11-1-95, 21:32

sk hat sich ein nettes spiel ausgedacht. eine geheime liebeserklärung an e, so geheim, daß nur er sie verstehen wird und fraglich ist, ob er sie in einem jahr noch verstehen wird. deshalb beschließt sk, die totale überstruktur des folgenden textes hier zu dokumentieren. festplattensarg.

eine literarische besprechung des nk, als e neben ihm saß. voller anspielungen und mit einem akrostichon – tristan & gottfried lassen grüßen. als theaterbesprechung getarnt im sm und also 14.200-fach in die kieler kleinwelt geschrien. insgesamt etwa 4 stunden dran gebastelt, so lange noch nie an einer besprechung.

der text im original (nur akrostichon hervorgehoben, in der hoffnung, daß die layoutöse wieder mit initialen rumspielt):

Klara in the Sky with Diamonds
Tschaikowskys „Nußknacker“ im Opernhaus

„Weder Klara noch irgend jemand wußte, was Drosselmeyer mit diesen Worten sagen wollte.“ (E.T.A. Hoffmann: „Der Nußknacker und der Mäusekönig“)

Es ist fast schon eine Binsenweisheit, daß sich in Märchen wie im Mythos archetypische Erfahrungen verbergen. E.T.A. Hoffmann hat in seinem „Nußknacker und Mäusekönig“, der Tschaikowskys Ballett als Vorlage diente, zusätzlich noch so manche selbstironische intellektuelle Fußangel eingebaut, vor allem in der Person des Drosselmeyer (Graeme A. Auld), geheimnisvoller Pate der Hauptfigur Klara. Und eben diese Doppel-, wenn nicht Mehrbödigkeiten, reizen die Choreographie von Markus Brühl und die kongeniale Ausstattung von Dagmar Boden in der Kieler Inszenierung des Ballettklassikers auf allen Ebenen aus. Unter ihrer Hand ist aus dem sonst gerne als Weihnachtsschmankerl vernutzten Ballett ein eher in die Karnevalszeit passendes Pandämonium surrealer Phantasien mit z.T. beißend ironischer Steigerung entstanden.

Spiel und Traumwelt der Kinder als Refugium vor den unerbittlichen Anforderungen der Erwachsenen: Brühl inszeniert den Nußknacker nicht zuletzt als eine Geschichte des Erwachsenwerdens, als pubertäre Wanderung Klaras (Pascale de Kerckhove) zwischen den Welten, die Dagmar Boden denn auch mittels Kostümfarben überdeutlich markiert. Grau die Erwachsenen, die in Klaras Alptraum zu aggressiven Mäusen mutieren, blau und rot, die Farben der Nußknacker-Uniform des Drosselmeyer und damit der Spielkistenwelt der Kinder.

Träume als Ausdruck versteckter Wünsche und Befürchtungen sind im Nußknacker die eigentlichen Protagonisten. Und so gilt ihnen die besondere Aufmerksamkeit des Choreographen. Brühls nicht mehr an klassischen Tanzfiguren, sondern eher an Show und Dance-Hall orientierte Ballettkunst im Verein mit der vor intelligenten Einfällen geradezu strotzenden Ausstattung bringen die Traumsequenzen äußerst eindrücklich, manchmal gar an überbunte Drogenphantasien erinnernd auf die Bühne. Sie entfalten damit selbst eine fast kindliche Spielfreude. Die Reihe von Charakter-Tänzen im 2. Akt, in denen auch Tschaikowskys Musik polare Gegensätze auslotet, nutzt Brühl, um die Widersprüche Kind-Erwachsene, Traum-Realität auch tänzerisch darzustellen. Klaras Spielzeuge tanzen ausgelassen, oft mit schlackernden Gliedern, während z.B. die zur Sphäre der Erwachsenen gehörende Primaballerina (Dani Thomas) bewußt mechanisch und mit vereistem Lächeln ihre körperbeherrschten Ballettfiguren abspult. Unverbildeter Bewegungsdrang vs. erstarrte Grazie: Ironisch wird hier das Genre selbst hinterfragt.

