21-10-95, 23:25

verloren, verzogen und beschwichtigt. es gehe so nicht, sagte sk. er war dabei unendlich allein, wie ein fremder im fremdeln sich selbst gegenüber. ob’s richtig war, war egal. und verschissen auch das gestirn droben. eine große weigerung stand ihm auf der stirn und in den augen. kein verzicht mehr, kein kreuztragen mit mühsamem schritt vorwärts zb durch den abenduntergang hin, warten, daß einer dem nächsten riet, der untergänge. sk fröstelte, und seine finger zitterten. von sich ging nicht und auch außerhalb nicht. mit dem satz, den er schrieb, schien das ein bißchen zu weichen, aber nur kurz, wie wenn ein schnitt im finger stark schmerzt und der schmerz einen augenblick schwindet, wenn man den finger oberhalb der wunde (in richtung herz) gewaltsam abpreßt, daß das blut nicht mehr pulst und er ganz weiß wird. dann aber muß man ihn wieder loslassen. rückkehrt dann der schmerz.

freilich wußte sk, wie wenig ihm wut, forderung, unerbittlichkeit standen, wie lächerlich all das in seine züge zeichnete. doch schien es ihm auflehnung wert, dann allenfalls das noch dulden zu müssen. am rand seiner selbst geriet er in solche panik, fuchtelte hilflos. fuchtelte, damit der böse geist wich. der wich aber nicht, sondern verstieg sich in sein fuchteln. wir werden nicht siegen, sagte er. es ging zwar gar nicht um siegen oder nicht, aber er sagte so und sprach. die verrückung der zeichen setzte ein. die münzen kehrten ihre seiten und waren darunter, auf der anderen seite, verrostet oder grünspänig. r wollte ihren willen durchsetzen, darauf kam es ihr an. angesichts dessen war sk auf verlorenem posten. jedoch war er nicht mal mehr auf posten. er war einfach abgehauen, hinein in ein unsicheres terrain. sie versuchte, an die alte kiste zu appellieren, daß er gern leide, und so, daß er sich schließlich darüber definiere. sie hielt daran nicht heftig fest. aber gerade an dieser fehlenden heftigkeit zu begründen, was sie tue, sah sk die gänzliche aussichtslosigkeit seines unterfangens, das etwas von appell, heftigkeit und moral hatte. sie mußte darauf nicht einmal eingehen, eben weil es so hahnebüchen war, weil sk auf dem unsicheren terrain längst entschwunden und schon sehr allein war.

sk hatte appelliert und dabei kaum von sich geredet, weil da nichts war mehr, über das er hätte reden können. nur daß es ihn natürlich anging. ihn ging an die tatsache, daß es sie nicht anging, was ihn anging. so gehe es nicht, wiederholte sk. was geht so nicht, fragte sie. sk wußte es nicht, natürlich. in ihm war ein einziges zurückweichen. rückzug auf ganzer linie, doch er blieb stehen, irgendwie abgetrennt von allem von sich. das terrain schwankte. sk beschloß nun erstmal, alles ruhen zu lassen, was ihm an aufgabe gestellt war, besser: was er sich als solche gestellt hatte, ohne danach explizit gefragt worden zu sein. es bestand keinerlei arbeitsteilung mehr. überhaupt schien das ganze nur für ihn die kategorie notwendige arbeit zu haben. baby, baby, war das eine misere. mehr war dazu kaum auszumachen.

über ihm standen sterne in einem kühlen herbsthimmel, den ersten nachtfrost verheißend. und hatte dieser blick nach oben bislang immerhin die qualität der annahme, daß andere in eben diesem moment so taten, daß das irgendwie was verbindendes habe, so dachte er jetzt, war sich gewiß, daß er in diesem einen moment der einzige mensch sei, der da mal so eben kurz hochsehe. das moralische gesetz in ihm und der gestirnte himmel über ihm hatte kant in zunehmendes erstaunen versetzt. sk sah jetzt keinerlei verbindung zwischen diesen beiden, sah vielmehr, daß sich da erheblich was zusammenbraute. abgetrennt von den vorgängen stand er da, von den vorgängen, die einfach ohne ihn abliefen, sich nicht um ihn oder seine gedanken daran bekümmerten. dieses verhalten der wirklichen wirklichkeit hatte er mal mit dem adjektiv „anfallslos“ umschrieben. die dinge fielen ihn weder an, noch auf ihn hernieder oder vor die füße. nein, sie ereigneten sich in völliger unabhängigkeit von ihm. wirklichkeit schien ihm in diesem moment grausam wirklich. ansonsten bestand immerhin die chance, wirklichkeit als wenigstens in teilen von seiner sicht darauf in seiner wahrnehmung ihrer bestimmt. dieser doch tröstliche eindruck wich jetzt in diesem moment. er sah ein wirken, das ohne ihn genauso gewirkt hätte.

die tatsache, daß es möglich war, sich per chemie in einen rausch zu versetzen, hatte ihn bestätigt in der vorstellung, daß wenn nicht auf wirklichkeit selbst, so doch auf seine wahrnehmung derselben einfluß auszuüben war. jetzt jedoch, dachte er, jetzt macht die wirklichkeit, was sie will, weigert sich sogar, anders wahrgenommen zu werden. der ganze gesunde mechanismus der verdrängung etwa stand stille, werkte nicht mehr. sondern kalt stand das da, und ihm war kalt. mit dem hauch eines gedichtes war dem nicht mehr beizukommen, auch nicht mit dem leiden davor. eigentlich war dies auch überhaupt kein leiden mehr, es hatte etwas von solcher kälte, daß es erstarrte, augenblicklich. minutenlang ging er auf & ab, um diesen entsetzlichen eindruck abzuschütteln. er fletschte die zähne, sah aber ansonsten im spiegel sehr grau aus. ihm sah eine große müdigkeit entgegen. die verzweiflung war groß.

sk hätte darüber nicht sprechen müssen, glaubte aber, daß das ihm helfen werde. jetzt zitterte er am ganzen leib. es war kalt hier. die decke holen, dann darin herumhocken. die bezirke glichen eingeweiden. die eingeweide glichen einer selbstlos hingeworfenen masse fleisches. das fleisch glich dem fleisch. dies war der endpunkt. hier war die wirkliche wirklichkeit.

das thc hatte ihn entspannt, er saß da und war jetzt auch unheimlich wirklich, wunschlos. nicht daß er wünschte, das jetzt zu sagen. er sagte es. die entspannung schlich wie gewöhnlich von einem punkt nah des steißes in beide richtungen, bis sie die füße und oben den scheitel des schädels erreicht hatte. das war jetzt der fall. eine planlosigkeit ergriff ihn. er handelte, was im moment aus dem drücken der tasten bestand. satz um satz versicherte er sich, daß das sätze waren. sk lehnte sich zurück und schlug ein bein unter, bis es schmerzte. verrenkt saß er da und tippte. in seinen schultern saß irgendein klettermaxe, der haken in den fels hieb und seile spannte.

bei diesem vorgang war sk eine gewisse größe nicht abzusprechen. es war dies die größe der größe von ca. einem kubikmeter keit, der vollständig von sk und anhängen ausgefüllt war, wo keine luft sein konnte und auch kein anderes auge. natürlich war dies ein elementares gesetz und galt neben sk auch für andere gegenstände. sk gähnte, und sein auge fiel.

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