im krebsgang

1

im krebsgang schau ich dieses wirre jahr,
auch auf die freund’, die sagen, so geht’s nicht,
die traute mir verwandt’ und singend’ schar,
dass darin werd’ ich nur, weil reimend, wicht.

doch geh’n darin die anverzichts geschichten,
der einverstand, sich so auch selbst zu richten,
geht, was ich war, zu dem, was ich noch werde
im himmel nicht, doch auf der schütt’ren erde.

ich schau zurück und geh’ daraus voran,
was war mir als des horizonts gebärde,
wird leiten mich, der kämpfend hält sich an,

dass wird ihm bleibend sein in schäfchens herde,
was war und ist mir an- und fortgesang,
ein ausweg und der eingang der beschwerde.

2

das schrieb freund georg reimer, doch wer ich
bin, das ist längstens noch nicht ausgemacht.
bin ich das dürre selbst, das noch und nicht
sich ausgeziert, wo manches tot sich lacht?

und wär’ ich solches, dennoch durch die lieb’
gesagt, der liebe einverstand’ne dauer.
dass ich auch darin euer feuer blieb,
dass ich an solchen küsten weiter kauer.

wer bin ich, dass ich nicht mich auch benützte,
dass alles, was ich wüsste, längst vergangen
und schon erfahren und belichtet blitzte

wie etwas aus dem mir und dir verlangen
verzichtete auf eben dies, erfüllung
und bliebe darob in der selbstverhüllung.

3

wer bin ich denn vor dieser wetterfront?
ein laues lüftchen oder wilder sturm?
wer, wenn nicht, der es abermals gekonnt,
das sein in schlange nicht, doch ach, dein’m wurm?

ich mach’ mich kleiner, doch bin darin größer,
silvesterheld mit rot gekochten scheren.
und seht, wie ich geschnitten solche schöße,
wie ich den schnitt noch nähe im bescheren

als schneider böck mit wortgespitzten nadeln,
als busch vor wilhelm, selbigen zu adeln,
als tempest, william und sonett shakespearen,

zu füll’n den krug mit mehreren von bieren.
dass also würd’ mein ausverzehr’n im vagen
die antwort auf mein danach süchtig fragen.

4

ich gehe rückwärts wie der rote krebs,
und seitwärts wie die goldene der krabben.
mein angang ist der eines küst’nen wegs,
der unverstand und dennoch lebens zacken.

und reime ungebrochenes, gleich brüchig,
verzage an dem wort, das rückwärts geht,
wie hummer mit den roten scheren züchtig
durch uns’re mägen, wo ein sturm noch weht.

denn ungehörig sind des fischers reime,
ein lied, das keinen fisch lässt in den netzen
und keine pflanze, die im watt noch keime.

so geh’ ich in die mir verwandte wüste,
bin einverstanden dem mich anverletzen
und sauge an der mir verlor’nen büste.

5

freund georg fühlt sich darin nur benutzt,
sein’ nam’ ist reimer und er reimt zur lust
die frage, wer er sei in all’ geschicht,
wer schaltet an aus dunkelheit das licht

im versen und den düst’ren, dunklen worten?
es ist der, der die dunkelheit entfacht
und auch das licht an schwärzesten der pforten,
der selbige, der in den nächten wacht.

im rück und warten geht er dir voran,
dein dich auch liebender, dein freund und mann,
er geht, dass dir die freiheit ist die bahn.

er kommt zu dir, dein leben ist ihm wahn,
derselbe, den er nochmal hoffnung nennt,
weil er dein hoffen und beglückung kennt.

6

mein freund zur nacht rät mir ein anderes,
die harte tour, verzückung und vergess’,
die weich’re auch, lass es mit dir geschehen.
was wird dich in solch’ anderland verwehen?

mein freund kennt solches selbst aus der erfahrung,
er lässt mich nicht aus solcher offenbarung,
weiß, wie der ögyr tickt in der bedingung
und welches ist darin die eigenschwingung.

und wie verlorene und doch frequenz
noch offen ist für sendung und empfang
selbst dichterischstem und darin begrenzt

das lesen mitten aus geschriebenem,
poet’scher silben kurz, des lesens lang
ein letzter vers der ihn noch liebenden.

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