Herrlich auch die berühmte Schneeflöckchen-Szene: Mit niedlichen weißen Wollmützen und schlenkernden, viel zu großen Handschuhen bekleidet visualisiert das auch im scheinbar unkoordinierten Durcheinander optimal aufeinander abgestimmte Ensemble die wirren Taumelbewegungen nicht nur des Schneefalls.

Erwachsen, weil verliebt wird das Spielkind Klara erst in den Pas de deux mit ihrem auserwählten Hans. Pascale de Kerckhove und Kevin Old zeigen gelernte Perfektion, wirken aber überzeugender, wenn ihnen die Choreographie in den Kinderszenen freien Lauf läßt und sie nicht in die (erwachsenen) Konventionen brechenbarer Schrittfolgen fesselt.

Respekt! Choreographie und Ensemble haben mit dieser Inszenierung einen eigenwilligen, phantasievollen und mitreißenden Nußknacker gewagt, der sich gewohnt Konventionellem verweigert. „No risk, no fun!“ – ein Spiel, das dazu taugt, sich darin zu verlieben. Drosselmeyer

textende; folgen erläuterungen:

1. e’s akrostichon: die anfangsbuchstaben der absätze bilden: e-s-t-h-e-r. wenn gemocht, kann man noch das sehnsüchtige rufzeichen nach „respekt“ im letzten absatz hinzuzählen.

2. motto: „Weder Klara noch irgend jemand wußte, was Drosselmeyer mit diesen Worten sagen wollte.“ (E.T.A. Hoffmann: „Der Nußknacker und der Mäusekönig“)
ausm programmheft gezogen. im nk-original von e.t.a. heißt klara marie. das mußte natürlich für die besprechung angeglichen werden. drosselmeyer ist der seltsame pate, der klaras geburtstagsfeier durcheinanderbringt. sk hat den artikel mit drosselmeyer unterzeichnet, insofern ist auch er drosselmeyer. das motto dürfte sich somit erklären. klara ist klara, aber auch e. weder sie, noch sonst jemand wird das geheimnis dieses textes lösen können. enigma; mittelalter. „diese worte“ sind natürlich der nachfolgende text.

3. überschrift: „Klara in the Sky with Diamonds“. kleiner kottau an beatles’ „lucy …“, eine anspielung, die wohl noch jeder verstehen wird. wird im text ferner korrespondiert mit der passage über drogenphantasien: „… Traumsequenzen äußerst eindrücklich, manchmal gar an überbunte Drogenphantasien erinnernd …“; also relativ klar. aber auch: e als gelegentliche kifferin und anspielung darauf, daß die meisten der bisherigen texte sk’s über e (dieser nicht) unter thc geschrieben wurden.

4. der beginn: kann man auch so lesen: „es ist fast schon eine binsenweisheit, daß sich in diesem text geheime botschaften verbergen.“

5. die drosselmeyer-passage (1. absatz): kann man auch so lesen: „sk hat in seiner kritik, der tschaikowskys ballett als vorlage diente, zusätzlich noch so manche selbstironische intellektuelle fußangel eingebaut, vor allem in der person des drosselmeyer, geheimnisvoller pate der hauptfigur e. und eben diese doppel-, wenn nicht mehrbödigkeiten, reizen die choreographie und die kongeniale überstruktur des textes auf allen ebenen aus.“

6. rest des 1. absatzes: kann man auch so lesen: unter sk’s hand ist aus der sonst gerne als werbungsschmankerl vernutzten theaterkritik ein eher in die narrenzeit passendes pandämonium surrealer anspielungen mit z.t. beißend ironischer steigerung entstanden.“

7. entsprechend der beginn des 2. absatzes: „spiel und traumwelt des kindischen (= kindisch verliebten) als refugium vor den unerbittlichen anforderungen der erwachsenen (= sm, pirwitz &c.)“

8. die farben des drosselmeyer (= sk) sind natürlich: blau & rot. besoffen & revolutionär. besoffen von e (ersatzweise auch alk & thc), revolutionär in der bis in die verästelung getriebenen überstruktur des textes.

