Mi, 11.11.2020

„Gutenmorgen. Wie sind Sie hier?“ Befindlichkeitsrunde, auch „Blitzlicht“ genannt. Ich bin wieder hier, nach einem Monat, auf den Tag genau. Währenddessen, also des Schweigens, des Nicht-Schreibens, hatte ich oft das Gefühl, eben nicht hier zu sein, insofern auf das „Wie?“ auch keine Antwort. Ich bin nachlässig mit meinen sozialen Kontakten. Wie wäre es mit einer kleinen Aufmerksamkeit? Aber Achtsamkeit ist anstrengend. Also mit einer kleinen Anstrengung? Sie können auch vom „Was?“ berichten, falls Ihnen zum „Wie?“ gerade nichts einfällt. Ich bin angefasst von dem, was SIE berichtet. Von IHREN Nachrichten aus dem Bunker. Angefasst ist ein treffender Name für mein Gefühl, auch wenn es zunächst nur eine Vokabel aus meinem aktiven Wortschatz ist – und auch eine Projektion. Denn das Wort ist keine haptische Berührung, obwohl es ja insofern sehr begrifflich ist, als es eine starke Berührung bezeichnet, ein Fassen, ein Hinlangen, einen Griff. Etwas ebenso Vorsichtiges wie deutlich Spürbares. Dennoch lediglich im Wort, semantisch, kaum lautlich, also gedacht, nicht gespürt, sinnhaft statt sinnlich.

In der Runde der in Therapie Befindlichen löste meine Suche, mein Ringen um das treffende Wort seinerzeit zuweilen einige Ratlosigkeit aus. Ob ich es nicht „weniger verklausuliert“ sagen oder beschreiben könne. Und ja, ich sage und schreibe nicht, es ist Beschreibung. Ich umrunde das Gefühl, kreise es ein, berühre es aber noch nicht. Einst hatte ich auch von der Antastbarkeit geschrieben. Ich wollte – und will – antastbar sein. Empathie mit Worten. Angetastet von Worten, indem ich sie betaste. Allerdings auch Stochern im Nebel des Morgens, eine Stunde nach dem Aufwachen.

Ich hatte geträumt von einem Boot, ich nannte es damals „Nachen“, das ich über einen Teich, ich nannte ihn damals „Weiher“, setzte. Es war beladen, „es kommt ein Schiff geladen, bis an den höchsten Bord“, mit Johannisbeeren, die, indem es schwankte, ich nannte es damals „Schwojen“, über Bord kullerten und ins Wasser fielen, ich nannte es „tropften“, dort Ringe erzeugten wie Regen auf dem stillen Wasser, ich nannte es jetzt „Tränen“.

>> 11.11.2010
>> 11.11.2000
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