HYPErLYNX.di.gi.arium 00.03.04

nochmal lyrik.overkill. einen tag arbeit an den texten für die lesung. umgeschrieben, gestrichen. durch die ganze mühle hindurch. am ende steht halbwegs brauchbares MATERIAL, das irgendwie organisiert ist. ständige furcht, dass da nur müll rüberkommen wird. die texte sagen mir selbst wenig genug, der hirtenstab des textes ist biegsam wie bambus. aber sie sagen was. sie sind nicht stumm.

in der wohnung stumm wie in einer zelle. einkaufen am frühen mittag wie eine expedition. hinterher ist der kühlschrank gefüllt mit PROVIANT. die zimmer wie zelte, mit fenstern vom draußen getrennt. ich biwakiere. noch ins büro? immerhin wäre das ein orts.wechsel, aber auch dort das gefühl des provisoriums, das um die schnurrig arbeitenden apparate herum drapiert ist. in den zwei zimmern überall staub, den ich provisorisch weg sauge. staub, als würde diese behausung tendenziell zu verfall neigen. an mir selbst der wuchernde staub des bartes. mit dem proviant und dem tv als einzigem wirklichen fenster eingerichtet in einem zum zwischen.dasein kultuvierten dasein. furcht vor endgültigkeit. auch bei den texten. vorstellung: ich kann da ja immer noch was dran ändern. bei änderung entgleitet das zu ändernde, verliert seine substanz. am ende dieses ausgemergelte material, das in wirklichkeit wahrscheinlich nicht ausgemergelt, sondern nur konzentriert ist. gedichte wie gerippe, tod an allen ecken der zeilen. trauer der arbeit, noch zu verrichten.

ingenieur.voyeur: um mitternacht sämtliche nachbar.fenster erloschen. dunkelheit draußen, sternenklar. vorher auf rtl.2 "big.brother". da wird nichts gezeigt als ein alltag, der sich nach drei tagen im isolations.container allmählich einstellt und so langweilig ist, wie zu erwarten war. die kameras, die manchmal in das blickfeld einer anderen kamera geraten, werden von emsig surrenden schritt.motoren geschwenkt, wirken hilf- und ruhe.los auf der suche nach interessanten bildern. manuela vor der dusche, zwischendurch mal kurz nackt, worauf die kamera verzweifelt gierig zoomt. aber manuela weiß, dass sie beobachtet wird, und hat die dusch.zelle schnell geschlossen. der i.v. guckt weiter. ob doch noch was passiert. gefühl wie beim fast.forward.spulen der sex.video.kassetten. auf der suche nach momenten des BEI.SICH.SEINS, wo bei den figuren die inszenierung plötzlich in einigermaßen authentisches bei sich sein umschlägt, für einen augenblick nur.

die medienmaschinerie, die diese sendung hervorgebracht hat, prügelt in ihrem so genannten seriösen teil darauf ein, mit einer moral.konzentration, die sonst selten sichtbar ist. wie letzte zuckungen bürgerlicher kultur.kritik, die sich, wenn ihr gar nichts mehr einfällt, auf 18.jahrhundert.aufklärungs.kamellen wie menschenrecht zurückzieht. oder auf einen pseudo.kritischen stil, der sich als das entlarvt, was er kritisiert. beispiel, ap.bericht, bearbeitet von kn.tv.redakteur k.w. (kn 00.03.01). darin werden die frauen im big.brother.camp wie folgt beschrieben: "die 22.jährige manuela aus hamburg wirkt wie eine claudia.schiffer.kopie. die blondine (!) kerstin aus berlin ist 26 und hofft auf 'viel spaß' im container. die aus rumänien stammende despina ist 29 und brachte einen dicken plüsch.teddy mit. die 24.jährige jana, die ihr geld in potsdam mit telefon.sex verdient, hofft ebenso darauf, bis zum schluss dabeibleiben zu können, wie andrea, die mit 34 jahren älteste frau im container." beschreibungen im bild.zeitungs.stil (das alter darf nie fehlen als index für fickbar oder nicht fickbar), reduziert auf attribute (telefon.sex, claudia.schiffer.kopie, blonine, plüsch.teddy), die relevant sind für jenes interesse des zuschauers, das die selbst ernannten medien.nachtwächter für menschenverachtend halten. aber natürlich, so wird dekretiert, hat für die so menschenverachtend geschilderten das menschenrecht zu gelten. entlarvend auch die politiker.stimmen: otto schily sieht einen "massiven verstoß" gegen artikel 1. dabei braucht man im schily.land nicht erst in einen rtl.2.container mit kameras zu ziehen, damit artikel 1 nicht mehr gilt. es genügt, "ausländer" in abschiebehaft zu sein. die westerwelle meint, hier seien die "grenzen der freiheit hin zur beliebigkeit" überschritten. das sagt einer, dessen partei ihr liberales erbe genau daran verrät, an die totale beliebigkeit der deregulierung. eine riesige ideologie.maschinerie.

soziologisches experiment. brecht strengte 1930 den dreigroschen.prozess an, um zeigen zu lassen, dass das, worin es in dem prozess ging, nämlich urheberrecht, eigentum an geistigem besitz, unter kapitalistischen verhältnissen allenfalls als ideologem existiert. hätten schlauere leute als die rtl.2.quoten.strategen das big.brother.experiment angezettelt, wäre dies ein neuerliches soziologisches experiment, das zu zeigen hätte, dass kategorien wie individuum und damit verbundene privacy sich unter kapitalistischen produktionsbedingungen faktisch, aber nicht ideologisch aufzulösen haben. in der mode.industrie funktioniert das bereits bestens. man kauft den krempel, um sich individuell zu stylen, was sich für die produzenten aber nur dann lohnt, wenn sich so und so viele hundert.tausend "individuen" genau gleich stylen. die my.home.is.my.castle.ideologie ist nur haltbar, wenn sie sich mit ikea.möbeln ausstattet. individuen müssen konfektionierbar sein. so genannte markt.forschung ermittelt, wieviele "individuen" sich mit dem und dem produkt vormachen lassen, sie träfen eine "individuelle" entscheidung, indem sie es kaufen. für die mehrwertigen verwertungs.interessen wären wirklich freie individuen unbrauchbar. privacy ist auch nur solange sinnvoll, wie sie die illusion aufrecht erhält, wenn schon nicht in der fabrik oder den dienst.leister.gefängnissen, so doch wenigstens "in den eigenen vier wänden" sei man HERR DER LAGE. privacy dient der feierabendlichen "recreation des gemüths", damit es am nächsten morgen im büro oder am fließband schläft und nicht revoltiert. privacy ist "einbeutung" (brecht, dreigroschen.prozess) zum zwecke ausbeuterischer zurichtung. big.brother treibt also etwas auf die spitze, was latent sowieso eine der triebkräfte des kapitalismus ist. je heftiger die reaktionen der kultur.industrie darauf sind, umso sicherer konstruieren die ingenieure.voyeure von big.brother ein interessantes experiment.

der hiesige i.v. arbeitet also weiter an dem konzept pretty.public.privacy und stellt seine ergebnisse aus. erstes ergebnis ist der i.v. als selbst.konstrukt einer nur im modus der publikation denkbaren privaten figur.




<---->

-> HYPErLYNX.contents