapper Johannes Rögner aka Streuner das recht zahlreiche Publikum in der Pumpe an. Bevor das niederbayrische Trio Frittenbude hier seine Electro-Pop-Rap-Friteuse auf Temperatur bringt, hat Support Rampue schon mit fetten Techno-Sounds für gut gesottene Stimmung gesorgt.

Wenn die Electro- und Rap-Gemeinde so etwas wie Karneval feiern würde, dann wären Frittenbude die geeigneten Funkenmariechen, denn schon ihr Opener hat enormes Party-Potential: „Für mich soll’s heute Acid regnen, mir sollen sämtliche Wunder geschehen“, remixt das Trio die alte Knef-Hymne getreu dem Motto und Song auf dem aktuellen Album „Katzengold“, in dem sie ihren Zustand wie ihre Musik treffend als „jung, abgefuckt, kaputt und glücklich“ bezeichnen. Weil sich das so schön mitskandieren lässt – mit begeisterter Betonung auf dem zweitgenannten „Four-Letter“-Adjektiv –, gebärdet sich auch das Publikum karnevalesk, reckt die Hiphop-Arme, hebt einander auf die Schultern und als Stage-Diver durch die wogenden Reihen.

Doch der Schein der Kamellen trügt, auch wenn im scharf stampfenden Electrobeat-Gewitter manch süßer, ohrwürmig-melodischer Fetzen in den Refrains auftaucht wie einst in der Trance-Fraktionierung des Techno. Auf „immer wieder fröhlich sein“ reimt sich bei Frittenbude nämlich auch „immer wieder Phoenix sein“ und es gilt, sich wie dieser aus mancher Asche zu erheben – „wie die letzten Drachen auf der Jagd und Flucht“. Ein grundsätzlicher Zweifel, ja eine weltschmerzende Melancholie pocht in Frittenbudes Beats, ein Pessimismus weht durch die poetischen Katarakte. „Wir haben noch Zeit zu verstehen, dass am Ende alle gleich sind“, heißt es vieldeutig in „Katzengold“. Eine frohe Botschaft von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf dem ravenden Dancefloor, in der dennoch die pessimistische Erkenntnis mitschwingt, dass wenn alles egalitär ist, auch „alles egal ist“.

Solche Wendungen, Stürze aus Partykarneval ins Katarakt des Abgründigen finden sich viele in Frittenbudes Texten. Meist verborgen, umstellt von den fröhliche Urständ’ feier- und feuernden Bassbeats, aber dennoch erstaunlich deutlich, für den, der den Kassiber hinterm Karneval hören will. Und auch seine Mehrdeutigkeit, wenn es etwa heißt, „lass sie laufen, die Kunst!“ und die Frittenbude dazu fleißig Sodawasser ins Publikum spritzt. Ein beinahe schon symbolisch aufgeladener Akt statt bloß Karnevalskonzertdusche. Genauso, wenn statt den berühmten Feuerzeugen die Handys aus den Taschen gezogen und über dem Kopf geschwenkt werden. „Jetzt ist der Moment, die Hände hoch, ihr seid alle verhaftet!“, deklamieren die elektrischen „drei kleinen Schweinchen“ dazu und zucken im bleichen Gespensterlicht der Handybildschirme durch die Nacht.

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