schlummer-filet_13

ich bin ein kunstschreinermeister aus deutschland, ich kenne mich mit uhrwerken aus. und ich … ich bin ein angeblich verwirrter aus holland, daher kenne ich mich mit lenin aus und habe dessen frage „was tun?“ als lunte wörtlich an mich und euch zaudernde gelegt. wir sind die tat, die man uns nicht glaubt. wir sind trotz alledem alleintäter. wir wandten als einsame unser schütteres sperrfeuer gegen den bereits wehenden weltenbrand. von uns, johann georg und marinus, träumt ihm nun. wir haben glück, dass wir gegen das falsche aufstanden, also aus nachgetragener nachsicht berechtigte waren, während er vermutlich sich nur einreiht in den reigen inseln verheerender amokläufer. gleichwohl haben wir ein seltsam inniges verständnis für seine piratenfantasien, kennen aus uns in jenen innenleben von leckgeschlagenen wracks, verdurstungen an mädchenbrüsten und deren zündkerzgehemmten motorrollern, hungerleiden an der übersättigung, jener innerlichen dürre, die sich äußerlich in wüsten wänsten zeigt, ödemen der verzweiflung. wir können ihn sozusagen verstehen, obwohl wir nicht für ihn einstehen können, dürfen und auch nicht wollen. er schreibt uns hier hinein in sein konvolut als kronzeugen für widerstand. für jenes widerstehen, das wir in manischem fleiß übten. wie er und auch die amokschützen planten wir unsere notwendige tat minutiös, werkelten an den zündern der zeit, damit sie endzeite. wie er haben wir ein faible für endlösungen für drohende endlösungen. auch für diesen tremor, der ihn wie uns ergreift, wenn wir meinen, wir seien nah an der großen, wichtigen, weltbewegenden tat, die er immer noch eher dem wort als seiner wirklichung zuschreibt. insofern sind wir irr genug, seiner überlegung überlegen zu sein. denn ich, johann georg, habe nachts zwischen zwei und drei in die heilige säule eine platonische höhle für meine höllenmaschine gemeißelt. über tage, wochen, in denen ich mich in das abendlich gastliche, nächtens aber verlassene haus einschließen ließ. mein alleinsein, während ich kratzte, grub das grab, meint er nun zu ermessen. von seines gleichen war indes und ist noch jetzt nichts dergleich zu erwarten, es sei denn die wortende und mich eingemeindende traumfantasie von einer notauswendigen tat, die er freilich höchstens – buchstäblich – anzuzetteln weiß. und auch ich – hier spricht marinus – habe ihm vorzuwerfen, dass er sein zündholz allenfalls für das zigarettenattentat auf sich selbst anwendet, den reichstag nie von innen sah, es sei denn den „inneren reichsparteitag“, und auch nicht aus dem selben heim stammt wie wir. ich, kaum irrer als er, muss ihm vorwerfen, dass er nicht verwirrt genug ist, das wort gegen den tyrannenmord, den stift gegen das schwert, die feder gegen die ganze ikasowjetrussische schwinge zu tauschen. ja, ich muss es so sagen aus meinem grabe und schrein, anklagend ihn, dass seine schreibtischnichttäterschaft geradezu darin besteht, dass er, der erschlaffte, hitzköpfelnd erkaltende, ausgerechnet uns, johann georg und mich, marinus, jetzt herzitiert zu einem rapport, den wir ihm gewiss nicht geben. genausowenig holger, ulrike, andreas, gudrun, jan-carl und all die genossen, die weit mehr als er das risiko auf sich nahmen, ihrer kleinbürgerlichen herkunft zu entrinnen, um an jene die selbstverzehrende fackel zu legen, den brandsatz sich selbst ins gesäß zu schieben, um daran zu explodieren. dennoch, das muss man ihm zugute halten: er nennt hier nochmal zumindest unsere vornamen. er gedenkt unser, die wir vor-schläge nicht nur machten, sondern auch taten. und auch, dass er die ruinen durchstöbert, die wir zu hindern versuchten, macht ihn sympathisch. und doch, wir toten fragen ihn, was er von uns, aber vor allem euch, will, wenn er von uns sagt und schreibt. nachfolge oder widerstand? will er des schreiners johann georg mühevolle säge an der säule des bürgerbräukellers besingen oder seine seele? will er mit marinus auf die couch im kz? will er mit gudrun und andreas die liebe zur revolution zu dritt in seiner zelle? will er mit dem toten dichter oder selbst als dichter mit ihm, uns und sich, endlich einmal durchgehend das totenlied den tötenden verhältnissen, die genau so sind, wie er schrieb und wir bombten, singen?

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