Do, 18.2.10 (Fr, 19.2.10, 4:29): Flaschenpost

Uff: Tag, der sich geradezu unbemerkt aber stetig vollstopfte mit Arbeit. Kaum weggekommen von den Tasten und Fenstern. 124 Lebensart-Veranstaltungskalender-Pix durch den Konvertierungswolf gedreht, Anzeigen ins Vor-Layout gepolstert und also als “Chef” nach- und vorgearbeitet, was meine “Subunternehmer” geliefert haben oder noch bearbeiten sollen. Kein Kunst-, aber ein Konvertierungs-, Kontroll- und Korrekturmonster. Und alles für lau, weil ich den spärlichen Lohn in Gänze nach “unten” weiterreiche, mich nur als (Ver-) Mittler der Arbeit sehe, nicht als deren Ausbeuter. Ein seltsames Konstrukt, allein, es ist ideologisch begründet. Und seit Jahren eingeführt.

Abends dann los in eigener, weil KN-Sache. Das GlasBlasSing Quintett im Lutterbeker, an dem ich mich wie folgt metaphernd, alliterierend und berauscht vom eigenen virtuosen Flaschenpostwort vergehe 😉

— snip! —

Alleskönner auf Altglas

Das GlasBlasSing Quintett zeigte im Lutterbeker, welche Virtuosität in Flaschen steckt.

Lutterbek – So mancher Pop-Star und Komponist dürfte in seinem Altglasgrab fröhlich mitgepustet und -geklöppelt haben, hätte er im Lutterbeker bei der musikclownesken Flaschen-Performance des GlasBlasSing Quintetts dabei sein können. Zum Beispiel weiland Beethoven, dessen fünftsinfonisches Pochen an die Schicksalspforte geblasen und geploppt auf liedseligem Leergut allerliebst den Opener macht.

Vor drei Jahren entdeckten die Berliner Profimusiker die Flaschenmusik und zeigen in ihrem neuen Programm “Keine Macht den Dosen”, dass es mehr als eine Bierlaune war, das “Alleskönner-Instrument Flasche” vom Biertisch auf die Bühne zu heben. Ihre vielfältigen und hochvirtuosen Techniken, das Altglas und PET-Plastik durch Blasen, Schlagen, Streichen oder Schrammeln konzertant zum Klingen zu bringen, haben sie seit dem ersten Programm “Liedgut auf Leergut” deutlich verfeinert – nicht nur, weil Peter die “abgefahrene Sonnenbrille jetzt sparsamer einsetzt”, nämlich nur, wenn es Elvis in den Altglas-Container zu entsorgen gilt. Ein “kleines grünes Fläschchen” steht statt Comedian Harmonists’ gleichfarbigem Kaktus auf dem Balkon und “zischt, zischt, zischt” nicht nur aus dem Flaschenhals, sondern auch aus den Kehlen der fünf Flaschosolisten, die sich auch gesanglich als äußerst versiert erweisen.

Fünfstimmiges Konzertieren ist ja schon auf “normalen” Instrumenten nicht ohne, mit verteilten Tönen auf jeweils vier bis sechs Flaschen – da fällt schon die Akrobatik des Festhaltens ins Auge. Nicht zu schweigen von der Raffinesse, mit der die flas(c)henden Five ihre Orgel auf fünf Lippenpaare aufspalten und klanglich dennoch höchst homogen zusammensetzen. Natürlich hat das neben dem Virtuosen- vor allem auch einen Spaßfaktor, gerade wenn sie Howard Carpendales Schmonzette “Ti amo” nicht nur flaschengetönt, sondern auch trefflich umgedichtet in “Zieh-har-monika” zum Besten geben: “Wir waren wie Tonika und Dominante, Charlie und seine Tante, Don Quichote und Rosinante” … Das ist auch onomatopoetisch ein hervorragendes Altglas-Recycling.

In der ersten Liga des humoristischen Liedermachens spielen auch die erstmals zu hörenden eigenen Songs des Quintetts. Frei von Flaschenbezügen sowie derer vorheriger Leerung mit Nebenwirkungen wildern sie textlich wie musikalisch munter in den Flaschenkisten, wenn der “frühe Vogel”, daran verzweifelt, dass er den Wurm nicht fängt, weil der noch tief vergraben schlummert, oder die “Zeit macht, was sie will”, obwohl sie sich so trefflich in einen 15-Minutentakt bringen lässt, nach dem offenbar die ganze Welt tickt.

Auch instrumentlich sind die GlasBlasSingers äußerst innovativ mit Wasserspender-Bassdrum und Wasserspender-Djembe-to-go, die im Verein mit den klickenden Griffen von geschleuderten Weißbier-Six-Packs eine Samba entfachen, wie Rio sie noch nicht gehört hat, weil man da nur Rum trinkt. Nicht weniger alleskönnerisch altgeglast setzt Mozarts “Türkischer Marsch” auf Plopp-Phon und dem Flachmann-Xylofon dem Ganzen einen bejubelten Kronkorken auf.

— snap! —

Lilly währenddessen ein ums andere Mal vertröstet, statt getröstet in ihren Zweifeln. Zwischendrin mit ihr durch die Shops auf der Suche nach so Seltenem wie weißem Puder (Talkum). Unser Forscherdrang zwischen den Regalen. Ihre Schritte, mal zweifelnd, dann wieder so hüpfburgfroh, beobachtet. Ihre Zöpfe, die sie sich ins Haar webt. Ach …

Zurück vom Arbeitsdatum schauen wir “E-Mail für dich” und sind beide dauernd den Tränen nah. Ist es doch unser Anfang, das Auflaufen zu Hochform in den E-Mails an das noch unbekannte, aber schon geliebte Gesicht. Das allnächtliche Gedicht an ein Gesicht, das noch verborgen war. Und es manchmal noch ist, wenn wir uns anschauen, ebenso verliebt wie fragend.

So nah wir sind, immer wieder diese kleine Ferne, folgend aus ihrer und meiner Geschichte, die wir erkennen in den Gesichtern. Auch das ist Flaschenpost, der “Kassiber” (Lilly meint zurecht, ich solle dieses Wort nicht überstrapazieren, allein es klingt so schön …). Und wie wir jetzt selbst Geschichte(n) schreiben, ohne es (oder nur ein bisschen) zu merken. Wie wir an zukünftigen Erinnerungen arbeiten. Über jeden dieser stillen Tage und Nächte, wohnend und arbeitend am verschneiten Rathausturm, werden wir einst reden mit dem Präfix “Weißt du noch …”. Ist das beängstigend oder hoffend? Es ist immer noch, immer wieder neu. Es ist das Stammeln der Küsse, die all das nicht glauben können, was war, was ist, was sein wird.

Und so geht auch diese “E-mail für dich” flaschenpostend in diese Nacht. Geleert angeblasene Mezzo-Mix Zero 1,5 l PET-Flasche tönt übrigens, wie das “App” “Cleartune” auf dem iPhone vermeldet, als ein 220 Hz-A plus drei Cent, wohltemperiert gestimmt.

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