Do, 06.08.2020

Hiroshima-Tag, 75 Jahre: Nach Jahren gehe ich erstmals wieder zu der Gedenkfeier im Hiroshima-Park, einmal die Rathausstraße runter, gleich nebenan. Morgen beginnt die GEW-Woche, Layout der September-Ausgabe der „Zeitschrift für Erziehung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein“, Schwerpunktthema Friedenserziehung. Dafür brauche ich noch ein Titelbild: die Lotusblüten auf dem Kleinen Kiel, Gedenkritual beim Hiroshima-Tag.

Früher, zu Politzeiten, war ich jedes Jahr da. Eilig als Parteisoldat. Gegenpropaganda, Gegenöffentlichkeiten schaffen. Flugis gegen den (Atom-) Krieg verteilen, für Sozialismus und gegen den Militärisch-Industriellen Komplex („MIR statt MIK!“). Das war so instrumentell wie jetzt auch, weil ich ja ein Foto für ein Arbeitsprodukt machen will.

Die alten Recken der Friedensbewegung. Das alte, ausgeblichene Banner letztes Jahr erneuert, aus Spendenmitteln. Inhalt immer noch derselbe – nicht etwa weil den Pax-Genoss*innen nichts Neues einfiele, sondern weil es immer noch 13.400 Atomraketen weltweit gibt, weil der Kalte Krieg nur zwischenzeitlich weg war, weil immer noch kein Frieden ist, weil „wir“ immer noch als Warner- und Mahner*innen unterwegs sein müssen, sisyphosische Kassandr*innen. Dennoch wirkt die Veranstaltung vergreist, nostalgisch, „ewig gestrig“ – wären da nicht die paar Fridays-for-Future-Jungaktivist*innen. Vor allem die *Innen, jung und aufbrüchig – und sommrig. Auch ewig gestrig, dass ich ihnen auf die Barfüße schaue, gedenkend nach unten. Und dass mir dabei auffällt, dass nach all den Jahren der Flipp-Flopp-Mode nun – wie davor-früher – Birki-Latschen en vogue sind.

Davon mache ich keine Fotos (obwohl das mit Tele reizvoll wäre).

Als die Lotusblüten aus Papier und mit Teelicht drin auf das kaum gewellte Wasser gesetzt werden, wird mein Blick anders. Früher fand ich das „kleinbürgerlich“, jetzt berührt es mich. Davon mache ich Fotos (zwar auch für die GEW-Zeitung vor allem aber in dem Modus seit einigen Tagen, Gefühle zu fotografieren). Die Lotusblüten treiben immer wieder ans Ufer, schwimmen nicht hinaus auf das grünschwarze Wasser. Als fürchteten sie sich vor der Weite (des aus ihrer Sicht Ozeans). Eins muss sie anstuppsen, aber sie treiben trotzdem immer wieder zurück, sammeln sich am Ufer, dicht gedrängt. Fotomotiv also mit der Tiefe der Weite (auch der Zeit).

Und ich gedenke, wie prägend für meine (politische) Sozialisation die ganze Atombomben-Geschichte war. „Pax optima rerum“, der Wahlspruch meiner Alma Mater. Und später, auch darauf fußend, die „Flugschrift“, in der wir einen erweiterten Friedensbegriff entwickelten, indem wir das herrschaftliche und objektivierende Denken als strukturelle Gewalt kritisierten. Auch das wirkt immer noch nach, wenn ich jetzt die Lotusblüten symbolisch, spirituell, ganzheitlich, vom Gefühl her betrachte. Das Private ist politisch – früher nur Spruch (von manchen Genoss*innen übrigens kritisiert), jetzt meine Revolution der Wahrnehmung und – ja – der Antastbarkeit.

>> 06.08.2010
>> 06.08.2000
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