Auf Periskoptiefe

„Unter Wasser geht das Land weiter“ (Klavki)

„Meine Stadt schmeckt salzig“, schrie[b] der mir befreundete und im April 2009 verstorbene Dichter Klavki und besang damit nicht nur unsere gemeinsame Heimatstadt, sondern auch das salzige Wasser rund derselben – wie der Tränen, die man gelegentlich über das Untergehen vergießt und damit kaum osmotische, wohl aber „ossianische“ Effekte erzielt. Sie erinnern sich? Ossian, mühthischer Dichter der Romantik, bereits bei Goethe matt bis glänzend besungen, geben Sie’s mal bei Wikipedia ein!

Kurzum, wenn ich derzeit rund 20 km über Kiel in einem Sanatorium, das dem „Zauberberg“ nicht unähnlich ist, untertauche, um nicht weiter unterzugehen, sondern mit Rettung zu ringen, denke ich weniger an Fische und Maritimes. Es sei denn an Klavkis legendäre Dichter-Session in einer Suite des Hotels Maritim, weiten Blicks über die Wasser der Förde, wo er sich eingemietet hatte, um seinem Epos „Der Traumzeuge“ über das Wasser und die Delfine darunter den letzten Schliff der durchaus geplanten Unvollendetheit zu geben, also gleichsam auf Periskoptiefe zu gehen.


… mit Rettung ringen … (Fotos: ögyr)

Auf solcher Periskoptiefe bleibt man auch unter Wasser an Land, das unter Wasser – gleichsam tiefergelegt – weitergeht, geht nicht unter, sondern eben nur unter Wasser. Dichten in der und über die Vertikale, über den „Verwellengrund“, welcher poetischer Straßenname mir an hiesigem Strand (Sie dürfen jetzt raten, wo) über die sandigen Füße stolperte.


… am Grund verwe[i/l]lt das Land …

Verwellen schwappt auf der salzigen Zunge fast wie Verwelken und erinnert hier unter dem „Zauberberg“ an den „Tod in Venedig“, dessen Campanile nachgebildet eben der Rathausturm ist (und gerade 100 wird), in dessen Schatten ich wohne – oder sollte ich sagen: unter dessen Schatten ich unterseeisch dichte? Sollte ich nicht, denn in Unterseebooten verlangen Kapitänleutnants nicht nur der Literatur wie Kollege Klavki „ordentliche Meldungen“. „Am Herz ist alles kaputt“ ist eine zu unspezifische. Zumal wir seit Lothar-Günther Buchheims „Das Boot“ (einer meiner wohl x mal gelesenen Romane – Lieblingskapitel „Gammel 2“) und Wolfgang Petersens Verfilmung desselben (eines meiner Lieblings-Unterwasser-Abenteuer neben Jules Vernes „20.000 Meilen unter dem Meer“) wissen: „Das Wasser muss raus, muss! Erst in die Zentrale-Bilge, dann mit Pressluft außenbords!“

„Könnte klappen“, sagt der LI, dem die schweißige Strähne nach der Träne ins Gesicht weht.

Man könnte meinen, dass eben dies eine Metapher fürs Dichten an sich ist. Das Wasser muss raus, obwohl man sich gerade dazu unter Wasser begeben hat. Und das Untergehen, das unten Gehen durch das Land, das unter Wasser weitergeht. Wie schon der Brandtaucher sank in der Kieler Förde, wie schon das Sinken und sich fallen Lassen unter die Oberfläche Poesie gebiert. Unter Wasser sind die fremden Welten, die das Land über Wasser nicht kennt, doch stets schon erahnt in seinem Anlanden von Strandgütern.


… wo aus dem Meer das Land wird …

Und so empfehle ich Ihnen: Gehen Sie unter Wasser, testen sie das Tauchen, halten Sie die Luft an! Aber behalten Sie Ihr Periskop und Ihren Schnorchel über Fördewasser, diese Stadt zu sehen, zu atmen und zu riechen, ihr Salz in der Luft und ihre Silhouette. Maritimen Sie märchenhaft wie wir, die unterseeischen, untergegangenen Dichter, wir Käpt’n Nemos der Sprache …

Verwel[l/k]e doch, du bist so schön


Senke einmal noch die Schleier
Deiner milden Gegenwart
Auf meinen Elendsweiher,
Den Nachen trüber Fahrt.

Und halt’ am welken Meeresgrunde
Aufrecht deine Periskope.
So gehst du heim und nicht zugrunde,
Ans stille Land auch dieser Strophe.

(geschrieben für und veröffentlicht hier)

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