Di, 17.8.10 (Do, 19.8.10, 6:01): Genosse Herzchen 9.0

Vor ziemlich genau neun Jahren war Genosse Herzchen in Unordnung und krank, wie hier dokumentiert. Heute ist das Herzchen stabil, medikamentenmäßig, und pocht doch todessehnsüchtig, verfettet wie eh (und so dickmilchig selten bisher) an sein Nicht-mehr-Sein:

— snip! —

Leise Lieder aus dem engen Herzkasten

Cate’s Leila brachte das Prinz Willy zum andächtigen Bersten.

Kiel. Das erlebt man im Prinz Willy selten: Das kleine, lauschige Café gleicht einer Sardinenbüchse, und die Zuhörer, die darin keinen Platz mehr finden, drängen sich bis auf die Straße. Dabei ist der Grund ein ganz leiser: Cate’s Leila in zarter Duobesetzung und ihre Lieder unter anderem vom Debüt-Album „Story In A Box“.

Dass Pressestimmen die Hamburgerin Cate und ihren Begleiter Micha Holland aus Neuseeland an Bass und Gitarre mit Tori Amos vergleichen, ist vielleicht etwas hoch gegriffen, dennoch betört die Singer-Songwriterin mit ihren Liedern aus einem melancholisch beengten Herzkästlein. Oder singt da doch jemand ganz anderes als Cate von den Leiden ewiger Einsamkeit, nur augenblickshaft herstellbarer Zweisamkeit und dem „Shadow On The Wall“, der das Leben schon seit Platons Höhlengleichnis ist? „Call me Leila, if you like“, lässt Cate eine Figur sprechen, jenes zartfühlende und weltschmerzende Mädchen, das sie vielleicht nicht selber ist, und das ihr Gegenüber, namentlich uns Hörer in der „Box“ des Prinz Willy, auffordert: „Let’s Take The Road Downside.“

Während Cate dazu moll-lastige, aber durchaus melodische Tunes aus dem Klavier streichelt, legt Micha weiche, sonore Basstupfer darunter und gibt dem Geisterhaften der Songs so ein sicheres Fundament. In den Refrains ist es zudem seine Stimme, die in warmer Helle Cates sprechendem, erzählerischen Gesangsgestus Klangfarben beimischt, die das Dunkel im Herzkasten mit einer Spur Himmelslicht durchflackern. Doch weiter geht’s durch die Verschüchterungen der Seele, wenn auch mit etwas mehr Mut in „I Got To Travel On“ oder dem obwohl in stiller Sanftmut schleichenden, so doch Zuversicht ausstrahlenden „Right Away“.

Ein facettenreiches Lebensgefühl setzt sich so in Cate’s Leilas Songs allmählich zusammen, für das dann auch noch eine weitere Gewährsfigur genannt wird: Holly Golightly aus Truman Capotes „Frühstück bei Tiffany“, jenes „federleichte“ Mädchen, das sich mangels Erdung im Leben ins Flatterhafte stürzt und so sehr gut zu Cates Liedfigur und alter ego Leila passt. Ein Lebensgefühl und -entwurf, der das Publikum trotz drangvoller Enge beinahe andächtig still werden lässt, um Cate und Leila auf den Pfaden solchen Seins zu folgen.

Cates Lieder wirken hier geradezu magisch, weil sie fern von bloßer Empfindsamkeitslyrik ein authentisches Bild von Sehnsüchten zeichnen und damit in ihren Bann schlagen. Zumal wenn Cate aus ihrer ätherischen Entrücktheit dann doch mal leise herauslächelt, weil eine engelsflügelnde Melodie den großen schwarzen Vogel, der über allem zu schweben scheint, zu kolibrihaftem Flattern raus aus der Enge des Herzens in die Weite des Lebendigen anregt.

— snap! —

Man kommt, ich komme an, wo man/ich schon mal war. Und noch nie gewesen ist. Das ist ja Charakteristikum von Kunst. Mit Lilly, Prag, im Chat nachts nochmal alles neu entworfen. Wie ich wieder jung bin, das Kunstmonster, der Mann, der im Spiegel verlebt aussieht, RAUSCHebärtig, einsam, todgeweiht. Und dennoch singend. Und weil schreibend, einfach bleibend für immer.

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