H[e]urige He[i/l]ligkeit

Die weißen Flecken jetzt, zurückgeblieben auf ihrem schwarzen Kleid, sind die schwarzen auf ihrer weißen Seele. Ihre Lust, das unbekannte Land zu entdecken, die weißen Flecken auf der Nachtkarte der unschuldig dunklen Kutte zu schmecken. Im weiß-linnenen Bett die stern-düster glitzernden Gebete, ein heller Hauch aus dem Grund ihrer Kehle aufbrodelnd, ein ungekannter Lustlaut, kein Wort und doch so viele, die in allen Sprachen hallen. Die Deutlichkeit des Ungedeuteten tief ausgeatmet, als begänne ihr Innerstes zu sprechen, gurgelnd aus den feuchten Sümpfen, wo die Pflaumen blühen prall. Denn da ist die wahre Heiligkeit des Körpers und seiner Beseelung, wo die Widersprüche die Hoffnungen sind.

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Sie spürt sie aufsteigen in ihr, die weiß schäumende Brandung, Wellenkämme über den tiefschwarzen Abgründen des Meeres, eine Gischt weht über das Kleid, es nicht befleckend, sondern verzierend, unbezähmbar. Sie sieht das weiße in seinen Augen, als sich die Pupillen verengen wie sie sich jetzt unten, ihn zu umfassen, ihn aufzusaugen in das Weib, aus dem er gekommen und in das er jetzt kommt. Zu ihr, ganz nah und nass. Ein perlendes Getränk sind ihre Lippen an seinem Hirtenstab, erst dann den Stein erweichend mit den Freudentränen ihres Geschlechts, als er heiße Tropfen auf sie weint. Und wer bräche da den Stab der Sünde über diesen sich selbst heiligenden heurigen Moment, wo alles eines in das andere zu vergehen scheint, die Welle stürzt und überschlägt sich, zu landen an ihren seichten Stränden.

Ihr Kleid ist hinauf gerafft wie die Nacht, wenn der Morgen eindringt, und gibt den Dschungel frei, wo das erste Vögeln zwitschert. Sie sieht sich als Doppelgestirn aufgehen, sich umkreisen und ineinander stürzen, eine Implosion der zuckenden Glieder unter dunkelgerötetem Weiß ihrer Haut. Ihre Kutte ist Brautkleid, die schwarze Blüte, lilienbelichtet ihr Gesicht vor heiliger Ernüchterung jetzt, wo ihre Zunge verstummt und ihr stoßender Atem ruhiger geht, das Schwarz erweißt und sich das Betttuch wie ein Gebetsmantel auf die nachglühende Haut legt. Und sie fragt sich, ob genau das die Seele sei, die nun einsickert zurück in sie, die bebenden Flügel eingefaltet sich friedlich schlafen legt, um sündig erbleicht zu schlummern in den Armen und zwischen den Beinen ihres Leibes. Dass sie sich hingab an sich selbst, macht sie erst heilig, heiligt das Leben, das hurende, alles sprengende, die Kraft, mit der die Schoten platzen, wenn sie der Tag gereift.

Und schon keimt der in ihre Furche gelegte Same erneut, treiben die Bäume aus, birst das Laubdach über ihr, wieder und wieder vom weißen Strahl der Sterne zu kosten. Aus dem Röcheln ringt sich weiterer Schrei, verdichtet die Stille zum Klang der Liebe zwischen Körpern und Seelen, weltumfassend, weil ihre Welt jetzt fest fassend, sie kneifend, ob sie schlafe. Doch sie ist wach in diesem Traum, wo die Farben strudeln und sie spuckt ihre süßen Säfte, zu feuchten das geheiligte Beet. Und die weißen Flecken auf ihrem schwarzen Kleid sind jetzt schillernde wie Regenbogen, fließen in einander wie auf der Pallette dessen, der sie bemalt – ja! ich will! jetzt! – mit den gelenkigen Fingerfarben der Lust.

Das Schwarz weicht, sie trägt ein orange-blaues Sommerkleid zur Hochzeit von Heiliger und Hure, zum Versöhnungsfest von Leib und Seele, die jetzt zwei wieder zusammenhält – die Arme des Liebenden sie und ihre ihn umschlingend … Und aus dem Staub ward Licht, und das Licht ward zum Staub.

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