„Tollite hostias, et adorate Dominum in atrio sancto ejus.“ (Psalm 96)
Spätnachmittags in der St. Nikolai-Kirche Saint-Saëns’ „Oratorio de Noël“. Presseplätze ziemlich nah dran. Schaue in die singenden Münder der Solisten und auf die Finger der Streicher und der Harfenistin. Sehe Musik. Und bin dauernd nah am Weinen von so viel (Be)Licht(ung). Zumal von diesem französischen, Proustschen Klang. Temps perdu. Und sich Auflösen, Verschwinden im Lichtklang. Welche Metapher ich nachher im Artikel nach stundenlanger Schreibhemmung derart überbelichte, dass es einerseits selig, andererseits mal wieder völlig überkandidelt ist. Immer wieder diese Exzesse in Kunst. Gerade in einer mir so fremden (und deshalb so ersehnten) Kunst wie Musik. Pastor fides. Der TEXT ist mein Hirte, deshalb mangelt’s mir an allem. Außer an Dämmerung, am „Twilight“, an selbstberauschter Träumerei. Katholisches, jesuitisch eiferndes Licht, nicht das der Aufklärung. Eine seltsame Frömmigkeit darin, während ich notiere: „Verhaltenes Ankommen, Verzögerung als Auftakt zum Aufbruch.“ „Brich an, o schönes Morgenlicht, und lass den Himmel tagen.“
Zertränt nachhause. Tauwetter – auch in den Augen. Im TV schlimme ZDF-History-Doku über Karl Marx, total psychologisierend. Anti-Aufklärung über einen der größten Aufklärer (aber womöglich gleichwohl Romantiker). Dennoch wieder enorm gerührt von diesen chamois-charmant gefärbten Szenen eines Besessenen am Schreibtisch zwischen Fluten von Papieren. Papiertiger Licht. Draußen wird’s derweil eben nicht dunkel. Schneelicht, Streulicht im Nebel. Katholisch sanft. Französisch. Ich an den Tasten, hymnisch tränenüberströmt, anstastbar.
