Fr, 17.12.10 (So, 19.12.10, 4:09): Schnulzen-Smog

Zurück aus dem Kieler Schloss und von The 12 Tenors (nicht freiwillig, im Dienst für KN) will der penetrante Geruch der dortigen Nebelmaschine nicht aus den Nasenflügeln weichen. Fast übel davon. Und vom Eigengeruch der Nacht. Draußen auch Nebel, eine Art Smog mit intensivem Geruch nach Hausbrand.

In der Seele derweil Schnulzen-Smog, deren Tränenvorhang aufzuziehen ist. (Die „Gladiator“-Nummer.) AufKLÄRUNG sei’s Panier! Also ein – gelinder – Verriss, wie ögyrs tun:

— snip! —

Im Dutzend eindimensional

The 12 Tenors waren im Schloss stimmgewaltig aber meist allzu geradlinig.

Kiel. Ja, das „Funiculì, Funiculà“ zur Konzerteröffnung im – wohl nicht nur aus Schneegründen – recht ausgewählt besuchten Schloss ist durchaus fulminant. 12 Tenors, das bedeutet zunächst einmal Stimmgewalt, gerade bei einem so schmetternden Klassiker. Die kann mitreißen, wird aber bald enttäuscht von erstaunlich eindimensionalen Arrangements für das Dutzend starker Stimmen.

Dabei gäben doch die vielgestaltigen Stimmfarben der international besetzten zwölf Tenöre, die im Verlauf des Abends besonders in den Soli einigen Glanz entfalten, Gelegenheit für Polyphonie, die über Solist plus Hintergrundrauschen hinausginge. Aber die 12 Tenöre setzen auf Durchschaubarkeit und Geradlinigkeit, die leider oft direkt in die Langeweile führt. Das beginnt schon beim zweiten Stück, „Veronika, der Lenz ist da“ von den unvergesslichen Comedian Harmonists. Deren A-cappella-Kunst ist in der Fassung der 12 Tenors im wesentlichen auf die Gassenhauermelodie und synchrone Tanzschrittchen reduziert. Wie so vieles ideal zum Mitklatschen, aber für die Ohren kaum ein Reiz, außer dass der Ohrwurm in ihnen nagt.

Nicht minder fraglich bleibt die Funktion der drei-köpfigen Begleitband. Zwei Keyboards untermalen so flau und so unisono, dass man sie sich auch ohne weiteres hätte sparen können. Nun, verbuchen wir das mal als angenehm dezente Begleitung. Was man vom Schlagzeug nicht behaupten kann. Es ist ständig zu laut und zudem so „auf Schlag“, dass man meinen könnte, da sitze kein Mensch an den Fellen, sondern ein MIDI-Computer. Wo das sich nicht so gut hören lässt, kann sich die Lightshow sehen lassen. Ein bisschen viel Show um fast nichts auch hier, aber immerhin die Lieder atmosphärisch ins richtige Licht rückend. Wäre da nicht die Nebelmaschine, die unter deutlich zu viel Dampf steht.

Aber genug geunkt über Geschmäcklerisches. Bei „Kalinka“ kann man gerade im Dutzend nicht viel falsch machen und entwickelt einigen Kosaken-Charme. „Libiamo“ aus „La Traviata“ zeigt, dass die Tenöre ihr Stimmhandwerk auch im Operngenre beherrschen. Wie den Pop, wo Eindimensionalität nicht so negativ auffällt. So macht im Michael-Jackson-Medley „Thriller“ seinem Namen alle Ehre. Ebenso in den Balladen können die sangesfreudigen Zwölf punkten, wenngleich mit berechenbaren Gänsehauteffekten. In „Maria“ aus der „Westside Story“ zeigen sie Herzblut, das sich jeder Schnulzen-Anwandlung erfolgreich widersetzt. Ferner nicht ohne nachhaltigen Eindruck: „Only You“, der Evergreen von den Platters, und das zu hymnischer Kraft gesteigerte „You Raise Me Up“ von den „Boygroup“-Kollegen Westlife.

Und wenn The 12 Tenors „Now We Are Free“ aus der Filmmusik von Hans Zimmer zu „Gladiator“ in einer fast reinen A-cappella-Version präsentieren, wird der Titel zum Programm: Sie haben sich frei gesungen vom Eindimensionalen. Mehr davon, und dem Dutzend wäre noch dankbarerer Applaus sicher.

— snap! —

Ein Selbstgeruch, ein „au goût“ …, „Gammel 1“ …

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