9. beginn des 3. absatzes liest sich dann verdolmetscht so: „träume (= geheime, schwer entschlüsselbare botschaften) als ausdruck versteckter wünsche (e) und befürchtungen (nicht-e) ((drosselmeyers nichte? cf. pate vs. nichte, s.o.)) sind in dieser kritik die eigentlichen protagonisten (= eigentliche botschaft).“

10. der text ist „vor intelligenten einfällen geradezu strotzend“.

11. undsoweiterundsofort übersetzbar, zb: „sk’s textspielzeuge tanzen ausgelassen …“

12. „Ironisch wird hier das Genre selbst hinterfragt.“: das genre theaterkritik, das genre sk als selbstinszenierung mit e als bühne.

13. der H-absatz: sk’s outfit ist ja auch irgendwie niedlich. isabelle fand’s jedenfalls neulich, als sk seine kapuze im weggehen schon übergezogen hatte, und küßte ihn auf die wange. „Taumelbewegungen nicht nur des Schnees“ – natürlich auch sk’s, als ihm im foyer neben e die beinchen zitterten.

14. „Erwachsen, weil verliebt“: filosofisch. sk ist ein kind und will durch liebe erwachsen werden endlich. aber es kommt nur wieder eine kindische verliebtheit dabei heraus, ein spielzeug seiner fantasien, total irreal. e – ein traum!

15. „Respekt!“ – vor e, sk vor sich (mangelnd?). „respect“ die zentrale vokabel zb in der hiphop-bewegung.

16. „gewagt“: sk hat sich weit vor gewagt, aber doch wieder versteckt hinter einem rockreif von mehrstdeutigkeiten. also nur ein scheinbares wagnis, das nur sk als solches erscheint.

17. „No risk, no fun!“: der schlüssel in der tür, damit e wissen könnte, daß der text etwas mit ihr & sk zu tun haben könnte. ein spruch, den sie gerne bemüht, der auch am abend im gespräch fiel. hier könnte e zumindest erkennen, daß sk etwas hat einfließen lassen, was unzweifelbar von ihr kommt. vielleicht ein gefühl der schmeichelung? natürlich letztlich auch motto für das ganze unterfangen dieses unterwanderten textes.

18. „ein Spiel, das dazu taugt, sich darin zu verlieben.“: aha! doppeldeutigkeit von „darin“: 1. in das spiel (= dieses textspielchen hier, aber natürlich auf der oben-ebene auch in die inszenierung); 2. in dem spiel (= während es auf der bühne vorne abläuft, sk in e neben sk).

19. unterzeichneter „Drosselmeyer“: natürlich sk.

toll, alles, was sk sagt, hat etwas zu bedeuten. e oder sonst wer hat natürlich nur chance, 17., in der folge vielleicht noch 18. und bestenfalls noch das akrostichon zu durchschauen. das übrige ist wohl wirklich zu selbstbezogen auf sk. aber auch irgendwie gut, etwas zu haben, was nur man selbst versteht, weil man es selber gemacht hat. (und genug von dem, was man selber gemacht hat, versteht man ja überhaupt nicht!). die methode ist natürlich kontramodern, weil mittelalterlich: es wird wissentlich verschlüsselt, während ja der moderne ansatz ist, nur einen gar nicht verschlüsselten text erfolgreich entschlüsseln zu können, sprich: im modernen, weiß die autorin nicht, was sie tut – und das ist ja der grund zu schreiben. man weiß eben nicht bescheid und versucht, ’s übers schreiben rauszukriegen.

verdächtig erscheint es sk, daß er mit dem text zu zufrieden ist. er spinnt sich ein in den kokon seiner selbstselbstselbstselbst…bezüglichkeit. dennoch. sk hofft nun inständig, daß die layoutöse morgen initialen vor jedem absatz verwendet, etwas, was die regeln des schriftsatzes verbieten.

23:10

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